Hormonelle Unterschiede
Angesichts der Tatsache, dass Depressionen am häufigsten während der Fortpflanzungsjahre einer Frau (25 bis 44 Jahre) auftreten, könnten hormonelle Risikofaktoren eine Rolle spielen. Es wurde belegt, dass Östrogene und Progesteron einen Einfluss auf Neurotransmitter, das neuroendokrine System sowie den Biorhythmus haben. Diese stehen wiederum im direkten Zusammenhang mit affektiven Störungen.
Der Fakt, dass Frauen oft an affektiven Beeinträchtigungen in Verbindung mit ihrem Menstruationszyklus leiden (prämenstruelle dysphorische Störung), deutet auf einen starken Zusammenhang zwischen den weiblichen Geschlechtshormonen und der Stimmung hin.
Untersuchungen haben gezeigt, dass die prämenstruelle dysphorische Störung auf eine Veränderung der Gene zurückzuführen ist. Hierbei ist die Sensibilität einer Frau gegenüber Östrogenen und Progesteron erhöht.
Darüber hinaus sind die mit der Geburt eines Kindes verbundenen hormonellen Schwankungen ein häufiger Auslöser für Stimmungsveränderungen. Es wird vermutet, dass der Beginn einer Wochenbettdepression mit dem enormen hormonellen Umschwung zusammenhängt, welcher unmittelbar nach der Geburt auftritt.
Obwohl die Menopause eine Zeit ist, in der das Depressionsrisiko einer Frau abnimmt, geht die Zeit kurz vor und nach der Menopause (perimenopausale Periode) mit einem erhöhten Risiko für Frauen, die schon einmal an einer Depression erkrankt sind, einher. Andere hormonelle Faktoren, die zum Depressionsrisiko einer Frau beitragen können, sind Geschlechtsunterschiede in Bezug auf die Stressachse (HPA) und die Schilddrüsenfunktion.
Soziale Unterschiede
Untersuchungen haben gezeigt, dass Geschlechterunterschiede in der Sozialisierung ebenfalls eine Rolle spielen. So werden Mädchen meist sozialer erzogen. Sie werden häufiger dafür gelobt, wenn sie sich fürsorglich verhalten und sensibler mit der Meinung anderer umgehen. Jungen hingegen werden dazu ermutigt, unabhängig zu sein, sich durchzusetzen, feminine Verhaltensweisen zu vermeiden und ihre Gefühle herunterzuschlucken. Einige Forscher vermuten, dass dies der Grund ist, warum sich Depressionen bei Männern anders manifestieren und auch die Dunkelziffer depressiver Männer höher sein könnte – Männer verschweigen ihre Depression.
Soziale Rollen
Es wurde ebenfalls thematisiert, dass Frauen, die sich dafür entscheiden Hausfrau und Mutter zu sein, sich in dieser Rolle von der Gesellschaft abgewertet fühlen. Wohingegen Frauen, die Karriere machen, eventuell bei der Arbeit diskriminiert werden oder einen Konflikt zwischen ihrer Rolle als Mutter und Arbeitnehmerin verspüren. Die Sozialisierung von Geschlechterrollen wird damit in Verbindung gebracht, wie wir mit Stress umgehen und welche Auswirkungen dies auf unsere Gesundheit hat. Dabei wurde herausgefunden, dass unsere derzeitige Sozialisierung der männlichen Gesundheit zugutekommt.
Unterschiedlicher Umgang mit Problemen
Studien haben gezeigt, dass Frauen eher dazu neigen, eine Situation nachdenklicher und emotionaler zu bewältigen sowie ihre Probleme zu überdenken. Männer hingegen denken eher lösungsorientiert oder neigen dazu sich abzulenken oder die Probleme gar zu vergessen. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass die ständige Auseinandersetzung mit Problemen zu längeren und schwereren Episoden von Depressionen führt und zu einer größeren Anfälligkeit von Frauen für Depressionen beitragen könnte.
Stressige Lebensereignisse
Ergebnisse von Studien deuten darauf hin, dass Frauen während ihres Lebens häufiger stressige Ereignisse erleben und eine größere Stresssensibilität als Männer aufweisen. Jugendliche Mädchen berichten, dass sie öfter stressigen Situationen ausgesetzt sind als Jungen. Dies bezieht sich vor allem auf die Beziehung zu Eltern und Gleichaltrigen, wobei das Stresslevel von Mädchen wesentlich höher empfunden wird.
Studien mit erwachsenen Frauen haben belegt, dass diese eher an einer Depression nach einem stressigen Ereignis erkranken als Männer. Dabei fand das Ereignis innerhalb von 6 Monaten vor Eintritt der depressiven Episode statt.
Weiterhin ist die Häufigkeit von Depressionen weltweit konstant. Dies führt zu der Annahme, dass biologische Faktoren die größte Rolle spielen und erst dann andere Gründe wie gesellschaftlicher Status, Bildung, Ethnizität, Ernährung und Kultur mitwirken.
Unterschiede in der Diagnose
Forscher stellten ebenfalls die These auf, dass es in Wirklichkeit möglicherweise gar keinen Unterschied in der Häufigkeit von Depressionen bei Frauen und Männern gibt. Diese Forscher entwickelten die Theorie, dass Frauen lediglich häufiger und früher Hilfe aufsuchen und ihre Symptome genauer und ausführlicher beschreiben. Dies führe wiederum zu einer schnelleren und präziseren Diagnose.
Männer hingegen neigen eher zu Symptomen wie Reizbarkeit, Wut, Schlafstörungen und Missbrauch von Substanzen. Sie beschreiben Depressivität vornehmlich als Stress, anstatt über Traurigkeit und Antriebslosigkeit zu sprechen. Da sie eine Depression ganz anders wahrnehmen, könnte sie bei ihnen auch fälschlicherweise nicht diagnostiziert werden. Eine Studie, veröffentlicht in JAMA Psychiatry, hat herausgefunden, dass Männer sogar häufiger an Depressionen erkranken, wenn die sogenannten „männlichen Symptome“ zur Diagnose herangezogen werden. (26,3 % Männer und 21,9 % Frauen).
So unterschiedlich die Anzeichen auch sein mögen: Das frühzeitige Aufsuchen professioneller Hilfe schafft Klarheit und kann wesentlich dazu beitragen, den Verlauf einer Depression positiv zu beeinflussen.
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