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Mind-Body-Medizin: ein Überblick

Eines der Vermächtnisse der Philosophie von René Descartes (1596-1650) ist seine These, dass Geist und Körper zwei unabhängige Dinge sind, die sich völlig voneinander unterscheiden. Heute ist klar, dass dieser Geist-Körper-Dualismus ein Konzept ist, dass nicht gehalten werden kann und die damit einhergehende Einteilung von Gesundheitsproblemen in entweder somatische oder psychische für die Behandlung nicht zielführend ist.1

Mehr und mehr wird deutlich, dass unser Umgang mit Gedanken und Gefühlen einen Einfluss auf körperliche Symptome nimmt und sich die Bewältigung von Stress direkt auf den körperlichen Gesundheitszustand auswirken kann. Diese und weitere Themen sind zentrale Aspekte der Mind-Body-Medizin.

Historische Entwicklung der Mind-Body-Medizin

Den Begriff der Mind-Body-Medizin prägte der Harvard-Kardiologe Herbert Benson aus den USA. Dieser begründete unter anderem ab den 1970er-Jahren die aufkommende moderne Meditationsforschung. Von ihm beschriebene Entspannungsphänomene wie selbstinduzierte Blutdrucksenkung, Veränderung der Herzfrequenz oder Körpertemperatur kennen wir heute auch aus dem Biofeedback, dem autogenen Training oder der Hypnose. Weiterhin beobachtete er während seiner Forschung die Verbindungen und Interaktionen zwischen dem Gehirn, Geist, Körper sowie Verhalten. Dabei konnte er nachweisen, dass diese Interaktionen zu psychophysiologischen Veränderungen und der Aktivierung von gesundheitsförderlichen Ressourcen führen können. Diese gesundheitserhaltenden und -fördernden Ressourcen weiter erforschend, gründete er schließlich das Mind Body Medical Institut an der Harvard Medical School (heute: Benson-Henry Institute for Mind Body Medicine).2, 3

Ende der 1970er Jahre begannen auch andere Forschende, sich mit der Verbindung von Geist und Körper zu beschäftigen. Unter anderem untersuchte Jon Kabat-Zinn an der University of Massachusetts die Wirkungen eines von ihm selbst entwickelten Mind-Body-Medizin Programms mit dem Schwerpunkt der Achtsamkeitsmeditation für spezifische Störungsbilder. Eines davon, welches sich an Betroffene mit chronischen Schmerzen richtete, wurde später weltweit als Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) bekannt.4 In Deutschland erfolgte der Durchbruch durch die erstmalige Etablierung einer klinischen Versorgung unter Einbezug der Mind-Body-Therapie an den Kliniken Essen-Mitte – dazu gleich mehr. Mittlerweile sind die positiven Effekte von beispielsweise Achtsamkeitsübungen auf verschiedenste Körperfunktionen und Erkrankungen nachgewiesen und weiterhin Schwerpunkt zahlreicher Forschungsarbeiten.

Definition der Mind-Body-Medizin

Aber wie genau lässt sich der Begriff der Mind-Body-Medizin definieren? Dazu gibt das National Institute of Health (NIH) des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums Aufschluss: 

Mind-body medicine focuses on the interactions among the brain, mind, body, and behavior, and the powerful ways in which emotional, mental, social, spiritual, and behavioral factors can directly affect health.” 

Demnach basiert die Mind-Body-Medizin auf der Anerkennung einer direkten Geist-Körper-Achse. Im Zentrum steht die Frage, auf welche Weisen emotionale, geistig-seelische, soziale, spirituelle, erfahrungs- oder verhaltensbezogene Faktoren die Gesundheit beeinflussen können.2

Grundlagen der Mind-Body-Medizin

Der Mind-Body-Medizin liegt das Modell der Salutogenese zugrunde. Dieses beschreibt die Annahme, dass es neben krankheitsauslösenden Faktoren generell auch solche gibt, die den Erhalt oder das Wiedererlangen von Gesundheit fördern. Damit knüpft die Mind-Body-Therapie an das Konzept der Integrativen Medizin und der Idee einer Trainierbarkeit von Selbstheilungspotenzialen an.2

Die Integrative Medizin versteht sich als eine Gesundheitsversorgung, bei der sowohl konventionelle Methoden als auch alternative therapeutische Ansätze in der Behandlung kombiniert werden.

