Unser Vorgehen
Ausgehend von den oben genannten Befunden, waren wir an der Erforschung der Wirksamkeit und Akzeptanz begleiteter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Therapieprogramme unter den natürlichen Bedingungen der Routineversorgung interessiert. So existieren hierzu bislang nur wenige wissenschaftliche Belege, auch wenn mittlerweile zahlreiche Therapieprogramme zur Nutzung bereitstehen.
In unserer Studie sammelten wir Informationen aus Originalstudien über Symptomveränderungen, Akzeptanz (Inanspruchnahme der Dienstleistung, Informationen über die Teilnehmenden wie deren Alter und Geschlecht, Adhärenz und Zufriedenheit) sowie negative Effekte (Symptomverschlechterung, Nebenwirkungen) der jeweils mit Begleitung durchgeführten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Online-Therapieprogramme. Dabei konzentrierten wir uns auf die Veränderung der depressiven und angstbezogenen Symptomschwere zwischen Programmbeginn und -ende.
In der Metaanalyse berücksichtigte Einzelstudien
Wir haben die internationale Fachliteratur nach Studien durchsucht, die über die Wirksamkeit begleiteter und verzahnter („blended”) kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Therapieprogramme bei Erwachsenen berichteten, die wegen Angst und Depressionen behandelt wurden. Und zwar in einem Umfeld, das der Routinepraxis entspricht oder für diese repräsentativ ist. Studien, die über im Forschungskontext gewonnene Ergebnisse berichteten, wurden nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie randomisiert-kontrollierte Studien oder Pilot-Implementierungsprojekte.
Von mehr als 25.000 durchsuchten Studien identifizierten wir 19, die unsere Kriterien erfüllten. Diese Studien berichteten über insgesamt 30 in die Routineversorgung eingebundene begleitete kognitiv-verhaltenstherapeutische Online-Therapieprogramme in neun verschiedenen Ländern. Von diesen 30 Angeboten konzentrierten sich 8 auf Depressionen, 17 auf Angststörungen und 5 sowohl auf Depressionen als auch auf Angst. Alle internetbasierten Depressions- und die meisten Angstprogramme ließen Nutzende mit schweren Symptomen zur Programmteilnahme zu. 40% der Angebote schlossen ausschließlich Nutzende mit einer klinisch diagnostizierten psychischen Erkrankung ein. 73% der Angebote formulierten Suizidalität als klares Ausschlusskriterium. Wir konnten keine Publikationen zu verzahnten Angeboten in der Routineversorgung in die Übersichtsarbeit einschließen.
Wir fassten die Berichte von 19 Einzelstudien und mehr als 12.000 Teilnehmenden zusammen, um eine gemeinsame Schätzung der Wirksamkeit und Akzeptanz begleiteter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Therapieprogramme unter natürlichen Bedingungen der Routineversorgung über individuelle Interventionen und Settings hinweg abzuleiten.
Merkmale der in der Routineversorgung eingesetzten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Online-Therapieprogramme
Im Durchschnitt enthielten die Online-Therapieprogramme acht Kurseinheiten. Während alle Studien ein inhaltsspezifisches Feedback zum Fortschritt des Nutzers durch die Behandlung lieferten, enthielten die Hälfte von ihnen eine Anleitung, die sich zusätzlich auf motivierende Aspekte konzentrierte. Bei mehr als zwei Drittel der Angebote verlief die Kommunikation zwischen Coaches und Teilnehmenden asynchron, andere boten synchrone telefonische oder persönliche Beratungen an. Im Durchschnitt erhielten die Teilnehmenden 134 Minuten Beratungszeit. Innerhalb der meisten Angebote wurden die Coaches in kognitiver Verhaltenstherapie sowie speziell für die Begleitung von Online-Therapieprogrammen geschult.
Die Hälfte der Online-Therapieprogramme berichtete über spezifische Maßnahmen in Bezug auf Suizidalität oder Symptomverschlechterung. Zu den Verfahren, die bei Suizidalität, Inaktivität oder mangelndem Fortschritt sowie Symptomverschlechterung eingesetzt wurden, gehörten Möglichkeiten zur Risikominderung durch telefonische Kontaktaufnahme, strukturierte Risikobewertungen, Erstellen eines Notfallplans oder der Verweis auf externe Unterstützungsangebote.
Akzeptanz und Benutzermerkmale
65% der Teilnehmenden waren weiblich, das Durchschnittsalter betrug 38 Jahre. Über alle Online-Therapieprogramme und Teilnehmenden hinweg betrug der durchschnittliche Prozentsatz der abgeschlossenen Sitzungen 61%. Etwa zwei Drittel der Nutzenden beendeten alle Programmkomponenten wie vorgesehen. Etwa zwei Drittel der ursprünglichen Studien berichteten über die Zufriedenheit der Teilnehmenden. Davon gab wiederum die Hälfte konkrete Zufriedenheitswerte an, welche im Durchschnitt hoch bis sehr hoch ausfielen.
