Warum eigentlich Ruhe bewahren?
Diese Frage klingt etwas merkwürdig, doch gibt es nicht auch gute Gründe gestresst und angespannt zu sein oder sogar an die Decke zu gehen? Die gibt es! Unruhe und Anspannung dienen nämlich dazu, Situationen bestmöglich zu meistern oder uns zu verteidigen. Wenn uns etwas stresst, zum Beispiel ein Abgabetermin, werden wir unruhig und strengen uns dadurch mehr an. Wenn unser Partner oder unsere Partnerin uns kritisiert, flippen wir aus, weil wir uns angegriffen fühlen und es ist nur natürlich, sich selbst zu verteidigen. Falls wir ungeduldig mit den Kindern sind, steckt vermutlich Überforderung dahinter und die Unruhe ist ein wertvolles Zeichen, uns mehr Freiräume zu schaffen und Unterstützung zu holen.
Unruhe und Anspannung sind als Warnsignale wirklich wichtig. Die Frage ist, wie angemessen und förderlich unsere Reaktionen darauf sind und wie wir es schaffen, sie bewusst auszuwählen.
Ich kann nicht anders!
Das Problem ist: Wenn wir die innere Ruhe verlieren, reagieren wir ganz automatisch und haben dabei das Gefühl, gar nicht anders reagieren zu können. Wie aus einem Zufallsgenerator kommt eine impulsive Reaktion aus uns heraus. Diese automatischen Reaktionen bringen uns häufig nicht weiter und anschließend haben wir meistens Schuldgefühle, sind erschöpft und frustriert.
„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.”
Viktor E. Frankl
Egal, was deine Unruhe verursacht, du hast immer die Wahl zwischen allen möglichen Verhaltensweisen.
Wenn der Abgabetermin näher rückt, kannst du dir einen genauen Zeitplan machen, anstatt panisch drauf loszuarbeiten. Wenn dein Partner dich kritisiert, kannst du ihm mitteilen, dass du dich angegriffen fühlst und ihn bitten, anders mit dir zu sprechen. Falls die Kinder dich stressen, kannst du tief durchatmen, ihnen sagen, dass du eine Pause brauchst und eine Vertrauensperson anrufen, die dich unterstützen kann.
Der Punkt ist: Statt dich von deinen Emotionen verleiten zu lassen, ist es möglich, dich genauso zu verhalten, wie du es möchtest. Die folgenden 3 Schritte können dir dabei helfen, besser die Ruhe zu bewahren:
Schritt 1: Wahrnehmen
In diesem ersten Schritt geht es darum, zu bemerken, wenn du dabei bist, deine innere Ruhe zu verlieren. Du kannst das zum Beispiel in deinem Körper wahrnehmen, wenn dein Herz schneller schlägt, deine Atmung flacher wird, vielleicht wird dir auch heiß oder kalt oder du beginnst zu schwitzen.
Es ist zudem möglich, dass dir sehr viele Gedanken durch den Kopf schießen oder du ein regelrechtes Gefühlschaos bemerkst. Du weißt nicht recht, ob du wütend, traurig oder ängstlich bist. Dein Erleben gleicht einer stürmischen See. Lass all das zu, ohne darauf zu reagieren.
Schritt 2: Atmen
Wenn du dich wie in Schritt 1 beobachtest, wirst du nun auch deine automatischen Reaktionen, die du jetzt gerne an den Tag legen würdest, bemerken. Schreien, flüchten, verstummen, weinen, meckern – es mag sein, dass sich davon auch auf den zweiten Blick etwas als sinnvoll entpuppt. Anstatt dich jedoch deinem ersten Impuls sofort hinzugeben, warte mindestens 3 bewusste Atemzüge lang. Durch diese kurze Pause, stellst du den „Automaten” ab und kannst im nächsten Schritt so reagieren, wie du es wirklich möchtest und vor allem, wie es dich letztendlich weiterbringt.
Schritt 3: Bewusst reagieren
Es gibt immer mehrere Möglichkeiten auf etwas zu reagieren. Wenn wir Ruhe bewahren, meinen wir damit meistens, dass wir nicht schreien, sondern ruhig sprechen, geduldig und abwägend sind und bewusste Entscheidungen treffen, die auch zur Beruhigung anderer beitragen. Unter Stress und Anspannung braucht es dazu Übung und mitunter mehrere Anläufe. Wie du genau reagieren möchtest, ist dir vielleicht auch gar nicht sofort klar. Wenn das der Fall ist, räume dir zunächst mehr Zeit ein, um darüber nachzudenken. Sage dafür zum Beispiel, dass du gerade sehr aufgewühlt bist und zu einem späteren Zeitpunkt weitersprechen möchtest.
Bedeutet Ruhe bewahren, mich zu verstellen?
Obwohl wir uns wahrscheinlich alle wünschen, Ruhe bewahren zu können, schleicht sich in diesen Wunsch oft die Sorge, dann nicht mehr authentisch zu sein oder Gefühle zu unterdrücken. Wichtig ist, dass wir die innere Unruhe und Anspannung zulassen und sie wahrnehmen (Schritt 1). Wir müssen nicht gegen sie ankämpfen oder sie verbergen. Wir können anderen zum Beispiel auch sagen: „Ich fühle mich gerade wahnsinnig gestresst”, anstatt sie anzupflaumen. Ruhe bewahren zu können hat also nichts mit verstellen oder Emotionen unterdrücken zu tun, sondern im Gegenteil: Es ist die Fähigkeit, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen.
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