Die moderne Mind-Body-Medizin versteht sich ausdrücklich nicht als Alternative zur konventionellen Medizin. Vielmehr hält sie ergänzende Methoden bereit. Diese können durch medizinisches Fachpersonal empfohlen und als partizipativer Ansatz gemeinsam mit Patientinnen und Patienten deren Bedürfnissen entsprechend erarbeitet werden.5

Welche Methoden bietet die Mind-Body-Therapie?

Aus der Mind-Body-Medizin lassen sich therapeutische Ansätze ableiten. Im Mittelpunkt der Mind-Body-Therapie steht die Ausbildung von Selbstwirksamkeit. Diese beschreibt die innere Einstellung, belastenden Erlebnissen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern ein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, um Herausforderungen zu überwinden. Dadurch sollen Patienten darin gefördert werden, nach der Identifikation der eigenen Quellen für Gesundheit ihren Lebensstil nachhaltig zu verändern und dadurch Selbstheilungskräfte zu aktivieren.5

Methoden aus der Mind-Body-Medizin sind unter anderem:

  • Spannungsregulierende Techniken: z. B. progressive Muskelrelaxation (PMR) oder autogenes Training
  • Übungen zur Lenkung und Fokussierung der Aufmerksamkeit: z. B. Meditation, Yoga, Qigong, Atemtechniken
  • Verhaltenstherapeutische Methoden: z. B. Psychoedukation, Selbstmonitoring, kognitive Umstrukturierung
  • Änderungen des Lebensstils: z. B. durch ernährungs- und bewegungstherapeutische Schulungen

Wo können Ansätze aus der Mind-Body-Medizin unterstützen? 

Eingesetzt wird die Mind-Body-Medizin heute vor allem im Kontext der primären Prävention und Gesundheitsförderung. Aber auch begleitend zur Behandlung von lebensstilassoziierten, zumeist chronischen Erkrankungen, können Methoden aus dem Bereich der Mind-Body-Therapie hilfreich sein. Hierunter fallen typischerweise einige der häufigsten Erkrankungen, wegen derer Menschen ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt aufsuchen. Dazu gehören Bluthochdruck, Schmerzerkrankungen, Fettstoffwechselstörungen, endokrinologische und metabolische Krankheiten sowie depressive Erkrankungen.2 Auch kann sie bei der Genesung nach Verletzungen hilfreich und beim Umgang mit malignen Erkrankungen förderlich sein. Die größte klinische Bedeutung haben Mind-Body-Therapieansätze bei der Minimierung von Schmerzen und Stress.1

In wissenschaftlichen Arbeiten konnte bereits die Wirksamkeit der Mind- Body- Medizin bei einer Vielzahl medizinischer Beschwerden nachgewiesen werden.1

Europaweit einmalig ist die Kombination aus Akutklinik und dem Lehrstuhl für Naturheilkunde mit dem Schwerpunkt der Integrativen Medizin in der Klinik Essen-Mitte (zugehörig zur Universität Duisburg-Essen). Innerhalb eines 10- bis 14-tägigen Aufenthaltes werden dort vor allem Betroffene mit schweren chronischen Erkrankungen mithilfe von Integrativer Medizin behandelt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auch auf der Schulung von Achtsamkeit und Selbstfürsorge und Stärkung von Gesundheitsressourcen im Sinne der Mind-Body-Therapie.

Weiterbildung im Bereich der Mind-Body-Therapie  

Da diese integrative Behandlung nicht nur bei Betroffenen, sondern auch zunehmend bei Medizinerinnen und Medizinern auf Interesse stößt, wird von der Universität Duisburg-Essen seit mehreren Jahren die jährliche „Mind-Body Medicine Summer School” abgehalten. In 4 Tagen werden dort Erfahrungen ausgetauscht, aktuelle Kenntnisse der Forschung vermittelt und Workshops zu speziellen Themen der Mind-Body-Medizin abgehalten.

