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Emotionsregulation: Wann und wie lohnt es sich, Gefühle zu verändern?

„Am besten ziehst du dich erstmal zurück“ flüstert die Trauer. „Gefahr! Bring dich in Sicherheit!“ warnt uns die Angst. „Mach weiter so!“ ruft die Freude.

Auch wenn unsere Gefühle nicht wirklich mit uns sprechen und uns Dinge zurufen, stimmt es doch, dass sie uns mit wichtigen Botschaften versorgen und beeinflussen, wie wir uns verhalten. Wer Angst vor Veränderungen hat, lässt lieber alles wie es ist. Wer Schuldgefühle erlebt, ist vielleicht um eine Wiedergutmachung bemüht.

Aber können wir unseren Gefühlen und ihren Botschaften wirklich immer trauen? Wann wir unseren Gefühlen folgen sollten, wann nicht und wie Emotionsregulation gelingen kann, erfährst du in diesem Artikel.

Emotionsregulation – wozu überhaupt?

Emotionsregulation bedeutet so viel wie, die eigenen Gefühle in ihrer Art, Intensität und Dauer zu beeinflussen. Aber wozu überhaupt? Schließlich scheinen sie ja wichtige Botschaften für uns zu haben.

In den allermeisten Situationen liegen wir mit unseren Gefühlen auch tatsächlich goldrichtig. Sie passen zur Situation, sind angemessen und es macht Sinn, nach ihnen zu handeln. Beim Anblick eines Bären im Wald auf die Botschaft der Angst zu hören und uns in Sicherheit zu bringen, ist zum Beispiel mehr als sinnvoll.

In anderen Fällen können unsere Gefühle aber auch nicht ganz der Situation angemessen sein. Wenn du z.B. Angst hast, auf einen hohen Kirchturm zu steigen, obwohl der bereits seit 500 Jahren stabil steht oder du dich schuldig fühlst, obwohl du gar nichts falsch gemacht hast.

Wenn Gefühle sehr stark sind, dich belasten oder nicht zur eigentlichen Situation passen, kann es Sinn machen, sie zu verändern ­­und Strategien zur Emotionsregulation anzuwenden.

Warum passen Gefühle manchmal nicht zur Situation?

Dass Gefühle oder ihre Intensität manchmal nicht zur Situation passen, kann an emotionalen Mustern liegen, die wir in der Vergangenheit gelernt haben. Stell dir zum Beispiel vor, dir wurde als Kind im Sportunterricht gesagt, du seist zu unsportlich. Aus Angst, dich zu blamieren, hast du daraufhin lieber öfter mal geschwänzt. Nun liegt die Schulzeit schon lange zurück, du bist erwachsen und deine zwei Lieblingskolleginnen fragen, ob du Lust hast, mit ihnen Badminton im Park zu spielen. Du merkst, wie sich dein Magen verkrampft und die Angst, dich doof anzustellen und der Wunsch abzusagen, wieder in dir hochkommt. In diesem Fall wurde in dir ein altes emotionales Muster aktiviert, das auf vergangenen Erfahrungen beruht. In der jetzigen Situation wäre es sinnvoller, ihm nicht zu folgen und die Verabredung wahrzunehmen.

Manchmal sind ein Gefühl und der daraus entstehende Handlungsimpuls auch deshalb nicht hilfreich, weil sie dir nicht bei der Erreichung deiner Ziele und Bedürfnisse helfen. Wenn du dich zum Beispiel von deiner Chefin ungerecht behandelt fühlst und sie am liebsten anschreien würdest, wäre dies für deine langfristigen Ziele (z.B. befördert zu werden) nicht besonders hilfreich.

Emotionsregulation lernen – aber wie?

Gefühle sind also wahre Wegweiser, sinnvoll und lebenswichtig. Gleichzeitig können sie uns mit ihrer Kraft manchmal geradezu überrollen, nicht zur Situation passen oder uns beim Erreichen unserer Ziele und Bedürfnisse im Weg stehen. Wann ist es also sinnvoll, ihnen zu folgen und wann nicht? Um deine Emotionen regulieren zu lernen, kannst du in folgenden drei Schritten vorgehen. 

