Was ist Narzissmus?
In der Psychologie gilt Narzissmus als Persönlichkeitsmerkmal, das bei den meisten Menschen im unauffälligen Bereich ausgeprägt ist – Extreme sind eher selten. Typischerweise lässt sich Narzissmus vor allem an vier Merkmalen erkennen:
- Selbstüberschätzung
- Überempfindlichkeit gegenüber Kritik
- Suche nach Bewunderung
- dominantes Verhalten gegenüber anderen
Bei Narzissmus denken die meisten vor allem an Männern. Aber auch Frauen können narzisstische Züge aufweisen, zeigen diese jedoch oft anders. So halten sich Narzisstinnen in ihrer Abwertung anderer eher zurück und behalten ihre Überlegenheitsgefühle für sich.
Dabei sind mit narzisstischen Persönlichkeitszügen durchaus auch gute Seiten verbunden. Dazu gehören Leistungsfähigkeit, ein gutes Organisationstalent und Durchhaltevermögen sowie Führungsstärke und Charisma. Zur Belastung wird Narzissmus vor allem dann, wenn er sehr stark ausgeprägt ist und eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung
Bei einer Persönlichkeitsstörung weichen Menschen insgesamt deutlich von dem ab, was in einer Gesellschaft erwartet und akzeptiert wird. Und zwar im Bereich ihrer Gedanken, ihrer Gefühle, ihrem Verhalten und in der Art des Umgangs mit anderen Menschen. Daraus entsteht ein persönlicher Leidensdruck oder Belastungen für das soziale Umfeld.
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zeigen dabei ein Größengefühl auf die eigene Wichtigkeit und Leistung, das heißt sie übertreiben ihre Fähigkeiten und glauben, „besonders”, großartig und einzigartig zu sein. Dabei erwarten sie auch von anderen übermäßige Bewunderung und haben den Anspruch, entsprechend vorteilig behandelt zu werden. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung geht zudem mit einem Mangel an Empathie, einer Ablehnung der Bedürfnisse und Gefühle anderer sowie häufig auch mit Neid einher. Somit werden narzisstische Menschen oft als arrogant, manipulativ und ausbeuterisch wahrgenommen.
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu erkennen, ist von außen nicht immer so eindeutig. So zeigen manche ihre Überheblichkeit nicht offen, sondern lassen ihr Gegenüber erst nach längerer Bekanntschaft spüren, was sie von ihnen halten.
Ursachen von Narzissmus
Je schwerer der Narzissmus ausgeprägt ist, desto tiefer die dahinter liegende Verletzlichkeit und desto unsicherer und ängstlicher der Selbstwert. Dann dient die narzisstisch übersteigerte Selbstdarstellung vor allem dazu, den eigenen Selbstzweifel zu verstecken und anderen Menschen nicht zu zeigen, wie man „eigentlich” ist. Bewusst ist das den meisten Narzissten aber nicht.
Expertinnen und Experten wie der Psychologe Rainer Sachse sehen die Ursache dafür vor allem in der Kindheit. So möchten wir alle anerkannt und wahrgenommen werden. Sachse geht jedoch davon aus, dass Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung schon früh Ablehnung und kaum Anerkennung erfahren haben. Der narzisstisch überhöhte Selbstwert entwickelt sich dann als eine Art Selbstschutz – der ständige Wunsch nach Anerkennung aber bleibt.
Die Entwicklung von Narzissmus hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. So zeigen Zwillingsstudien beispielsweise, dass auch die Gene einen entscheidenden Einfluss bei der Entstehung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung spielen.
Beziehungen zu Narzissten
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung kreisen meist um sich selbst, sind schnell kränkbar und wenig empathisch. Eine Beziehung mit ihnen zu führen, erscheint unter diesen Umständen kaum möglich. Dabei zeigt sich, dass vor allem selbstunsichere Menschen genau das oft tun. Das kann zum einen daran liegen, dass sie sich dem narzisstischen Gegenüber eher unterwerfen, zum anderen auch an deren übersteigertem Selbstbewusstsein und dem entsprechenden Auftreten. Das alles kann Menschen mit einem niedrigen Selbstwert nicht nur beeindrucken, sondern ihnen auch ein kurzfristig gutes Gefühl geben („Dass so jemand mich toll findet!”).
Hinter der Fassade sind solche Partnerschaften jedoch oft von Konflikten, Demütigungen und somit auch Gewalt in der Beziehung geprägt. Dabei ist klar, dass sich stark ausgeprägter Narzissmus nicht ändern lässt. Die Frage ist also, wie man mit einem narzisstischen Gegenüber umgehen und vielleicht auch erfüllte Partnerschaften führen kann.
Mit Narzissten umgehen
Im Umgang mit narzisstischen Menschen ist eine kompromissbereite, behutsame, aber auch klare und selbstbewusste Haltung wichtig. Dabei kann es hilfreich sein, sich vor Augen zu führen, wonach die narzisstische Persönlichkeit in sehr ausgeprägter Form sucht: Anerkennung und Wertschätzung. Das zu geben, ohne dass der Narzisst sich dafür groß und wichtig machen muss, kann viel Druck nehmen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man bestimmte Leistungen in ruhigen Momenten lobt oder ein Kompliment macht. Auf diese Weise kann man zusätzlich den narzisstischen Manipulationsversuchen aus dem Weg gehen.
Zudem reagieren Menschen mit Narzissmus meist überempfindlich auf Kritik – Sachse spricht von „hyperallergischen Reaktionen”. Hier kann es helfen, Kritik möglichst vorsichtig, klar und in Ich-Botschaften zu verpacken. Also losgelöst von der Person und eher bezogen auf den konkreten Auslöser („Ich bin traurig, wenn du mich gestern so behandelt hast.”).
Auf das eigene Selbst achten und Hilfe suchen
Für eine funktionierende Partnerschaft kann darüber hinaus psychotherapeutische Hilfe sinnvoll sein. Nicht nur gemeinsam im Rahmen einer Paartherapie, sondern auch jede Seite für sich. Belastete Partner:innen narzisstischer Menschen können beispielsweise darin unterstützt werden, ihr narzisstisches Gegenüber zu verstehen, aber auch auf die persönlichen Bedürfnisse zu achten.
Das Achten auf die eigenen Grenzen ist in Beziehungen mit narzisstischen Menschen entscheidend. Das kann bedeuten, feste Zeiten zur Selbstfürsorge einzuplanen, in denen es nur um das eigene Selbst geht oder auch auf Abstand zu gehen, wenn es „zu viel” wird. Auch Trennungen sind – so schwer sie sein mögen – eine Möglichkeit, sich selbst zu schützen.
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