Auswirkungen auf Symptomveränderung
Depression
Innerhalb der Depressionsstudien berichtete eine über mäßige, alle anderen Studien über große individuelle Effekte (Effektstärke Hedges’ g) bezüglich der Symptomreduktion. Die gepoolten Daten weisen auf einen großen Effekt hin. Da die angebotenen Online-Therapieprogramme jedoch so unterschiedlich sind, könnte die Schätzung des gemeinsamen Effekts verzerrt sein. Daher berechneten wir das konservativere Vorhersageintervall, wobei die konservativste Schätzung des wahren Effekts immer noch einen mittleren bis großen Effekt anzeigt.
Darüber hinaus könnten Ergebnisse dadurch verzerrt sein, dass Prä-Post-Evaluierungen einen Effekt aufgrund der Korrelation der aufeinanderfolgenden Zeitpunkte statistisch überschätzen. Daher führten wir verschiedene Analysen mit unterschiedlich starken Korrelationen durch und dennoch bleibt der Effekt mindestens moderat bis groß.
Angststörungen
Innerhalb der Studien der angstspezifischen Online-Therapieprogramme berichtete eine Studie über eine kleine, sechs über eine mittlere und 13 über eine große Wirkung. Die gepoolten Daten deuten auf einen großen Effekt hin. Auch hier berechneten wir das Vorhersageintervall für die kombinierten Effekte, das einen kleinen Effekt als konservativste Indikation für die Wirksamkeit anzeigt. Die Durchführung von Analysen mit unterschiedlichen Korrelationen zwischen den Messzeitpunkten führte zu mäßigen bis großen Effekten.
Mögliche negative Effekte kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Therapieprogramme
Weniger als die Hälfte der berücksichtigten Studien schloss Berichte über Verschlechterungsraten mit ein, also über Teilnehmende mit einem höheren Symptomschweregrad nach Programmabschluss als zu Beginn. In den Einzelstudien, die diese Informationen enthalten, erlebten wiederum durchschnittlich 2,9% der Nutzenden eine Symptomverschlechterung. In keiner dieser Studien über andere mögliche negative Effekte oder Prädiktoren einer Symptomverschlechterung berichtet. Aus der vorliegenden Literatur können daher keine eindeutigen Schlussfolgerungen über negative Wirkungen abgeleitet werden und es Bedarf dringend weiterer Forschung.
Schlussfolgerung
Unsere Studie liefert weitere Belege für die Akzeptanz und Wirksamkeit begleiteter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Therapieprogramme zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen in der Routineversorgung. Danach können begleitete Online-Therapieprogramme eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung und Behandlung hilfsbedürftiger Menschen spielen.
Einordnung der Studie in den deutschen Versorgungskontext
In der vorliegenden Studie wurden ausschließlich begleitete Online-Therapieprogramme betrachtet, auf deren Wirksamkeit die identifizierten Effekte schließen lassen. Eine kürzlich erschienene Studie zeigt zwar die höhere Effektivität begleiteter Online-Therapieprogramme insbesondere zur Behandlung von mittelgradigen oder schweren Depressionen im Vergleich zu unbegleiteten Online-Therapieprogrammen. Gleichzeitig zeigten sich jedoch auch vielversprechende Effekte bei unbegleiteten Online-Therapieprogrammen. Das lässt darauf schließen, dass ein gezielter Einsatz zu sowohl begleiteter als auch unbegleiteter Online-Therapieprogramme – basierend auf Faktoren wie beispielsweise der Symptomschwere – einen großen Mehrwert haben kann.
Im internationalen Vergleich, den unsere Studie ermöglicht, erzielen begleitete Online-Depressionsprogramme ebenso einen sehr guten Effekt innerhalb der deutschen Routineversorgung.
HelloBetter bietet überwiegend begleitete Online-Therapieprogramme, wie zum Beispiel HelloBetter Depression, sowie unbegleitete Präventionskurse an. Auch unsere unbegleiteten Kurse schließen jedoch die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme ein. Denn wir legen in all unseren Angeboten großen Wert auf die Sicherheit unserer Klient:innen.
Ein herzliches Dankeschön auch an unsere Kolleginnen und Kollegen an der Friedrich Alexander Universität Erlangen Nürnberg, der Vrijen Universiteit Amsterdam, der Harvard Medical School, der Universität Ulm und der Macquarie University in Sydney.
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