Erschwerte Diagnostik der Panikstörung
Angsterkrankungen führen zu einer verhältnismäßig hohen Inanspruchnahme des Gesundheitswesens. Dabei werden Angsterkrankungen, wie beispielsweise die Panikstörung, häufig über einen langen Zeitraum nicht spezifisch behandelt. Oft berichten Betroffene in der hausärztlichen Praxis vor allem von körperlichen Symptomen wie kardialen oder neurologischen Beschwerden und seltener von den Ängsten. Dies erschwert die Diagnostik der Panikstörung, was dazu führt, dass bis zur Diagnosestellung und dem Beginn einer geeigneten Therapie ein langer Zeitraum vergehen kann.1
Ausführliche Informationen zur Diagnostik der Panikstörung nach ICD-10 erhalten Sie in unserem Fachblog.
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Behandlungsplan für die Panikstörung: Therapie nach Leitlinie
Ist einmal die Diagnose gestellt, kann der therapeutische Prozess beginnen. Für den Behandlungsplan der Panikstörung sieht die S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen sowohl die Pharmakotherapie als auch die Psychotherapie als gleichwertig an. Weiterhin kann die leitliniengerechte Regelversorgung durch Hilfsangebote, wie beispielsweise das Erlernen von Entspannungstechniken oder Selbsthilfegruppen ergänzt werden.1
Häufig ist in der hausärztlichen Praxis bei Panikstörungen die Pharmakotherapie das Mittel der Wahl.2 Dabei verbessert eine Kombination aus Pharmakotherapie und Psychotherapie nicht nur die Symptomatik, sondern reduziert auch die Rückfallrate deutlich.1
Pharmakologische Therapie
Die psychopathologischen Zusammenhänge von Psychopharmaka und Angsterkrankungen sind noch nicht vollständig verstanden. Diskutiert wird wie bei anderen psychischen Erkrankungen ein Ungleichgewicht im Neurotransmitterhaushalt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem serotonergen und noradrenergen System sowie dem GABA-System zu. Daher kommen zur pharmakologischen Behandlung Medikamente aus dem antidepressiven Kreis zum Einsatz, die in diese Systeme eingreifen. Diese sollen vor allem stimmungsstabilisierend und spannungslösend wirken und dadurch einen besseren Umgang mit Ängsten ermöglichen.3
Eine Pharmakotherapie sollte insbesondere bei hohem Leidensdruck, Komorbiditäten (wie z. B. Depression, Abhängigkeitserkrankung etc.), Komplikationen (wie z. B. Suizidalität), dem Nichtansprechen oder der Ablehnung einer Psychotherapie in Betracht gezogen werden. Allerdings sollte auch bei alleiniger Pharmakotherapie und Verzicht auf eine Psychotherapie eine umfassende Aufklärung und Psychoedukation zur Genese der Angst erfolgen.4 Im Anschluss an eine Akutbehandlung wird eine Erhaltungstherapie über 9-12 Monate empfohlen, um einen Rückfall zu verhindern. Ebenfalls hat sich in einigen Fällen eine prophylaktische Erhaltungstherapie über mehrere Jahre bewährt.5
Für zahlreiche Medikamente liegen bei umfangreicher Studienlage Wirksamkeitsnachweise vor:
Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRIs) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SNRIs):
Die Wirksamkeit der SSRIs wurde für die Panikstörung in zahlreichen kontrollierten Studien überprüft. Gemäß der S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen liegt für Citalopram, Escitalopram, Paroxetin und Sertralin der höchste Empfehlungsgrad vor. Auch für den SNRI Venlafaxin liegt eine ausreichende Studienlage vor, um eine Empfehlung Grad A auszusprechen.
Betroffene sollten darüber aufgeklärt werden, dass mit dem Eintritt der Wirkung erst nach 2-3 Wochen zu rechnen ist.1
Trizyklische Antidepressiva (TZA):
Für die Behandlung der Panikstörung ist nur das trizyklische Antidepressivum Clomipramin zugelassen. Da die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse für trizyklische Antidepressiva höher ist als für die der Gruppe der SSRIs, sollte Clomipramin erst angeboten werden, wenn obige SSRIs oder der SNRI Venlafaxin nicht wirksam waren oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht vertragen wurden. Auch hier kann die Dauer bis zum Eintritt der Wirkung mehrere Wochen betragen.1
Benzodiazepine:
Benzodiazepine sind hochwirksam zur Akutbehandlung einer Panikattacke. Aufgrund der unerwünschten Nebenwirkungen und dem großen Risiko einer schnellen Abhängigkeitsentwicklung werden sie jedoch nicht zur Angstbehandlung empfohlen und sollten Betroffenen mit Panikstörung nicht angeboten werden.1 In Ausnahmefällen (z. B. Suizidalität, schwere kardiale Erkrankung u. a.) können sie unter sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung für einen kurzen Zeitraum (nicht länger als 4-6 Wochen) angewendet werden.4
Weitere Medikamente:
Betablocker wie Propranolol wurden aufgrund autonomer Angstsymptome wie Palpitationen ebenfalls gelegentlich im Behandlungsplan der Panikstörung eingesetzt. Laut Studienlage ist die Wirkung jedoch dem Placebo nicht überlegen und der Einsatz wird daher nicht empfohlen.
