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Wege aus der Sucht: der Alkoholentzug

Für Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit gehört der Entzug zu den ersten Schritten, um den Weg aus der Sucht zu finden. Viele Betroffene schreckt das Thema Alkoholentzug jedoch erstmal ab. Sie wissen oft nicht, was auf sie zukommt oder haben Angst vor den körperlichen und psychischen Begleiterscheinungen eines Entzugs. Daher zeigen wir dir auf, woran du Entzugssymptome erkennst und klären dich über verschiedene Formen des Alkoholentzugs auf.

Eine Alkoholabhängigkeit (oder auch Alkoholismus) ist typischerweise gekennzeichnet durch einen starken Wunsch, Alkohol zu trinken, eine verminderte Kontrolle über den Konsum und ein anhaltender Alkoholkonsum trotz schädlicher Folgen.

Was versteht man unter einem Alkoholentzug?

Von einem Alkoholentzug spricht man, wenn Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit auf den Konsum von Alkohol verzichten oder diesen reduzieren. Das kann bewusst und freiwillig passieren, wenn sie beispielsweise ihr Verhalten verändern und abstinent werden wollen. In manchen Fällen ist aber auch ein unfreiwilliger Alkoholentzug möglich, weil zum Beispiel kein Alkohol vorhanden ist oder Betroffene zu ihrem eigenen Schutz in eine Klinik eingewiesen werden müssen. In solchen Fällen ist die Bereitschaft zur Verhaltensänderung meist nur gering bis gar nicht ausgeprägt. 

Die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit gliedert sich in vier Phasen:

  1. Vorbereitung und Motivation zur Verhaltensänderung
  2. Entzug
  3. Entwöhnung und Rehabilitation
  4. Nachsorge

Was passiert im Gehirn bei einem Alkoholentzug?

In höheren Dosen verringert Alkohol die allgemeine Aktivität des Gehirns und wirkt beruhigend. Wenn Menschen nun regelmäßig große Mengen Alkohol trinken, kann das langfristig zu einem Ungleichgewicht der aktivierenden und hemmenden Nervenbahnen führen. Wird der Alkoholkonsum dann eingestellt oder reduziert, kommt es zu einer Überaktivierung des Gehirns. Nachdem der Alkohol also bislang auf die Bremse gedrückt hat, gibt das Gehirn nun ungebremst Vollgas. Das führt zu typischen Entzugssymptomen.

Alkoholentzug: Symptome und Verlaufsformen

Innerhalb von 24 Stunden nach Absetzen oder Vermindern des Alkoholkonsums, kann es zu verschiedenen körperlichen und psychischen Entzugssymptomen kommen. Wenn mindestens 3 dieser Symptome auftreten, sprechen Psychologen vom sogenannten Alkoholentzugssyndrom. Die Zusammensetzung und Intensität der Symptome ist dabei ganz individuell und hängt von der Schwere und Dauer des bisherigen Trinkverhaltens ab. Allgemein gilt: Je schwerer und langandauernder der Alkoholkonsum, desto intensiver die zu erwartenden Entzugssymptome.

Körperliche Entzugssymptome:

  • Zittern
  • Unruhe
  • Schwitzen
  • Übelkeit
  • Kopfschmerzen
  • Schlafstörungen
  • Krankheitsgefühl
  • Sehen von Doppelbildern
  • Blutdruckanstieg
  • Krampfanfälle

Psychische Entzugssymptome:

  • Depressive Verstimmungen
  • Angstzustände
  • Konzentrationsprobleme
  • Stimmungsschwankungen
  • Aggressiviät

Das alkoholbedingte Delir

Als schwerste Form des Alkoholentzugssyndroms gilt das sogenannte alkoholbedingte Delirium tremens (kurz Alkoholdelir). Hören die Betroffenen nach einem langjährigen und schweren Alkoholkonsum plötzlich auf zu trinken, kann es nach etwa 2-3 Tagen Abstinenz zum teils lebensbedrohlichen Alkoholdelir kommen. Typische Symptome sind Desorientiertheit, Schlafstörungen, Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, des Herz-Kreislauf-Systems und der Atmung sowie Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Die beste Methode, um ein Alkoholdelir zu verhindern, ist die frühzeitige Behandlung der Entzugssymptome. 

Bei langem oder schwerem Alkoholkonsum raten  Expertinnen und Experten also dringend davon ab, auf eigene Faust mit dem Trinken aufzuhören. Aber welche Möglichkeiten gibt es dann?

