Was ist eine digitale Gesundheitsanwendung?
Als Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden CE-zertifizierte Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa bezeichnet, deren hauptsächliche Funktion grundlegend auf digitalen Technologien beruht. Sie sind dazu bestimmt, die Erkennung, Überwachung, Linderung oder Behandlung von Erkrankungen zu unterstützen und dienen damit einem medizinischen Zweck. Dabei kann es sich beispielsweise um Apps oder auch browserbasierte Online-Programme mit gesundheitsbezogener Zweckbestimmung handeln.
Es können nur die digitalen Gesundheitsanwendungen von Ihnen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden, die durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als DiGA zertifiziert und im entsprechenden DiGA-Verzeichnis vorläufig oder dauerhaft gelistet sind.
Zur Zertifizierung durch das BfArM prüft dieses vorab, ob eine Anwendung die vorgeschriebenen Anforderungen hinsichtlich Funktionstauglichkeit, Datensicherheit, Datenschutz, Patientensicherheit, Verbraucherschutz, Barrierefreiheit und Interoperabilität erfüllt. Darüber hinaus muss von Herstellerseite eine abgeschlossene vergleichende Studie zum positiven Versorgungseffekt der Anwendung erbracht werden. Wird dieser Nachweis bereits bei Antragstellung vorgelegt und alle weiteren Kriterien sind erfüllt, erfolgt eine dauerhafte Listung im DiGA-Verzeichnis. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, können Anwendungen auch vorläufig zur Erprobung aufgenommen werden – vorausgesetzt alle anderen Anforderungen sind gegeben. Dieses sogenannte Fast-Track-Verfahren sieht jedoch vor, dass der positive Versorgungseffekt innerhalb eines Jahres vorgelegt werden muss, damit eine digitale Anwendung dauerhaft als DiGA gelistet werden kann.
Informationen dazu, ob eine digitale Gesundheitsanwendung dauerhaft oder vorläufig gelistet ist, finden Sie im DiGA-Verzeichnis.
Psychologische Online-Programme als DiGA
Neben körperlichen Erkrankungen wie Diabetes oder Multiple Sklerose beziehen sich zahlreiche DiGA auf psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen oder Ängste. Hier stehen sowohl Apps als auch browserbasierte Online-Programme zur Verfügung. Diese verbinden beispielsweise Psychoedukation mit der Vermittlung psychotherapeutischer Techniken. Während sich einige digitale Gesundheitsanwendungen dabei auch auf tiefenpsychologisch fundierte Interventionen beziehen, basiert die Mehrzahl der psychologischen Online-Programme auf der kognitiven Verhaltenstherapie. Dazu werden bewährte Therapiebausteine wie beispielsweise Verhaltensaktivierung, kognitive Umstrukturierung und/oder Entspannungstechniken angewandt, die auch in der klassischen Face-to-Face Behandlung zum Einsatz kommen. In der Regel werden diese Inhalte dann textbasiert und mithilfe von Videos, Audios und interaktiven Übungen vermittelt.
Einbindung in die ärztliche Behandlung
Digitale Gesundheitsanwendungen können die Versorgung von Menschen mit psychischen und/oder körperlichen Erkrankungen unterstützen. Für Sie als Ärztinnen und Ärzte stellt sich dabei vielleicht die Frage, wo und wie genau sich psychologische Online-Programme sinnvoll in die eigene Behandlung einbinden lassen. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Wie lassen sich psychologische Online-Programme in die ärztliche Behandlung einbinden?
- Wartezeitüberbrückung
- Ergänzung zur ärztlichen Behandlung
- Rückfallprophylaxe und Nachsorge
1Wartezeitüberbrückung
Viele Menschen wenden sich nicht nur mit körperlichen, sondern auch psychischen Beschwerden als erste Anlaufstelle an Sie als Ärztinnen und Ärzte. Durch die bereits bestehende Beziehung und das oft schon entstandene Vertrauensverhältnis fällt dieser Schritt meist leichter als die direkte Kontaktaufnahme mit einer psychotherapeutischen Praxis.
In anderen Fällen stellen Sie vielleicht während der Behandlung fest, dass sich komorbid zu körperlichen auch psychische Beschwerden manifestiert haben und diesbezüglich eine weiterführende psychotherapeutische Unterstützung sinnvoll wäre. Vielerorts ist eine Anbindung an eine psychotherapeutische Praxis für Betroffene jedoch mit langen Wartezeiten verbunden.
Laut Bundespsychotherapeutenkammer betrug die Wartezeit auf einen ambulanten Psychotherapieplatz bereits 2018 rund 20 Wochen (BPtK, 2018). Laut den vorläufigen Ergebnissen einer Anfang 2021 auf einem Online-Symposium des Verbands Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP) vorgestellten Befragung lag die Wartezeit für die Aufnahme in eine Richtlinienpsychotherapie bei den befragten psychotherapeutischen Kassenpraxen Ende 2020 bei im Schnitt 22 Wochen (zur Aufzeichnung der Veranstaltung).
Psychologische Online-Programme, die als DiGA gelistet sind, können solche Wartezeiten sinnvoll überbrücken. So haben Ihre Patienten und Patientinnen unmittelbar Zugang zu evidenzbasierten Interventionen und psychoedukativen Inhalten. Dadurch können Sie bereits eine erste Verbesserung ihrer Symptomatik sowie eine Stärkung ihres allgemeinen Wohlbefindens und ihres Selbstwirksamkeitserlebens erfahren. Betroffene werden auf diese Weise während der Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz begleitet und können diese Zeit zur Vorbereitung nutzen. So kann eine eventuell bereits erreichte Symptomveränderung und das Wissen um klassische Elemente der Psychotherapie als Basis für die anschließende Behandlung dienen und diese unterstützen.
