Dauerstress und Versorgungskrise in Deutschland: Ist KI die richtige Antwort?
- Dauerstress bleibt hoch: Finanzielle Sorgen, Politik und gesellschaftliche Spaltung belasten die Menschen in Deutschland nun schon im dritten Jahr in Folge. Jede:r Vierte schläft schlecht, viele fühlen sich erschöpft oder dauerhaft angespannt.
- Versorgungskrise verschärft sich: Knapp drei Jahre dauert es im Schnitt, bis Betroffene professionelle Hilfe suchen, die Wartezeit auf einen Therapieplatz liegt bei rund 17 Monaten. Nur etwa die Hälfte der Menschen mit Depression erhält überhaupt psychotherapeutische Behandlung.
- KI allein keine Lösung: Immer mehr Menschen wenden sich in der Not Chatbots zu (Nutzung +85 % zum Vorjahr), doch Skepsis bleibt hoch. Die Mehrheit fordert sichere Angebote mit Kassenfinanzierung, Datenschutz, psychologischer Expertise und wissenschaftlicher Grundlage. Blended Care als mögliche Lösung.
Berlin, 10. Oktober 2025 – Sorgeninflation in Deutschland: Die Situation der psychischen Gesundheit bleibt angespannt. Bereits zum dritten Mal in Folge zeigt die repräsentative Studie der Online-Therapieplattform HelloBetter, durchgeführt mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos, dass Sorgen und Belastungen den Alltag der Menschen bestimmen.
Seit 2023 unverändert hoch: Sorgen um Geld, Politik und die Spannungen in der Gesellschaft
Die Sorgen der Befragten spiegeln die Konflikte wider, die das Land insgesamt bewegen und das bereits im dritten Jahr in Folge. Finanzielle Ängste stehen laut Studie an erster Stelle: 54 Prozent der Befragten fürchten Inflation und steigende Preise (geben an, sich „sehr” oder „extrem” zu sorgen), mehr als noch 2024 (51 %). Es folgen Sorgen um die politische Lage im In- und Ausland (46 %), die wachsende Spaltung der Gesellschaft (42 %) und Altersarmut (39 %).
Vier von zehn Befragten berichten, dass ihre Sorgen im vergangenen Jahr noch zugenommen haben. Die Zahlen zeigen: Die Krisen und Konflikte unserer Zeit sind nicht spurlos an den Menschen in Deutschland vorbeigegangen. Sie belasten sie in ihrem Alltag und bringen sie um den Schlaf.
Negative Auswirkungen auf Psyche, Körper und Beziehungen
Die Dauerbelastung zeigt sich in allen Lebensbereichen: Jede:r Vierte schläft sehr oder extrem schlecht (26 %), ähnlich viele fühlen sich erschöpft (25 %) oder permanent angespannt (23 %). Auch psychisch zeigen sich die Sorgen deutlich. Bei einem Viertel der Befragten kommen die Gedanken einfach nicht zur Ruhe (25 %), 16 Prozent berichten von depressiver Stimmung, 15 Prozent davon, sich wertlos zu fühlen. Auch Beziehungen leiden, fast jede:r Fünfte reagiert gereizter (19 %), zieht sich zurück (17 %) oder vernachlässigt seine / ihre Hobbys (14 %) und verbringt mehr Zeit im Internet (15 %).
Wir brauchen eine ganzheitlichere Versorgung
„Die Zahlen der Studie zeigen insgesamt deutlich: Es geht nicht um Einzelfälle, sondern um Millionen Menschen, die bereits heute mit Schlafproblemen oder Erschöpfung leben und zu lange auf die zu ihnen passende Unterstützung warten müssen”, sagt HelloBetter Mitgründerin und CCO Dr. Elena Heber. „Diese Symptome sind ernstzunehmende Warnsignale und können das Risiko für die Entwicklung psychischer Erkrankungen erhöhen. Genau deshalb ist es entscheidend, präventiv zu handeln und frühzeitig die passende Unterstützung bereitzustellen“, so Dr. Heber weiter.
