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Wie man digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) in die Psychotherapie einbinden kann

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das am 19. Dezember 2019 in Kraft getreten ist, besteht für Sie die Möglichkeit, sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Rezept zu verordnen. Aber was versteht man unter DiGA und welchen Mehrwert bieten sie für den psychotherapeutischen Prozess? In diesem Artikel erhalten Sie einen Überblick. Erfahren Sie außerdem anhand konkreter Anwendungsbeispiele, wie DiGA in die Psychotherapie integriert werden können.

Das Wichtigste zusammengefasst

  • Durch das Digitale-Versorgungs-Gesetz können Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen seit einigen Jahren auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Rezept verordnen.
  • Erst nach ausreichendem Wirksamkeitsnachweis können Online-Therapieprogramme im DiGA-Verzeichnis dauerhaft gelistet werden.
  • DiGA in der Psychotherapie bieten einen niederschwelligen Zugang zu psychotherapeutischer Soforthilfe, sind zeit- und ortsunabhängig und können das Selbstwirksamkeitserleben von Betroffenen stärken.
  • DiGA in der Psychotherapie lassen sich an verschiedensten Stellen des therapeutischen Prozesses flexibel implementieren: Von der Wartezeitüberbrückung über die Unterstützung der eigenen Behandlung bis zur Nachsorge gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Einbindung von DiGA in die Praxis.

Was sind Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)?

Unter Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden gesundheitsbezogene Medizinprodukte zusammengefasst, die im Wesentlichen auf digitalen Technologien beruhen und die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten unterstützen. Darunter können verschiedene Gesundheits-Apps, aber auch psychologische Online-Therapieprogramme fallen. Voraussetzung, dass eine DiGA als solche in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen und damit die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden, ist eine erfolgreich absolvierte DiGA-Zertifizierung. Die Verantwortung dafür trägt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Damit eine im DiGA-Verzeichnis aufgeführte DiGA von Patienten und Patientinnen genutzt werden kann, muss sie von einer Psychotherapeutin oder einem Arzt auf Rezept verschrieben werden.

Zulassungsprozess

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft bei Antragstellung unter anderem, ob die Gesundheitsanwendungen neben Anforderungen an die Datensicherheit und den Datenschutz von DiGA u. a. auch Anforderungen an Patientensicherheit, Verbraucherschutz, Barrierefreiheit und Interoperabilität erfüllen. Auch die Wirksamkeit in Form eines positiven Versorgungseffektes muss nachgewiesen sein oder innerhalb eines Jahres nachgereicht werden.

Zum Thema „Psychische Gesundheit” stehen in diesem Prüfprozess auch psychologische Online-Therapieprogramme im Fokus. Diese beziehen sich auf die Behandlung verschiedener psychischer Erkrankungen, wie z. B. Depressionen, Panikstörungen oder Insomnien. Psychotherapeutische DiGA beinhalten dabei meist eine Kombination aus psychoedukativen Inhalten und bewährten Interventionen aus der Psychotherapie. Fokus bilden bislang häufig klassische Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), wie beispielsweise Aktivitätsaufbau, kognitive Umstrukturierung, Entspannungsverfahren oder Akzeptanzstrategien. Diese werden durch Texte, Videos, Audios und Übungen mit interaktiven Elementen vermittelt.

Sind psychologische DiGA wirksam?

Herstellende psychologischer Online-Therapieprogramme, die in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden möchten, müssen einen Nachweis über die positiven Versorgungseffekte ihrer Gesundheitsanwendung liefern. Anwendungen, die diesen Nachweis bei Beantragung bereits erbringen, können dauerhaft ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden. 

Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, ohne vorliegenden positiven Versorgungsnachweis vorläufig im DiGA-Verzeichnis gelistet zu werden. Der Wirksamkeitsnachweis muss dann innerhalb eines Jahres erbracht und nachgereicht werden. Zur vorläufigen Aufnahme müssen jedoch trotzdem bereits konkrete Hinweise auf den voraussichtlichen Nutzen im Versorgungsalltag aufgezeigt werden und auch alle weiteren DiGA-Anforderungen erfüllt sein.

