Das Wichtigste in Kürze
- 15% der Ärztinnen und Ärzte gaben an, dass sie bereits wegen Burnout in Behandlung waren.
- Ursachen für Burnout unter Ärztinnen und Ärzten sind unter anderem: Hoher administrativer und dokumentarischer Aufwand, weniger Zeit für die Patientenversorgung, Personalmangel und Mehrarbeit.
- Die Folgen von Burnout für das Gesundheitswesen sind eine suboptimale Patientenversorgung und eine Häufung von Behandlungsfehlern.
- Burnout bringt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Depressionen, die Zunahme von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit sowie eine Häufung von Suizidgedanken mit sich.
- Burnout verläuft nach Thomas M. H. Bergner klassischerweise in 3 Phasen.
- Zu evidenzbasierten Strategien, die zur Behandlung eingesetzt werden können, gehören Achtsamkeit, Stress-Management-Trainings und Selbstfürsorge.
Prävalenz von Burnout unter Ärzten und Ärztinnen
Haben Sie auch manchmal das Gefühl, dass Ihnen der Arbeitsalltag über den Kopf wächst? Damit sind Sie nicht allein. In der regelmäßigen Mitgliederbefragung „MB-Monitor” des Marburger Bundes, die 2019 einen Schwerpunkt auf Stress im Arztberuf legte, gaben 15 Prozent der angestellten Ärztinnen und Ärzte an, dass sie sich aufgrund eines Burnouts bereits in ärztliche oder therapeutische Behandlung befanden. Fast die Hälfte der Befragten gab an, sie fühlten sich häufig überlastet. Auch in anderen Berufsgruppen wie dem pflegerischen oder dem therapeutischen Personal zeichnet sich diese Tendenz ab. Es ist also kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen aus dem klinischen Gesundheitswesen zurückziehen. 25 Prozent der 2022 im MB-Monitor ärztlichen Befragten beispielsweise erwägen regelmäßig ihre Tätigkeit aufzugeben.
Burnout wird von der World Health Organization (WHO) als ein Syndrom bezeichnet, das aus drei Dimensionen besteht. An erster Stelle steht dabei Energielosigkeit und Erschöpfung. Dazu kommt eine zunehmende negative Haltung oder mentale Distanz zum eigenen Job sowie drittens ein Gefühl der reduzierten Leistungsfähigkeit. Eine Abgrenzung zur Depression ist nicht immer einfach, kann sich Burnout doch – unbeachtet und unbehandelt – im Verlauf zu einer manifesten Depression entwickeln. Auf die nähere Begriffsdefinition und Differentialdiagnostik bei Burnout gehen wir an anderer Stelle in unserem Fachblog ein.
Die Gründe für Burnout unter Ärzten und Ärztinnen
„Die Arbeit gleicht mittlerweile eher einer Fließbandarbeit, zu viel Dokumentation, immer mehr Patienten für zu wenig Personal”, beklagte ein Arzt im MB-Monitor. Aussagen, wie diese, geben Hinweis auf die Faktoren, die zu häufigerem Burnout in der Ärzteschaft führen.
Aufgrund der hohen Anforderungen ihres Berufes und des stressigen Arbeitsumfeldes sind Ärztinnen und Ärzte besonders anfällig, Symptome eines Burnouts zu entwickeln.
Das Klinikpersonal muss immer mehr Zeit für administrative Tätigkeiten und Dokumentation aufbringen. Die Zeit für die Patientenversorgung sinkt. Es fehlt in allen Berufsgruppen an ausreichendem Personal und daraus folgen zahlreiche Überstunden. Eine Wochenarbeitszeit von 49 bis 59 Stunden ist keine Seltenheit. Weitere Belastungsfaktoren stellen Unsicherheiten dar, die während der Arbeit auftreten: unklare Klinikvorgaben, unzureichende Informationen, zu geringe Erfahrung und das Gefühl, allein gelassen zu werden. Dies ist vor allem für Berufsanfänger problematisch.