Schritt 1: Nimm deine Gefühle an

Der erste Schritt der Emotionsregulation ist, das Gefühl zu erkennen und anzunehmen. Das gilt auch für die unangenehmen Gefühle, denn auch sie sind nützlich und haben ihre Berechtigung. Auch sie gehören zum Leben dazu. Versuch herauszufinden, welches Gefühl dich gerade überwältigt. Ist es vielleicht Wut, Enttäuschung oder Angst? Als Nächstes kannst du dieses Gefühl annehmen, indem du dir innerlich zum Beispiel sagst: „Ich spüre gerade Angst. Und das ist ok.“

Schritt 2: Tritt einen Schritt zurück

Der zweite Schritt dieser Emotionsregulationsstrategie ist die Erkenntnis, dass du zwar Gefühle hast, du aber nicht dein Gefühl bist (du kannst z.B. denken: „Ich bin nicht meine Angst. Ich habe Angst. Ich kann entscheiden, wie ich damit umgehe”). Indem du innerlich einen Schritt zurücktrittst, schaffst du dir mehr Handlungsspielraum. Dieser Schritt der Emotionsregulation kann dir helfen, dich deinen Gefühlen nicht machtlos ausgeliefert zu fühlen.

Schritt 3: Nutze deinen Handlungsspielraum

Durch diese ersten beiden Schritte hast du die Möglichkeit, in einem dritten Schritt zu entscheiden, wie du auf das Gefühl reagieren möchtest. Du kannst dann entscheiden, ob du mit dem Gefühl handeln willst oder ob es Sinn macht, das Gefühl abzuschwächen und stattdessen entgegengesetzt zu handeln.

Entgegengesetzt zu handelt, bedeutet, das Gegenteil von dem zu tun, was dir dein Gefühl vorschlägt.

Wenn du zum Beispiel Angst vor einer Prüfung hast und sie am liebsten absagen würdest, bedeutet entgegengesetzt zu handeln, trotz der Angst zur Prüfung zu gehen. Oder trotzdem ein fröhliches Lied aufzulegen, obwohl deine Traurigkeit dir rät, dich unter deiner Decke zu vergraben. 

Folgende Fragen können dir helfen, eine Entscheidung zu treffen, ob es sich lohnt, dem Gefühl zu folgen: Ist das Gefühl und die Intensität des Gefühls der Situation angemessen? Handelt es sich nicht um ein gelerntes, emotionales Muster aufgrund früherer Erfahrungen, das jetzt gar nicht passt? Hilft dir das Verhalten kurz- aber auch langfristig, deine Bedürfnisse und Ziele zu erreichen? Bekommst du dadurch, was du brauchst?

» Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt die Macht unserer Wahl. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit. «

Viktor Frankl

Emotionen regulieren braucht Übung

Vielleicht fragst denkst du jetzt: Wie soll das nur funktionieren? Gefühle und die Reaktion auf sie laufen oft so blitzschnell ab, dass die Zeit für diesen Abwägungsprozess nicht zu bleiben scheint. Emotionsregulation braucht Übung und bedeutet auch nicht, dass dir diese drei Schritte immer direkt gelingen. Wichtig ist, dich überhaupt auf den Weg zu machen und deine Gefühle so besser kennenzulernen. Allein schon Schritt 1, also das Gefühl einfach nur wahrzunehmen und zu beobachten, ohne zu reagieren, kann eine Möglichkeit der Emotionsregulation sein.

Du kannst dir auch angewöhnen, besonders emotionale Situationen im Nachhinein noch einmal zu betrachten und zu überlegen, ob dein Gefühl dir in dem Moment eine hilfreiche oder nicht hilfreiche Botschaft gesendet hat. Diese nachträgliche Selbstreflexion hilft dir, in kommenden Situationen anders zu reagieren. Sei geduldig und probiere es aus.

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