Was sind Minderwertigkeitskomplexe?
Ganz ehrlich? Wir alle tragen doch die ein oder andere Unsicherheit mit uns rum. Wir selbst sind oft unsere größten Kritiker und legen alles auf die Goldwaage, wenn es darum geht, uns selbst zu bewerten. Das Gefühl, nicht genug zu sein, kennen also viele Menschen und du bist damit nicht allein.
Bin ich schön genug? Schlau genug? Groß genug? Stark genug? Erfolgreich genug? So viele Fragen. Regelmäßig vergleichen wir uns mit anderen Menschen. Durch sogenannte Aufwärtsvergleiche, also Vergleiche mit Personen, die wir etwa als besonders schön oder erfolgreich wahrnehmen, steigern wir dabei manchmal noch das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit. Nicht falsch verstehen – Selbstreflexion ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die eigene Weiterentwicklung geht – daher ist das kritische Beäugen des eigenen Handelns ab und zu okay. Auch ein paar kleine Unsicherheiten sind völlig normal und gehören dazu. Doch was ist, wenn unsere Selbstzweifel so stark werden, dass sie unseren Alltag begleiten oder sogar einschränken? Dann kann von Minderwertigkeitskomplexen die Rede sein.
Der berühmte Psychotherapeut Alfred Adler etablierte den Begriff des Minderwertigkeitskomplexes in der Psychologie und verstand ihn als „abnorm gesteigertes Minderwertigkeitsgefühl“.
Ein normales Maß an Minderwertigkeitsgefühlen sah Adler hingegen sogar als vorteilhaft – Es sollte als Antrieb und Motivation dienen, damit wir unsere Ziele erreichen können.
Dabei sind die Ursachen von Minderwertigkeitskomplexen vielfältig. Wie immer ist es eine Zusammensetzung aus Anlage und Umwelteinflüssen bzw. Lernerfahrungen. Sie können zum Beispiel in der Kindheit liegen, wenn die Erfahrung gemacht wurde, etwas nicht bewältigen zu können. Oder durch negative Beurteilung von Außen. Auch schmerzhafte Erfahrungen im Erwachsenenalter wie eine Trennung oder Zurückweisung können Minderwertigkeitsgefühle steigern. Doch auch angeborene Persönlichkeitseigenschaften können hier von Bedeutung sein.
Anzeichen für Minderwertigkeitskomplexe
Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen haben oft das Gefühl, nicht genug zu sein. Weitere Anzeichen für starke Minderwertigkeitsgefühle können sein:
- Der Fokus liegt oft auf eigenen Grenzen, Schwächen und vermeintlichen Makeln
- Ein andauerndes Gefühl, anderen unterlegen zu sein
- Häufige Vergleiche mit anderen Menschen
- Sozialer Rückzug aus Angst vor negativer Beurteilung
- Geringes Selbstwertgefühl
- Versagensangst
- Abhängigkeit von der Bestätigung durch andere
- Verlustangst in Beziehungen
Wichtig ist: Minderwertigkeitskomplexe sind keine eigene Diagnose, weisen jedoch einige Übereinstimmungen mit der sogenannten „Ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung“ auf. Menschen, welche die Diagnose dieser Persönlichkeitsstörung erfüllen, fühlen sich häufig angespannt und besorgt, unsicher und minderwertig. Sie wünschen sich permanente Zuneigung und wollen akzeptiert werden. Häufig reagieren sie überempfindlich gegenüber Kritik oder Zurückweisung und es fällt ihnen oft schwer, eine Beziehung zu führen.
Ein geringer Selbstwert kann auch bei anderen psychischen Erkrankungen vorkommen. Bei Depressionen zeigen sich zum Beispiel häufig Gedanken wie „Ich kann doch eh nichts” oder „Das bekomme ich nicht hin”. Und auch bei einer sozialen Phobie können Minderwertigkeitskomplexe eine Rolle spielen.
Selbstliebe-Tools, um Minderwertigkeitskomplexe zu überwinden
Ja zu dir selbst! Um deinen Selbstwert wieder zu steigern und Minderwertigkeitsgefühle zu reduzieren, haben wir dir zwei Übungen mitgebracht, die du direkt einmal ausprobieren kannst.
Übung
Ein Liebesbrief an dich selbst
Um Minderwertigkeitskomplexe zu überwinden, kann die folgende Übung helfen.
Schreib doch mal einen Liebesbrief – an dich selbst! Ein bisschen schade, dass die romantische Zeit vorüber ist, in der man sich noch seine Zuneigung analog und wohlüberlegt mit einem Blatt Papier zeigte. Aber lass uns das wieder aufleben lassen. Ein Brief an dich selbst ist ein kraftvolles Tool aus dem Coaching, das dir helfen kann, dir bewusst zu machen, wie wertvoll du bist.