2Ergänzung zur ärztlichen Behandlung
Digitale Gesundheitsanwendungen können auch komplementär zu einer bestehenden ärztlichen Behandlung eingesetzt werden. Die Patientinnen und Patienten durchlaufen die psychologischen Online-Programme dabei meist selbstständig und ohne, dass sie als Behandelnde über Inhalte und Funktionsweise der DiGA aufklären müssen. Dabei besteht natürlich die Möglichkeit, dass Sie den Verlauf gemeinsam beobachten. So beinhalten DiGA in der Regel validierte Fragebögen, die von den Teilnehmenden ausgefüllt und deren Ergebnisse und Fortschritte gemeinsam besprochen werden können. Besonders hilfreich ist hierbei, dass digitale Gesundheitsanwendungen jeweils klare Schwerpunkte wie beispielsweise Schlafstörungen, Panikattacken oder riskanten Alkoholkonsum abdecken. So kann die komplementäre Einbindung in die ärztliche Behandlung ganz gezielt erfolgen.
Dabei gilt: Psychologische Online-Programme können eine ärztliche Behandlung ergänzen, können und sollen diese aber nicht ersetzen.
3Rückfallprophylaxe und Nachsorge
Digitale Gesundheitsanwendungen können sich darüber hinaus auch zur Rückfallprophylaxe und Nachsorge beispielsweise im Anschluss einer psychosomatischen Reha eignen. Dabei können sie unterstützend wirken, die dort erreichten Ziele festigen und das Rückfallrisiko senken. Psychologische Online-Programme, die explizit für diese Behandlungsphase entwickelt und zertifiziert wurden, nutzen bewährte Bausteine der Rückfallprophylaxe und begleiten die Nutzerinnen und Nutzer für eine bestimmte Zeit weiter.
In der Praxis: Einbindung digitaler Gesundheitsanwendungen
Sie als Ärztinnen und Ärzte können jede digitale Gesundheitsanwendung, die im DiGA-Verzeichnis des BfArM gelistet ist, zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschreiben. Neben der Listung bestehen weitere Voraussetzungen darin, dass eine Indikation gegeben sein muss, mögliche Kontraindikationen ausgeschlossen sind und Sie den Einsatz einer DiGA als angemessen und medizinisch zweckmäßig erachten. Welche praktischen Schritte bei der Verschreibung zu berücksichtigen sind, fassen wir im Folgenden kurz zusammen.
Beachten Sie, dass digitale Gesundheitsanwendungen nur bei Patientinnen und Patienten über 18 Jahren verordnet werden dürfen.
1Ärztliches Beratungsgespräch
In welchen Fällen und zu welchem Zeitpunkt sich das Verschreiben einer DiGA bei Ihren Patientinnen und Patienten eignet, ist sehr individuell und abhängig von Ihrer Einschätzung. Hier kann es hilfreich sein, sich vorab einen Überblick über das DiGA-Verzeichnis sowie die für jede DiGA spezifisch zu erfüllenden Diagnosen zu verschaffen, um bestmöglich beraten und gemeinsam besprechen zu können, ob und welche digitale Gesundheitsanwendung jeweils infrage kommen kann. Zusätzlich bieten Herstellende Ihnen als Fachpersonal in der Regel kostenlose Testzugänge oder Schulungen zu den Anwendungen an.
2Verschreibung einer DiGA
Die Verschreibung erfolgt wie auch bei anderen Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln über das Arzneimittelrezept (Muster 16) unter Angabe der zugeordneten Pharmazentralnummer (PZN). Sie erhalten die, für jede DiGA eindeutige, indikationsspezifische PZN, im DiGA-Verzeichnis unter „Informationen für Fachkreise”. Die Verordnungsdauer ist bereits unter der PZN gespeichert, sodass Sie diese nicht zusätzlich notieren müssen. In vielen Fällen finden Sie eine DiGA schon in ihrer Praxissoftware. Falls dies jedoch noch nicht möglich ist, können Sie das Rezept übergangsweise manuell ausfüllen. Mit dem Rezept wenden sich Ihre Patientinnen und Patienten dann an ihre jeweilige Krankenkasse und erhalten so den Zugang zur verschriebenen digitalen Gesundheitsanwendung.
Sofern aus medizinischer Sicht indiziert, können auch Folgeverordnungen für die gleiche DiGA ausgestellt werden. Darüber hinaus gibt es aktuell keine Maximalzahl an zu verordnenden DiGA pro Versichertem oder Versicherter. Sie können also unterschiedliche Anwendungen parallel verschreiben. Dabei gilt: nur eine DiGA pro Rezeptblatt.
Sie haben Fragen zur Verschreibung, wünschen sich Informationsmaterial oder eine persönliche Beratung?
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Quellennachweis
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. (2020). Das Fast Track Verfahren für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach § 139e SGB V. [Leitfaden]. Abgerufen am 16. September 2021, von https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medizinprodukte/diga_leitfaden.html;jsessionid=D3CBF2C3697A76A8E017CA8BBD071598.intranet362?nn=597198
- https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/20180411_bptk_studie_wartezeiten_2018.pdf
- https://www.kvberlin.de/fuer-praxen/alles-fuer-den-praxisalltag/verordnung/digitale-gesundheitsanwendungen
- https://www.kbv.de/html/diga.php
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