An der Universität Düsseldorf wiederum hat man sich den Mind-Body-Ansätzen bereits in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzte angenommen. Dort ist die Mind-Body-Medizin dem Institut für Allgemeinmedizin angegliedert und Studierende können hier ein Wahlfach belegen. Die Lehre beinhaltet neben den theoretischen Grundlagen der Mind-Body-Therapie auch praktische Anteile, in denen demonstriert und geübt werden kann. Auf der Grundlage der Mind-Body-Medizin soll hier die Entwicklung und Reflektion einer eigenen salutogenen und achtsamkeitsbasierten Haltung sowie der Transfer in das ärztliche Handeln gelernt werden.

Vorteile für Angehörige des Gesundheitswesen

Schulungen in Mind-Body-Ansätzen für Angehörige der Gesundheitsberufe können nicht nur den Patientinnen zugutekommen. Vielmehr noch kann ein verbessertes Verständnis von Selbstwirksamkeit auch die eigene berufliche und persönliche Entwicklung fördern.1 Denn stressassoziiertes Leiden wie z. B. Burnout bei Ärzten und Ärztinnen oder anderen Angehörigen des Gesundheitswesens sind keine Seltenheit.6 Angebote aus dem Bereich der Mind-Body-Medizin können auch dem Personal im Gesundheitswesen einen besseren Umgang mit Stress ermöglichen. Deswegen hat sich die Organisation Mindful Doctor zur Aufgabe gemacht, die Salutogenese und die Reduktion von Stress im Arztberuf und im Gesundheitswesen nachhaltig zu fördern. Dazu richten sie eine jährliche Konferenz aus, in der führende Experten und Expertinnen u. a. zu den Themen Achtsamkeit, Mind-Body-Medizin und dem Umgang mit Stress und Burnout referieren. 

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Unterstützung bei Stress und Burnout

Ist es bereits zu einer anhaltenden Beeinträchtigung durch Stress gekommen oder kann ein Burnout diagnostiziert werden, kann das psychologische Online-Therapieprogramm HelloBetter Stress und Burnout Betroffenen Unterstützung bieten. In dieser Digitalen Gesundheitsanwendung werden verhaltenstherapeutische Techniken aus dem Bereich der Problemlösung und Verhaltensaktivierung sowie Emotionsregulationsstrategien und Entspannungsverfahren vermittelt, die auch im Rahmen der Mind-Body-Medizin eine wichtige Rolle spielen. 

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  • Quellennachweis
    1. Posadzki, P., Glass, N (2009). Mind-Body Medicine: A Conceptual (Re)Synthesis?. Advances in Mind-body Medicine, 24(3):8-14.
    2. Esch, T (2020). Der Nutzen von Selbstheilungspotenzialen in der professionellen Gesundheitsfürsorge am Beispiel der Mind-Body-Medizin. Bundesgesundheitsblatt, 63:577–585. doi: https://doi.org/10.1007/s00103-020-03133-8
    3. Esch, T., Kream, R. M., Stefano, G. B (2018). Chromosomal Processes in Mind-Body Medicine: Chronic Stress, Cell Aging, and Telomere Lenght. Medical Science Monitor Basic Research, 24: 134–140. doi: 10.12659/MSMBR.911786
    4. Brunnhuber, S., Michalsen, A (2012). Psychosomatik und Mind-Body-Medizin: Integrative, komplementäre oder alternative Disziplinen? Ein entwicklungslogisches Argument. Forschende Komplementmedizin, 19:86–92. doi: 10.1159/000338537
    5. Dobos, G., Altner, N., Lange, S., Musial, F., Langhorst, J., Michalsen, A., Paul, A (2006). Mind-Body Medicine als Bestandteil der Integrativen Medizin. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz; 49:722–728. doi: 10.1007/s00103-006-0001-0
    6. Bridgeman, P. J., Bridgeman, M. B., Barone, J (2018). Burnout syndrome among healthcare professionals. American Journal of Health-System Pharmacy, Volume 75, Issue 3. 
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