Formen und Dauer des Alkoholentzugs

Ziel eines Alkoholentzugs ist die Überwindung der körperlichen Entzugssymptome und „Freiwerden” von Alkohol (Abstinenz). Wie genau das passiert, sollte immer in Absprache mit dem Hausarzt oder der Hausärztin festgelegt werden. So entscheiden zum Beispiel die körperliche Verfassung und die zu erwartenden Entzugssymptome darüber, welcher Weg der richtige ist. Falls du also einen Alkoholenzug planst, wende dich zuerst an deinen Hausarzt. 

Warmer oder kalter Entzug

Ein sogenannter kalter Alkoholentzug bedeutet, dass der Alkohol abrupt abgesetzt wird und die Entzugssymptome nicht durch unterstützenden Medikamente abgeschwächt werden. Für den Körper und die Psyche von Betroffenen kann das eine besonders große Herausforderung sein. Aus diesem Grund wird heutzutage meist ein sogenannter warmer Alkoholentzug empfohlen.

Dabei verzichten Betroffene zwar genauso konsequent auf Alkohol, die Entzugssymptome werden jedoch durch Medikamente gelindert oder sogar ganz verhindert. Diese wirken beruhigend, angstlösend, hemmen Krampfanfälle und können einem Alkoholdelir vorbeugen. Da die Medikamente aber selbst süchtig machen können, sind sie immer verschreibungspflichtig, werden nur über eine kurze Dauer verschrieben und zur besseren Kontrollierbarkeit meist in Kliniken gegeben. 

Stationärer Alkoholentzug  

Bei Menschen mit schädlichem oder abhängigem Alkoholkonsum ist das häusliche Umfeld oft mit dem Trinken verknüpft. Zuhause mit dem Trinken aufzuhören, kann also besonders herausfordernd sein und macht Rückfälle wahrscheinlicher. Deshalb findet der Alkoholentzug meistens stationär in Fachkliniken für Suchtbehandlung oder in allgemeinpsychiatrischen Kliniken statt. Die Kosten hierfür übernehmen die Krankenkassen. 

Notwendig ist er zum Beispiel, wenn ein schwerer oder langer Alkoholkonsum vorliegt, keine soziale Unterstützung vorhanden ist oder wenn Betroffene unter körperlichen Erkrankungen wie Herz-Kreislaufproblemen leiden. Der große Vorteil ist, dass Kliniken geschützte Orte sind, an denen bei eventuellen Problemen sofort ärztliche und psychologische Hilfe da ist. Der stationäre Alkoholentzug findet meist als warmer Entzug statt und gliedert sich in zwei Behandlungsbausteine.

Die körperliche Entgiftung

Der stationäre Alkoholentzug beginnt meist mit der körperlichen Entgiftung. Im Fokus steht die Behandlung der akuten Entzugssymptome und Überwachung lebenswichtiger Körperfunktionen wie Herzschlag und Atmung. Dabei ist die Dauer der körperlichen Entgiftung ganz unterschiedlich und hängt zum Beispiel vom Ausmaß des bisherigen Alkoholkonsums ab. Im Durchschnitt dauert es aber 3-7 Tage, bis die körperlichen Entzugssymptome ganz abgeklungen sind. 

Der qualifizierte Entzug

Da die körperliche Entgiftung noch keine wirkliche Behandlung des Alkoholismus darstellt, bieten stationäre Einrichtungen meistens einen sogenannten qualifizierten Entzug an. Dieser dauert etwa 2-3 Wochen und schließt die körperliche Entgiftung mit ein. Zudem gibt es psychologische und soziale Unterstützung, um sich kritisch mit seinem bisherigen Alkoholkonsum auseinanderzusetzen, Strategien zur Selbstkontrolle und Entspannung zu lernen und die Abstinenz zu festigen. 

Ambulanter Alkoholentzug

Der ambulante Alkoholentzug dauert etwa 2 Wochen und findet meist von zuhause aus statt. Betroffene haben also keine permanente ärztliche und psychologische Betreuung wie im Krankenhaus, bleiben aber in ihrem gewohnten Umfeld. Die ärztliche Versorgung übernimmt dabei der Hausarzt oder eine speziell ausgebildete Suchtmedizinerin. 

In der ersten Woche finden täglich Termine in der Arztpraxis statt, bei denen der Gesundheitszustand geprüft und bei Bedarf unterstützende Medikamente gegeben werden. In der zweiten Woche erfolgen die Praxisbesuche dann nur noch alle zwei Tage. Während der gesamten Zeit sind Betroffene über eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung krankgeschrieben. Die Kosten übernehmen auch hier die Krankenkassen. 

