Was ist eine Rebound-Insomnie?
Eine Rebound-Insomnie tritt vor allem im Zuge einer Behandlung mit Medikamenten aus dem Kreis der Benzodiazepine und -derivate auf. Nach dem abrupten Absetzen dieser finden sich grundsätzlich zwei Arten von Absetzphänomenen. Einerseits die nicht an die Grunderkrankung gebundenen Entzugssymptome und auf der anderen Seite Rebound- oder Rezidivsymptome, die den Beschwerden der Grunderkrankung entsprechen.2
Bei einer Rebound-Insomnie handelt es sich um ein Syndrom, bei dem die ursprünglich zur Behandlung geführten Insomniesymptome wieder zurückkehren. Dadurch kann es zur verlängerten Einschlaflatenz, vermehrtem Aufwachen während des Schlafes und Unruhe kommen. Zum Teil kann die Intensität der Symptome dabei sogar die der ursprünglichen Erkrankung übersteigen. Neben der Rebound-Insomnie wird bei anderen Erkrankungsbildern wie zum Beispiel Angststörungen auch der Begriff der „Rebound-Anxiety” verwendet.
Die Pathophysiologie des Rebound
Symptome einer Rebound-Insomnie können bereits nach kurzen Behandlungszeiträumen mit einem Benzodiazepin auftreten.3 Die Neurophysiologische Wirkung von Benzodiazepinen wird über eine Verstärkung der beruhigenden GABA-Wirkung erzielt. Bei manchen Mitteln kann dann nach Wegfall dieser verstärkenden Wirkung zunächst eine geringere Sensibilität der Rezeptoren vorliegen und es kann zur GABAerge Gegenregulation kommen. In der Regel hält die Symptomatik jedoch nur wenige Tage an und klingt ohne Wiederaufnahme der Behandlung ab.
Rezidiv und Entzugssyndrom
Bei einem Rezidiv treten genau wie bei einer Rebound-Insomnie die ursprünglichen Krankheitssymptome erneut auf. Im Vergleich zum Rebound halten sie beim Rezidiv jedoch nach dem Absetzen des Medikamentes länger an und bedürfen teilweise einer erneuten Behandlung.2
Entzugssymptome wiederum treten vor allem dann auf, wenn das Medikament nach einer längerfristigen Einnahme abgesetzt wurde. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Symptome auftreten, die vor Verordnung des Medikamentes nicht vorhanden waren. Dies können beispielsweise Unruhe, Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Übelkeit, Muskelkrämpfe, Schwitzen oder Muskelschmerzen sein.3 Je nach Halbwertszeit des eingenommenen Hypnotikums treten sie etwa 2 – 10 Tage nach dem Absetzen auf, erreichen schnell ein Maximum und klingen nach einigen Tagen wieder ab.2
Die Bedeutung der Rebound-Insomnie für die klinische Praxis
Eine Rebound-Insomnie hält in der Regel nur wenige Tage an. Trotzdem kann sie von Betroffenen als Rückfall in die Schlaflosigkeit bewertet oder von Behandelnden als Rezidiv oder Auftreten von Entzugserscheinungen interpretiert werden. Dies kann dazu führen, dass die Einnahme von Hypnotika wieder aufgenommen wird. Jede Wiederaufnahme der Medikamenteneinnahme erhöht jedoch das Risiko für einen Langzeitkonsum und kann somit ein wesentlicher Faktor in der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Substanzabhängigkeit sein. Aus diesem Grund ist das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein eines Rebounds zu einem wichtigen Faktor für die Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Hypnotika geworden.4
Bei welchen Hypnotika eine Rebound-Insomnie wahrscheinlich ist
Eine Rebound-Insomnie wird in der Regel hauptsächlich bei Benzodiazepinen und ihren Derivaten gesehen. Man unterscheidet zwischen kurz wirksamen Substanzen (z. B. Alprazolam, Bromazepam, Lorazepam) und lang wirksamen Substanzen (z. B. Clonazepam, Diazepam, Nitrazepam). Dabei erscheint das Risiko für Rebound Phänomene bei kurz wirksamen Benzodiazepinen höher. Bei diesen können bereits nach wenigen Tagen Rebound-Symptome beobachtet werden, wenn es vorab zu einem abrupten Absetzen gekommen ist. Bei Benzodiazepinen mit längerer Halbwertszeit sind die Symptome einer Rebound-Insomnie nicht direkt nach dem Absetzen zu erwarten. Sie können jedoch dosisabhängig noch bis zu zwei Wochen später auftreten.2,5 In diesem Fall ist das Risiko einer Wiederaufnahme des Hypnotika-Konsums durch Betroffene jedoch deutlich verringert, da vor allem ein direkter zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Absetzen des Medikamentes und dem Einsetzen der Schlafbeschwerden das Gefühl erweckt, das Medikament zwingend zum Schlafen zu benötigen.1