Von der Dauerbelastung zur Diagnose
Dauerbelastung macht krank. Diese These ist nicht von der Hand zu weisen: Etwa jede:r Fünfte gibt an, in der Vergangenheit oder aktuell ein Burnout-Syndrom diagnostiziert bekommen zu haben (19 %). Ganze 38 Prozent der Befragten sagen, jemanden im Umfeld mit einer Depressionsdiagnose zu kennen. Das deckt sich mit den Eigenangaben, nach denen etwa jede:r Dritte bereits selbst mit einer Depression diagnostiziert wurde (33 %). Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen, denn der Weg bis zur Diagnose ist lang: Im Schnitt vergehen knapp drei Jahre, bis sich Betroffene entschließen, professionelle Unterstützung zu suchen. Besorgniserregend ist zudem, dass in der Befragung nur etwa die Hälfte der Menschen mit einer diagnostizierten Depression angab, auch in psychotherapeutischer Behandlung (gewesen) zu sein (53 %).
Therapieplätze fehlen: Wartezeit fast anderthalb Jahre
Wer bei der Bewältigung psychischer Probleme Unterstützung sucht, muss leider aktuell immer noch lange warten: Laut Studie vergingen z.B. bei Menschen mit einer depressiven Erkrankung durchschnittlich 17 Monate, bis sie eine Therapie beginnen konnten. Eine lange Zeit, die das Leiden verlängert und chronifizieren kann.
Hilfe in der Not: KI als neuer Begleiter
Immer mehr Menschen wenden sich in ihrer Not digitalen Helfern zu. Inzwischen geben 7 Prozent der Befragten an, bereits ein KI-Chatprogramm genutzt zu haben, um über Sorgen oder Alltagsstress zu sprechen. Ein Anstieg um 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weitere 37 Prozent können sich die Nutzung vorstellen. Besonders die jüngeren Generationen sind offen: In der Gen Z nutzen bereits 12 Prozent Chatbots, weitere 54 Prozent wären dazu bereit. Fast ein Viertel dieser Nutzer:innen greift sogar fast täglich oder mehrmals täglich auf Chatbots zurück.
Ältere Generationen zeigen sich dagegen deutlich skeptischer: In der Gen X können sich 32 Prozent vorstellen, KI-Chatprogramme zu nutzen, bei den Babyboomern nur 21 Prozent. Diese Skepsis hat Gründe: Klassische KI-Programme sind nicht von Psychotherapeut:innen entwickelt und beinhalten keine aktiven Risikomanagementstrategien. Sie wirken zwar auf den ersten Blick empathisch und verständnisvoll, doch gerade diese ständige Zustimmung (auch Sycophancy genannt) kann gefährlich sein: Wer in einer Krise nur Zuspruch erhält, riskiert, dass sich Probleme verfestigen oder sogar verstärken. Manche Expert:innen warnen sogar vor „KI-Psychosen“, wenn Menschen durch den häufigen Kontakt mit Chatbots den Bezug zur Realität verlieren.
Nachfrage nach sicheren KI-Lösungen
Die Studie zeigt: Die Erwartungen an vertrauenswürdige KI-Programme sind klar. Wichtig sind vor allem die Kostenübernahme durch Krankenkassen (67 %), höchste Datenschutzstandards (65 %), die Entwicklung durch Psychotherapeut:innen (63 %) und eine wissenschaftliche Grundlage (62 %).
„KI kann Versorgungslücken überbrücken, die das Gesundheitssystem derzeit nicht auffängt. Gerade im präventiven Bereich fehlen Angebote. Hier kann KI einen entscheidenden Unterschied machen. Wichtig ist jedoch, dass psychologische Expertise und wissenschaftliche Evidenz im Mittelpunkt stehen“, sagt Dr. Alena Rentsch, Psychotherapeutin und Expertin für digitale Gesundheit bei HelloBetter.
Blended Care: Die richtige Unterstützung für jeden Menschen
„Die Frage, wie Menschen künftig Zugang zu wirksamer psychologischer Unterstützung erhalten, gehört zu den dringendsten Aufgaben unserer Zeit. Nur wenn wir mentale Gesundheit bedürfnisorientiert verstehen und digitale Präventionsangebote, Online-Therapieprogramme sowie traditionelle Therapieverfahren zusammendenken, können wir den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen gerecht werden.“, so Hannes Klöpper, HelloBetter CEO.
Weltweit leben inzwischen mehr als eine Milliarde Menschen mit psychischen Belastungen. Die wirtschaftlichen Folgekosten könnten bis 2030 auf rund sechs Billionen US-Dollar steigen.
Zur Umfrage: Ipsos hat für HelloBetter im September 2025, n=2.000 repräsentativ ausgewählte Personen im Alter von 16 bis 75 Jahren in Deutschland online befragt.
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