Die Strategien, um trotzdem die Arbeitsziele zu erreichen, sind vielfältig. So wird die Arbeitszeit in die Freizeit ausgedehnt, das Arbeitstempo gesteigert oder trotz eigener Erkrankung gearbeitet. Manche Angestellte sehen sich gezwungen oberflächlicher zu arbeiten und sich mit weniger guten Ergebnissen in der Patientenversorgung zufriedenzugeben.
Ausgebrannte Ärztinnen und Ärzte: Wird zu wenig darüber gesprochen?
Besonders bemerkenswert ist auch, dass über die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte selbst sagen, sie würden „sehr nachlässig“ mit der eigenen Gesundheit umgehen oder zumindest mehr auf diese achten müssen. Warum machen genau die Menschen, die sich um die körperliche und psychische Gesundheit von ihren Patienten und Patientinnen kümmern, dort Halt, wo es um die eigene Gesundheit geht?
Die Inanspruchnahme psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung ist in der Ärzteschaft häufig nach wie vor stigmatisiert. In der Vergangenheit wurde Burnout nicht selten in der Medizin als Zeichen persönlicher Schwäche oder mangelnder Eignung für den Beruf angesehen. Die Angst vor Konsequenzen und der Reaktion der Kolleginnen und Kollegen trägt zur Entwicklung des Burnouts bei. Dies ist oft in der irrtümlichen Annahme begründet, nicht als fähig genug für die Versorgung der Patientinnen angesehen zu werden.
Für den einzelnen Arzt oder Ärztin sind die Folgen vielfältig. Neben dem bereits erwähnten erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Depression, bringt Burnout eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit sowie einem verdoppelten Risiko für Suizidgedanken mit sich. In vielen Studien ist außerdem zu erkennen, dass Burnout im Gesundheitswesen verbunden ist mit suboptimaler Patientenversorgung und einer Häufung medizinischer Fehler.
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Burnout-Symptome bei sich oder anderen erkennen
Wie bereits beschrieben, setzt sich Burnout aus 3 Dimensionen zusammen: Erschöpfungsgefühl, Distanzierung vom eigenen Job und verringertes Leistungsvermögen. Diese Dimensionen finden sich auch in verschiedenen Phasenmodellen wieder. Dabei sind die Modelle zwar noch nicht wissenschaftlich validiert, bieten manchen jedoch eine gute Orientierung über ein mögliches Betroffensein. Im Modell nach Thomas M. H. Bergner verläuft das Syndrom in 3 Phasen, die ineinander übergehen. Vielleicht erkennen Sie sich selbst oder eine Person in ihrem Kollegium in einer dieser Phasen wieder:
Phase 1
Diese Phase ist gekennzeichnet durch übermäßige Arbeit und eine besondere Leistungsbereitschaft. In dieser Phase erlebt man in der Regel noch keinen Leidensdruck. Vielmehr zeigt sich der Anspruch, die einem zugetragenen Aufgaben möglichst perfekt zu erledigen. Gerade Ärztinnen und Ärzte und andere Mitarbeiter im Gesundheitswesen sind sehr darauf trainiert, sich selbst zurückzunehmen und ihr Letztes zu geben. Dies führt dazu, dass man seine Kräfte aufbraucht, ohne es selbst wirklich zu bemerken.
Phase 2
In dieser Phase In dieser Phase herrschen Flucht und Rückzug vor. Betroffene merken, dass sie dem Leistungsdruck nicht mehr standhalten können. Sie suchen ein Ventil und manche flüchten sich in dieser Phase zum Beispiel in exzessiven Sport oder lenken sich durch andere Tätigkeiten ab. Andere Betroffene versuchen mit dem innerlichen Druck oder Gefühlen der Enttäuschung und Unzufriedenheit so umzugehen, dass sie sich immer mehr zurückziehen. Sie vernachlässigen positive Aktivitäten oder den Kontakt mit anderen. In dieser Phase beginnen Betroffene auch den Kontakt zu Patienten zu minimieren, werden zynisch oder erleben zunehmende Distanz und Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Arbeit. Auch Gefühle wie Mitmenschlichkeit und Empathie für ihre Patientinnen können abnehmen.