Auch typische Neuroleptika wurden im vergangenen Jahrzehnt in großem Ausmaß bei Angststörungen eingesetzt. Die Studienlage entspricht jedoch nicht den heutigen Standards und typische Neuroleptika werden nicht mehr empfohlen, da es heute geeignetere Alternativen gibt.1
Psychotherapeutische Behandlung
Der Behandlungsplan zur Therapie der Panikstörung sollte psychoedukative Interventionen beinhalten. Von vielen Betroffenen mit Panikattacken werden die Symptome dieser als Ausdruck einer möglichen schweren körperlichen Erkrankung wahrgenommen. Deshalb besteht ein wesentlicher Inhalt der psychotherapeutischen Interventionen darin, ein Krankheitsmodell der Angstentstehung und -wahrnehmung sowie ein Verständnis des Entstehens der körperlichen Symptome zu erarbeiten. Weiterhin sollten sich die Betroffenen mit den Auslösern der Angst auseinandersetzen und Absicherungs- und Vermeidungsverhalten reduzieren.1
Unter den psychotherapeutischen Verfahren ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) für Angsterkrankungen die mit Abstand am Besten untersuchte Therapieform. Daher wurde dieser auch durch die S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen der höchste Empfehlungsgrad vergeben. Die spezifische Therapie sollte nach Expertenkonsens Expositionselemente beinhalten. Dies bedeutet, dass die Betroffenen sich im Rahmen der Therapie mit den angstauslösenden Situationen konfrontieren sollen. Dabei kommt es durch diese regelmäßige Konfrontation zum Habituationseffekt. Die zuvor angstauslösende Situation wird mit einer korrigierten Erfahrung ersetzt. Weiterhin lernen Betroffene durch die Therapie Techniken und Skills um zukünftig Panikattacken vorzubeugen.
Zeigt sich die KVT als nicht ausreichend wirksam, kann eine andere Therapieform (z. B. die psychodynamische Therapie) als Alternative angeboten werden. Insgesamt kann die Therapie von Angststörungen jedoch als Domäne der kognitiven Verhaltenstherapie angesehen werden.1
Psychotherapie im Online-Setting
Für einige Patientinnen und Patienten mag das Verlassen der Wohnung bereits eine große Hürde darstellen, die dem psychotherapeutischen Behandlungsplan im Wege steht. Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung zeigt sich aber immer häufiger die Möglichkeit, auch im häuslichen Setting eine Psychotherapie oder ein psychotherapeutisches Programm anzubieten. Mehrere Studien konnten bereits die Wirksamkeit von internetbasierter KVT bei Panikstörungen belegen.1
Auch Online-Programme können einen guten Effekt erzielen. Für das als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zertifizierte Online-Therapieprogramm HelloBetter Panik konnte in einer randomisiert kontrollierten Studie eine signifikante Wirksamkeit bei der Behandlung der Panikstörung nachgewiesen werden. Das Programm bietet Betroffenen eine effektive und niederschwellige Möglichkeit, den Umgang mit ihren Ängsten zu erlernen und gleichzeitig das eigene Selbstwirksamkeitserleben zu stärken.
Exkurs
Wie kann Exposition im Online-Therapieprogramm umgesetzt werden?
Im Rahmen des Online-Therapieprogramms HelloBetter Panik werden Betroffene innerhalb von 6 Wochen mithilfe von textbasierten Informationsmaterialien sowie Video- und Audiodateien durch die einzelnen Abschnitte der Angstbewältigung geführt. Zunächst erfolgt eine Bestandsaufnahme mit Psychoedukation und kognitiver Vorbereitung auf die Exposition.
Die eigentliche Exposition wird dann in Form der sogenannten „Mutprojekte“ durchgeführt. Teilnehmende werden dabei begleitet und angeleitet, sich schrittweise nach zuvor erstelltem Plan ihren angstauslösenden Situationen zu stellen. Dies funktioniert ähnlich wie in einer Einzelpsychotherapie. Denn auch im Live-Setting begleiten die Behandelnden Betroffenen nicht immer in die Expositionssituation. Als großen Vorteil bietet die DiGA HelloBetter Panik für Nutzer und Nutzerinnen eine persönliche Begleitung durch Psychologinnen und Psychologen.
Fazit für die Praxis
Die Therapie der Panikstörung kann im allgemeinmedizinischen Praxisalltag eine Herausforderung darstellen. Mit dem richtigen Behandlungsplan können Sie Ihren Patientinnen und Patienten jedoch eine effektive Möglichkeit bieten, sich ihren Ängsten zu stellen und Panikattacken hinter sich zu lassen. Dabei können Online-Therapieprogramme wie HelloBetter Panik eine gute Behandlungsoption bieten und von Ihnen unkompliziert als DiGA verordnet werden. Wie Sie HelloBetter Panik als DiGA auf Rezept verordnen erfahren Sie in unserem Leitfaden für Digitale Gesundheitsanwendungen und auf unserem Fachblog.
Für weitere Informationen zu unseren Therapieprogrammen können Sie gerne einen Beratungstermin vereinbaren oder einen kostenlosen Testzugang anfordern.
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Quellennachweis
- S3-Leitlinie: Behandlung von Angststörungen (2014). Abgerufen von: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-028l_S3_Angstst%C3%B6rungen_2014-05_1.pdf
- Sommer, M., Hiller, T., Breitbart, J., Schneider, N., Teismann, T., Freytag, A., Gensichen, J (2017). Standardtherapie für Panikstörung mit/ohne Agoraphobie in der Hausarztpraxis. Psychiatrische Praxis, Ausgabe 45, Seite 160-163. doi: 10.1055/s-0043-105058
- Zwanziger, P., Deckert, J (2007). Angsterkrankungen. Der Nervenarzt, Ausgabe 78, Seite 349-360. doi: 10.1007/s00115-006-2202-z
- Zwanziger, P (2016). Pharmakotherapie bei Angsterkrankungen. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie, Ausgabe 84, Seite 306-314. doi: http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0042-106764
- Naderi-Heiden, A., Kasper, S (2006). Diagnostik und Therapie der Panikstörung. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, 7 (3), Seite 27-33
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