Durch die vorläufige Listung können DiGA frühzeitig Einzug in die Versorgung erhalten und Ihnen als Behandelnden eine größere Auswahl an DiGA in der Psychotherapie bieten. Wenn Sie bei der Wahl der richtigen DiGA jedoch auf bereits vorliegende Wirksamkeitsnachweise achten wollen, schauen Sie im DiGA-Verzeichnis nach dauerhaft gelisteten DiGA oder erkundigen Sie sich bei den Herstellern nach der Evidenz der DiGA.

Was sind die Chancen von DiGA in der Psychotherapie?

Die Versorgungslücke bei der Behandlung psychischer Erkrankungen kann durch den direkten Zugang zu wirksamen und geprüften Online-Therapieprogrammen verringert werden. Das liegt neben der sofortigen Verfügbarkeit auch daran, dass DiGA in der Regel zeit- und ortsunabhängig sind. Damit werden auch jene Menschen erreicht, die aufgrund geografischer, finanzieller oder anderer Gründe nicht regelmäßig in eine Praxis kommen können oder kommen wollen.

DiGA aus dem Bereich der Psychotherapie bieten gerade für die Menschen einen niedrigschwelligen Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung, die andere Angebote aus Angst vor Stigmatisierung nicht in Anspruch nehmen würden. Die gewährte Anonymität kann dabei Betroffenen helfen, einen ersten Schritt ins Versorgungssystem zu wagen, um dann bei Bedarf gegebenenfalls weiterführende Hilfen in Anspruch zu nehmen. Des Weiteren bieten Online-Therapieprogramme Betroffenen die Chance, ihre Probleme selbstständig und in ihrem eigenen Tempo anzugehen. Das kann das Selbstvertrauen und die Fähigkeiten zur Selbsthilfe stärken.

Wie DiGA flexibel in die Psychotherapie eingebunden werden können

Psychologische Online-Therapieprogramme, welche die DiGA-Anforderungen erfüllen und einen positiven Versorgungseffekt erbracht haben, können also einen evidenzbasierten Baustein in der psychotherapeutischen Versorgung darstellen. Aber an welchen Stellen lassen sich DiGA in die Psychotherapie und in den Praxisalltag einbinden?

Möglichkeiten, Online-Therapieprogramme oder DiGA in die psychotherapeutische Versorgung zu integrieren:

  1. Wartezeit überbrücken
  2. Leichte Beschwerden lindern 
  3. Auslagern spezifischer Themen 
  4. Blended Care-Ansatz
  5. Nachsorge

1Wartezeit überbrücken

Laut einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer hat sich durch die psychotherapeutische Sprechstunde, die 2017 eingeführt wurde, der Zugang zu einem therapeutischen Erstkontakt auf sechs Wochen reduziert (Stand 2018). Im Vergleich waren es 2011 noch durchschnittlich drei Monate, die bis zu einem Erstgespräch vergingen. Das ist zwar eine gute Nachricht, trotzdem wissen Sie vermutlich aus Erfahrung, dass es in den meisten Fällen nicht möglich ist, direkt im Anschluss an die Sprechstunde einen Psychotherapieplatz anzubieten. Der Bedarf psychotherapeutischer Behandlungen und die verfügbaren Kapazitäten decken sich in der Regel leider nicht.

In Deutschland vergingen 2018 für Betroffene im Schnitt fünf Monate zwischen der Anfrage und dem Beginn einer Psychotherapie.

Psychologische Online-Therapieprogramme, die als DiGA zugelassen sind, können dabei helfen, diese Lücke sinnvoll zu füllen. Zum einen bieten sie einen ersten Zugang zu psychoedukativen Inhalten über beispielsweise Depressionen, Stress und Burnout oder Ängste. Zum anderen können die Betroffenen durch die Inhalte und Übungen bereits eine erste Linderung ihrer Beschwerden erfahren. Sie fühlen sich dadurch bereits während der Wartezeit unterstützt und können erste Erfahrungen mit klassischen Elementen der Psychotherapie (wie z. B. Beobachtung der Stimmung oder Aktivitätsaufbau) sammeln. Dies kann als Grundlage für eine anschließende Therapie (bei Ihnen oder in einer anderen Praxis) dienen.