Phase 3
Die letzte Phase mündet in Isolation und Passivität. Oft steigt erst hier der Leidensdruck so weit, dass man nach Hilfe sucht. Von Burnout betroffene Ärzte und Ärztinnen fühlen sich gelähmt und unfähig, den alltäglichen Aufgaben nachzugehen. In dieser Phase ist die Abgrenzung zur Depression zunehmend erschwert. Die Symptomatik kann sich außerdem bei jeder Person anders äußern. Begleitend wird nicht selten der zunehmende Konsum von Medikamenten, Alkohol oder anderen Suchtmitteln als Fluchtversuch vor der Realität genutzt.
Wege aus der Burnout-Falle heraus
Ein guter erster Schritt ist es, die eigenen Beschwerden ernst zu nehmen und zu beobachten. Wenn der Stress und die Belastung über einen längeren Zeitraum anhalten, kann es hilfreich sein, sich Unterstützung zu suchen. Wenn diese aus Sorge vor möglichen Konsequenzen zunächst nicht bei den Vorgesetzten gefunden werden kann, gibt es vielleicht verständnisvolle Kolleginnen, denen man sich anvertrauen kann.
Selbstverständlich geht es auch darum, den eigenen Umgang mit Stress zu hinterfragen. Zu evidenzbasierten Strategien, die von jedem Einzelnen eingesetzt werden können, gehören Achtsamkeit, Stress-Management-Trainings und Selbstfürsorge. Neben diesen Interventionen kann auch eine unterstützende psychotherapeutische Behandlung infrage kommen.
Eine weitere Möglichkeit kann das Online-Therapieprogramm HelloBetter Stress und Burnout bieten. In dieser Digitalen Gesundheitsanwendung werden evidenzbasierte Techniken aus Verhaltenstherapie und Achtsamkeit vermittelt, die nachweislich helfen, die ständigen Erschöpfung in den Griff zu bekommen und so aus der Burnout-Falle herauszufinden.
Weitere Informationen zu Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie finden Sie in unseren CME-Fortbildungen.
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Quellennachweis
- Bridgeman, P. J., Bridgeman, M. B., Barone, J (2018). Burnout syndrome among healthcare professionals. American Journal of Health-System Pharmacy, Volume 75, Issue 3. doi: https://doi.org/10.2146/ajhp170460
- Mitgliederbefragung MB-Monitor 2022 des Marburger Bundes. Abgerufen von https://www.marburger-bund.de/bundesverband/themen/marburger-bund-umfragen/mb-monitor-2022-zu-wenig-personal-zu-viel-buerokratie
- Mitgliederbefragung MB-Monitor 2019 des Marburger Bundes. Abgerufen von https://www.marburger-bund.de/sites/default/files/files/2020-01/MB-Monitor%202019_Zusammenfassung_Ergebnisse.pdf
- Mitgliederbefragung MB-Monitor 2017 des Marburger Bundes. Abgerufen von https://www.marburger-bund.de/sites/default/files/files/2018-09/mb-monitor-2017-zusammenfassung.pdf
- West, C. P., Dyrbye, L. N., Shanafelt, T. D (2018). Physician burnout: contributors, consequences and solutions. Journal of Internal Medicine, Volume 283, Issue 6. doi: https://doi.org/10.1111/joim.12752
- Bergner, T. M. H (2008). Burnout-Prävention (2. Auflage). Stuttgart: Schattauer.
- Raudenská, J., Steinerová, V., Javurková, A., Urits, I., Kaye, A. D., Viswanath, O., Varrassi, G (2020). Occupational burnout syndrome and post-traumatic stress among healthcare professionals during the novel coronavirus disease 2019 (COVID-19) pandemic. Best Practice & Research Clinical Anaesthesiology, Volume 34, Issue 3, Page 553-560. doi: https://doi.org/10.1016/j.bpa.2020.07.008
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