Neben den klassischen Benzodiazepinen sind außerdem die Benzodiazepin-Derivate oder die sogenannten Z-Substanzen verfügbar. Bei diesen ist eine gute Wirksamkeit für die Kurzzeitbehandlung von Schlafstörung gegeben und Hang-over-Effekte sowie Rebound-Phänomene treten vergleichsweise seltener auf als bei Benzodiazepinen. Auch das Risiko für eine Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklung wird geringer dargestellt, ist jedoch trotzdem grundsätzlich gegeben.2
Bei der Beurteilung der Rebound-Insomnie darf zuletzt auch der Placebo-Effekt nicht vernachlässigt werden. Abhängig von individuellen Persönlichkeitsfaktoren können auch Erwartungen bezüglich Schwierigkeiten bei dem Absetzen oder ein nicht den Erwartungen entsprechendes Behandlungsergebnis ursächlich für die Entstehung einen Rebound sein.4
Eine Rebound-Insomnie vermeiden
Wie bei vielen psychosomatischen Erkrankungsbildern bedürfen auch Betroffene mit Insomnie Zeit und Aufmerksamkeit in der Diagnostik von Schlafstörungen und deren Behandlung. Dies hört auch zum Ende der Therapie und mit Absetzen des Medikamentes nicht auf. Patienten und Patientinnen sollten bereits zu Beginn einer Behandlung über die unerwünschten Nebenwirkungen und das Abhängigkeitspotenzial eines Benzodiazepinpräparates aufgeklärt werden. Auch beim Absetzen des Mittels sollte eine Aufklärung über mögliche Absetzphänomene wie etwa einer Rebound-Insomnie erfolgen. Dazu gehört den Betroffenen die Gutartigkeit und das normalerweise rasche Vorübergehen der Rebound-Symptome zu erklären, um eine Wiederaufnahme der Medikamenteneinnahme zu verhindern.
Das Absetzen sollte je nach Dosis in einem ausschleichenden Verfahren erfolgen und gerade die letzte Restdosis in sehr kleinen Schritten abgesetzt werden, um eine Rebound-Insomnie zu verhindern.6 Absetzversuche sind nach 6 Wochen, bei langfristiger Gabe nach spätestens 6 Monaten einzuplanen. Falls ein Absetzversuch nicht gelingt, sollten immer wieder neue Versuche in den Behandlungsplan integriert werden.2
Insgesamt sollten Benzodiazepine möglichst nur für wenige Nächte in Situationen akuter Belastung angewendet werden und von einer Langzeitgabe abgesehen werden.6
Alternativen zur medikamentösen Behandlung
Auch unabhängig vom Risiko einer Rebound-Insomnie ist das Abhängigkeitspotenzial von Benzodiazepinen und Z-Substanzen unumstritten. Aktuell spricht der Suchtreport Deutschland von etwa einer Millionen Menschen mit Benzodiazepinabhängigkeit in Deutschland. Daher sollten sie nur bei akuter Belastung eingesetzt und in der Behandlung von chronischen Schlafstörungen möglichst darauf verzichtet werden. Nach der aktuellen S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen” wird zur Behandlung chronischer Insomnien an erster Stelle die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) empfohlen.5
Die KVT-I hat zum Ziel, das Wechselspiel zwischen gestörtem Schlaf, ängstlicher Sorge und dysfunktionalem Verhalten zu unterbrechen. Die psychotherapeutische Behandlung beinhaltet verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Stimuluskontrolle, Bettzeitrestriktion und Psychoedukation – z. B. zur Schlafhygiene, kognitive Umstrukturierung sowie Entspannungsmethoden. Metaanalysen zeigen, dass die KVT-I nicht nur vergleichbar gute Effekte wie die Hypnotikatherapie zeigt, sondern dass diese Effekte auch nach dem Ende der Behandlung weiterhin bestehen bleiben.5
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Patientenbroschüre HelloBetter Schlafen
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Quellennachweis
- Kales, A., Soldatos, C.R., Bixler, E.O., Kales, J.D. (1983). Rebound Insomnia and Rebound Anxiety: A Review. Pharmacology, 26(3), 121–137. doi:10.1159/000137794
- Benkert, O. ,Hippius, H. (2019). Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie (12. Auflage). Springer: Berlin.
- Wilson, S.J. et al. (2010). British Association for Psychopharmacology consensus statement on evidence-based treatment of insomnia, parasomnias and circadian rhythm disorders. Journal of Psychopharmacology, Volume 24, Issue 11. doi: https://doi.org/10.1177/0269881110379
- Hajak, G., Clarenbach, P., Fischer, W., Rodenbeck, A., Bandelow, B., Broocks, A., Rüther, E (1998). Rebound insomnia after hypnotic withdrawal in insomniac outpatients. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 248(3), 148–156. doi: 10.1007/s004060050032
- S3-Leitlinie – Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen“. Somnologie 2017, 21:2–44. doi: 10.1007/s11818-016-0097-x
- Kirkwood, C. K. (1999). Management of Insomnia. Journal of the American Pharmaceutical Association (1996), 39(5), 688–696. doi: 10.1016/s1086-5802(15)30354-5
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