2Beschwerden lindern

Bei einer geringen Ausprägung vorhandener Symptome wie z. B. bei einer leichten depressiven Episode kann eine aktiv-abwartende Begleitung einen ersten Behandlungsschritt darstellen. Neben Gesprächen in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Grundversorgung werden im Sinne der Behandlungs-Richtlinien für unipolare Depressionen an dieser Stelle auch niedrigschwellige Interventionen wie DiGA als Psychotherapie empfohlen.

3Auslagern spezifischer Themen in der Psychotherapie

Ängste, Schlafschwierigkeiten oder Beeinträchtigungen durch chronische Schmerzen reduzieren: Oft lässt sich mit den Betroffenen mehr als ein Behandlungsauftrag erarbeiten. Sich einem zentralen Thema zu widmen und dennoch die anderen Bereiche und Beschwerden nicht zu vernachlässigen, kann eine Herausforderung darstellen. Die Nutzung einer DiGA parallel zur Psychotherapie bietet hier die Möglichkeit, spezifische Themen wie Schlafbeschwerden oder den Umgang mit chronischen Schmerzen außerhalb des Therapiesettings zu behandeln.

4Blended Care-Ansatz

Der sogenannte Blended-Care-Ansatz – auch verzahnte Psychotherapie genannt – findet zunehmend Einzug in die Psychotherapieforschung und -praxis. Dieser Ansatz bietet die Chance, das Potenzial einer Face-to-face-Psychotherapie und Online-Angeboten wie einer DiGA zu vereinen und die Inhalte der Psychotherapie im Alltag zu vertiefen und anzuwenden.

Blended Care ermöglicht also, dass Online- bzw. App-basierte Module in die reguläre Psychotherapie flexibel integriert werden können. Konkret wird dies beispielsweise so umgesetzt, dass das Ausfüllen von Fragebögen, die Nutzung von Tagebüchern sowie therapeutische Hausaufgaben einfach per Handy oder Computer durchgeführt werden können. Klassische Therapieelemente wie das Kennenlernen und der Beziehungsaufbau sind dann dem Face-to-face-Gespräch vorbehalten. Wie eine Psychotherapeutin DiGA in ihre Behandlung integriert und welche DiGA Erfahrungen sie gemacht hat, erfahren Sie in unserem Interview.

5Nachsorge 

Die in der Therapie erzielten Erfolge auch über die Behandlung hinaus zu festigen, ist ebenso wichtig wie herausfordernd. Damit auch nach Abschluss der Therapie das Rückfallrisiko gering bleibt und sich die Erfolge festigen können, lohnt sich eine gut geplante Nachsorge. Neben der Rückfallprophylaxe und Abschlussgesprächen kann es auch an dieser Stelle Sinn machen, DiGA in die Nachsorge einzubinden. Online-Therapieprogramme können dabei bewährte Komponenten der Selbstfürsorge und Rückfallprophylaxe aufgreifen und Ihre Patienten und Patientinnen im Rahmen der Nachsorge weiter begleiten. Wie eine Kursteilnehmerin die DiGA HelloBetter Panik im Anschluss an ihre Psychotherapie erlebt hat, erfahren Sie im Erfahrungsbericht.  

HelloBetter-Angebote rund um DiGA für Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen 

Ob, zu welchem Zeitpunkt und welche digitale Gesundheitsanwendung sich für Ihre Patientinnen oder Patienten eignen, ist sehr individuell. Wir empfehlen Ihnen, sich einen Überblick über die Themenbereiche, Inhalte und wissenschaftliche Evidenz der einzelnen DiGA zu verschaffen. Neben Ihrem Wissen über die Betroffenen selbst können Sie auf diese Weise entscheiden, ob ein Online-Therapieprogramm als Vorbereitung, Ergänzung und/oder Rückfallprophylaxe zu Ihrer Behandlung in Frage kommt. 

Falls Sie sich intensiver mit DiGA oder unseren Online-Therapieprogrammen beschäftigen möchten, verweisen wir gerne auf unsere Webseite für Fachkreise für weitere Informationen zu unseren HelloBetter-Fortbildungen wie den Webinaren und CME-Fortbildungen

Schreiben Sie uns auch gerne direkt eine Mail an fachpublikum@hellobetter.de für Informationsmaterialien und kostenfreie Informationsgespräche mit Produktdemonstrationen, die sowohl per Videochat als auch live in der Praxis durchgeführt werden können.

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