Da Betroffene auch im ambulanten Alkoholentzug zunächst körperlich entgiften, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: 

  • niedriger oder erst kurzer Alkoholkonsum 
  • eventuell frühere Entzüge sind problemlos verlaufen 
  • soziale Unterstützung (z. B. Freunde, Familie)
  • hohe Motivation und Änderungsbereitschaft 
  • keine weiteren körperlichen Erkrankungen 
  • schwere Entzugssymptome von ärztlicher Seite unwahrscheinlich 

Sollte sich der Gesundheitszustand während des ambulanten Alkoholentzugs verschlechtern, wird die begleitende Ärztin den Betroffenen sofort an eine Klinik überweisen. 

Abrupter oder schrittweiser Entzug

Neben dem abrupten Absetzen des Alkohols gibt es auch die Möglichkeit eines schrittweisen – ambulanten oder stationären – Entzugs. Dabei wird der Alkoholkonsum langsam reduziert und der Entzug regelmäßig ärztlich kontrolliert. Auch hier gibt es die Möglichkeit einer Unterstützung durch Medikamente. Beispielsweise schwächt das verschreibungspflichtige Naltrexon die berauschende Wirkung von Alkohol deutlich ab und erleichtert dadurch den Verzicht. 

Alkoholentzug in Eigenregie: Ist ein Alkoholentzug zuhause sinnvoll?

Die Vorstellung, den Alkoholentzug ohne ärztliche Kontrolle und zuhause im gewohnten Umfeld durchzuführen, mag sich für einige Betroffene „ganz gut” anhören. Wenn zum Beispiel ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt nicht realisierbar erscheint oder der Gang zur Hausärztin eine zu große Überwindung darstellt. Für Menschen mit einem langen oder schweren Alkoholkonsum raten Experten jedoch ausdrücklich von einem Alkoholentzug in Eigenregie ab. So kann es jederzeit und vor allem bei einem kalten Entzug zu teils schweren Entzugssymptomen kommen, die ärztlich behandelt werden müssen. 

Und ein eigenständiger Alkoholentzug zuhause ist immer ein kalter Entzug. Es gibt zwar rezeptfreie Medikamente, die gegen Symptome wie Übelkeit und Kopfschmerzen helfen, deren Nutzen für die Entzugssymptome ist jedoch unklar. Zudem können bei längerem oder übermäßigen Gebrauch Nebenwirkungen entstehen, die den Entzug zusätzlich erschweren. Wegen der fehlenden psychologischen Unterstützung sind darüber hinaus auch die Rückfallquoten wesentlich höher als bei einem qualifizierten Entzug. 

Entzugsbehandlung – Und dann?

Um dauerhaft den Weg aus der Sucht zu finden, folgt auf den Entzug bestenfalls eine seelische Entwöhnung. Denn Alkohol macht nicht nur körperlich, sondern auch psychisch abhängig.

Bei einer psychischen Abhängigkeit verspüren Betroffene das scheinbar unkontrollierbare Verlangen, Alkohol konsumieren zu müssen. Ist kein Alkohol vorhanden, kann das zum Beispiel zu niedergeschlagener Stimmung und Ängsten führen. Während die körperliche Abhängigkeit oft schon nach dem Alkoholentzug überwunden ist, kann die psychische Abhängigkeit sehr viel länger andauern.

Die Entwöhnung dauert etwa 12-16 Wochen und kann ambulant, stationär oder in Sucht-Tageskliniken durchgeführt werden. Ziel ist es, die alten Trinkgewohnheiten zu überwinden, die Ursache für den Alkoholkonsum zu verstehen und alternative Strategien aufzubauen. Angeboten wird die Entwöhnung als Reha-Maßnahme über die Rentenversicherung. 

Außerdem kann es auch sinnvoll sein, seine Erfolge und Behandlungsfortschritte in Selbsthilfegruppen wie den Anonymen Alkoholikern zu stabilisieren. Dort kannst du deine Erfahrungen mit anderen teilen und Lösungen für gemeinsame Probleme finden. 

Auch wenn der Weg lang erscheint, er lohnt sich. Denn der Weg raus aus der Sucht bedeutet, dass du dir wieder mehr Freiheit, Lebensqualität und Selbstbestimmung zurückerobern kannst. Hab also Geduld und lass dich von Rückschlägen nicht entmutigen. Du kannst das schaffen.

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