Der „Ich bin Schuld“-Gedanke
Es ist ganz normal, dass Betroffene einer Depression sich die Frage nach der Ursache für ihre psychische Erkrankung stellen. Der enorme Leidensdruck führt kaum vermeidlich zu diesen Grübeleien, da man sich von der „richtigen Antwort“ eine gewisse Erleichterung verspricht. Man möchte endlich die Ursache für diese unangenehmen Gefühle finden und die eigene Befindlichkeit verbessern. An sich entsteht die „Schuldfrage“ daher aus einem guten und wichtigen Grund. Grübeln gehört jedoch zu den typischen Symptomen einer Depression, da sich diese eine Ursache eben nicht finden lässt. Es gibt eine Vielzahl von möglichen Ursachen für eine Depression, die in einem Zusammenspiel wirken und sich immer wieder verändern. Charakteristisch beim Grübeln nach der Ursache ist daher, dass Betroffene die Verantwortlichkeit früher oder später aus Verzweiflung bei sich selbst suchen. Diese Schuldzuweisung schlägt sich wiederum auf die Stimmung nieder und es entsteht eine Art Teufelskreis.
Hilfe für den „Bin ich Schuld an meiner Depression“-Gedanken
Unsere Gedanken zu kontrollieren, ist leider unmöglich. Niemand kann das, weder unsere Freunde und Bekannten oder Therapeut, noch ständig meditierende Zen-Mönche. Wichtig ist jedoch, sich der Möglichkeit bewusst zu werden, unsere Gedanken als bloße Gedanken zu erkennen. Nicht mehr und nicht weniger. Was bedeutet das genau? Wir können lernen, innerlich einen Schritt zurückzutreten und unsere Gedanken zu beobachten. Diese Methode wird in der Psychologie „Kognitive Defusion“ genannt. Eine einfache Übung ist, den Halbsatz „Ich habe den Gedanken, dass …“ vor den eigentlichen Gedanken zu setzen. Wenn das gut funktioniert, kannst du einen Schritt weitergehen und „Ich bemerke, dass ich den Gedanken habe, dass …“ deinem belastenden Gedanken voranstellen. Diese Methode ist so effektiv, weil es nicht darum geht, den Gedanken zu widerlegen – was oftmals nicht so leicht möglich ist. Aber wir können Abstand zu unseren Gedanken und damit Erleichterung gewinnen, ohne unsere Gedanken verändern zu müssen.
Der „Keiner mag mich“-Gedanke
Menschen mit Depressionen fällt es schwer, ihren täglichen Aufgaben nachzugehen, Freundschaften zu pflegen oder gar ihr Alltagsleben aktiv zu gestalten und z. B. am Wochenende eine Fahrradtour zu unternehmen. Häufig denken wir jedoch, dass wir von anderen nur gemocht werden, wenn wir etwas leisten und ein vorzeigbares Leben mit vielen tollen Erlebnissen führen. Gemocht wird vermeintlich nur, wer glücklich ist. Die sozialen Netzwerke verstärken diesen falschen Eindruck noch, da die meisten Menschen dort nur ihre Höhepunkte mit uns teilen. Die Wahrheit ist: Niemandes Leben ist immer unbeschwert und freudvoll. Ebenso ist es ein Trugschluss, dass uns niemand mag, wenn wir traurig sind. Doch aufgrund der angesprochenen Verzerrung in der Wahrnehmung können Betroffene den „Keiner mag mich – Gedanken“ nicht einfach loswerden, wenn er sich einmal eingeschlichen hat.
Hilfe für den „Keiner mag mich“-Gedanken
Auch in dieser Übung geht es nicht darum, den „Keiner mag mich“ – Gedanken zu widerlegen, sondern sich weniger von ihm in Beschlag nehmen zu lassen. Wie schon angedeutet, ist es unsere etwas verzerrte Wahrnehmung, die uns zu dem Schluss kommen lässt, dass uns unmöglich jemand mögen kann. Dafür sind wir einfach nicht fröhlich, spannend oder erfolgreich genug. Vielleicht hast du auch schon die Erfahrung gemacht, dass dir andere Leute gesagt haben, dass das nicht stimmt. Die Frage ist nur: Was ist denn nun wahr? Unsere Meinung oder die Sicht des anderen? Vollkommen egal! Wichtig ist, dir darüber bewusst zu sein, dass unser Gehirn alle Eindrücke in einen gewissen Zusammenhang bringt – der nun mal aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen für jeden anders ist. Spielerisch könnte man auch sagen, unser Kopf spinnt Geschichte für Geschichte. Versuche, im Alltag diesen Geschichten Namen zu geben, z. B. die „Keiner mag mich“ – Geschichte. Immer, wenn etwas in deinen Gedanken auftaucht, was dazu passt, kannst du aufmerksam feststellen: „Oh, da ist ja wieder die „Keiner mag mich“- Geschichte.“ Diese Übung kann dir dabei helfen, dich weniger in deinen Gedanken zu verfangen.
Der „Das wird niemals anders“ – Gedanken
Depressionen sind mit enormem psychischen Leiden verbunden. Daher ist es nur verständlich, dass Betroffene die schlimme Befürchtung hegen, dieser Zustand könnte sich niemals verändern. Mit dem „Das wird niemals anders“ – Gedanken verbunden, ist häufig ein Gefühl des Kontrollverlustes. Menschen mit Depressionen fühlen sich diesem „überwältigenden Gefühl der Schrecklichkeit“ geradezu hilflos ausgeliefert.
Hilfe für den „Das wird niemals anders“ – Gedanken
Diese Übung konzentriert sich nicht auf den Gedanken, sondern auf das Gefühl, das der „Das wird niemals anders“ – Gedanke auslöst. Häufig ist es Hoffnungs- und Machtlosigkeit. Auch wenn es uns manchmal nicht so vorkommt, aber unsere Gefühle kommen und gehen. Es kann daher hilfreich sein, sich die eigenen Gefühle wie Wellen vorzustellen. Manchmal sind das eher seichte Wogen, ein anderes Mal haben wir den Eindruck, eine Flutwelle würde uns verfolgen. Wenn du das nächste Mal bemerkst, dass eine Gefühlswelle auf dich zukommt, versuche so lange auf ihr zu surfen, d. h. sie solange wahrzunehmen, bis sie abflacht. Egal, wie groß die Welle ist, das wird irgendwann passieren. Je öfter du auf deinen Gefühlen „surfst“, desto größeres Vertrauen kannst du in die Vergänglichkeit deiner Gefühle und auch deiner Depression gewinnen.
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