Nimm dir dazu erst einmal einen guten Moment. Einen Moment voller Ruhe. Vielleicht magst du dich an deinen Lieblingsort setzen? Mit einem heißen Tee auf die Couch oder mit einer Limo auf den Balkon. Schnappe dir ein Blatt Papier und einen Stift. Beginne dann den Titel zu schreiben: „Eine Botschaft an mich selbst“. Dann beginnst du drei Dinge aufzuschreiben, auf die du stolz bist. Drei Dinge, die du in deinem Leben schon geschafft hast. Und drei Dinge, die du an dir magst. Drei Dinge, von denen du dachtest, dass du sie nie lernen würdest und die du trotzdem gelernt hast. Schreibe dir alles Positive von der Seele, was dir einfällt und keine Sorge – hier wird nicht mit Komplimenten gegeizt! Noch ein Tipp: Sollte dir der Beginn dieser Übung schwerfallen, kannst du dir auch vorstellen, was deine Freundinnen oder Freunde über dich sagen würden. Eine wichtige Regel: Es dürfen nur positive Aspekte, Eigenschaften und Fähigkeiten genannt werden.
Übung
Affirmationen
Affirmationen – das bedeutet die Dinge, Situationen, Aussagen oder Handlungen positiv zu bewerten. Dieses Thema ist dir vielleicht schon einmal zwischen Yoga, Meditation und Psychologie über den Weg gelaufen, denn es ist gerade wirklich angesagt. Affirmationen klingen erst einmal esoterisch angehaucht, dennoch kann ein positiver Bewertungsstil unter den richtigen Umständen und in der richtigen Anwendung auch laut psychologischer Forschung einen positiven Einfluss auf unsere psychische Gesundheit haben. Wenn wir unter Minderwertigkeitskomplexen leiden, ist unser Denken oft geprägt von negativen Aspekten. Das passiert irgendwann automatisch und dieses negative Gedankenkarussell wird ganz unterbewusst angeworfen, ohne dass wir es wirklich wahrnehmen. Das nennen wir auch Glaubenssätze. Positive Affirmationen können hier entgegenwirken.
Wichtig ist, dass deine Affirmation einen Zustand beschreibt, der dir nicht völlig unmöglich erscheint. Sie sollte authentisch, realistisch, konkret und präzise formuliert sein. Mehr Tipps, wie du solche Sätze für dich formulieren und anwenden kannst, damit sie dir wirklich helfen, findest du in unserem Blogartikel zu positiven Affirmationen.
Beispiele für hilfreiche Affirmationen können sein:
- Ich bin auf dem Weg, mich selbst zu akzeptieren und zu lieben.
- Ich erlaube mir, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen.
- Ich bin stolz auf meine Erfolge.
Solche positiven Botschaften an dich selbst gilt es nun im Alltag zu integrieren. Sie fühlen sich vielleicht erst etwas künstlich an, wenn du sie in deinen Gedanken oder auch laut zu dir sagst. Schließlich sind dir deine negativen Gedanken viel vertrauter, denn du hast sie dir oft genug gesagt. Wichtig ist: Weder deine negativen Gedanken, noch die positiven Affirmationen sind zu 100 Prozent wahr. Es geht bei den positiven Affirmationen auch nicht darum, einen gut klingenden Kalenderspruch als Wahrheit anzunehmen. Vielmehr sollen sie dir dabei helfen, ein Gegengewicht zu deinen negativen Glaubenssätzen zu schaffen, sodass du dich irgendwo in der Mitte einpendeln kannst.
Wenn du zum Beispiel wieder negative Sätze in deinen Gedanken ertappst, wie: „Ich bin nicht gut genug“, dann kannst du diese bewusst wahrnehmen und ihnen dann deine persönliche positive Affirmation entgegensetzen. So kann es dir gelingen, deinen Selbstwert aufzubauen und Minderwertigkeitskomplexe zu überwinden.
Die rosarote Brille
Kennst du das Gefühl, wenn du frisch verliebt bist? Wenn du an deiner auserwählten Person einfach alles wunderbar findest? Sogar die kleinen Makel und Fehler einfach feierst? Das nennen wir ja auch die rosarote Brille. Vielleicht kannst du dich auch frisch verlieben – in dich selbst. Sag ja zur Selbstliebe. Versuche, auch deine Ecken und Kanten schätzen zu lernen, denn sie machen dich schließlich zu diesem einzigartigen Menschen. Du bist toll, genauso wie du bist! Und keine Sorge – davon müssen wir uns alle jeden Tag ein kleines bisschen selbst überzeugen und das ist okay.
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