Was steckt hinter den Schmerzen beim Einführen?
Vielleicht hast du dich aufgrund der Beschwerden schon oft gefragt: Was ist das bloß? Geht das nur mir so? Gibt es eine körperliche Ursache oder kann es psychisch sein? Tatsächlich gibt es einen Begriff aus der Medizin, der zu diesem Phänomen passt – GPSPS. Vermutlich hast du das Wort noch nie gehört und kannst im ersten Moment wenig damit anfangen, aber im Grunde versteht man darunter anhaltende oder wiederkehrende Schwierigkeiten beim vaginalen Einführen.
Bei der Genito-Pelvinen Schmerz-Penetrationsstörung (GPSPS) handelt es sich um eine Zusammenführung zwei verschiedener Diagnosen im Bereich der weiblichen sexuellen Funktionsstörungen. Die neue Diagnose beinhaltet sowohl Symptome einer Schmerz- als auch Penetrationsstörung. Sie umfasst damit den bekannteren Begriff Vaginismus (Verkrampfung der Vaginalmuskulatur und damit verbundene Schmerzen beim Einführen) und Dyspareunie (Schmerzen beim Einführen).
Übrigens kommt das Wort Penetration vom lateinischen Wort „penetrare” und bedeutet „eindringen”. Das Wort kann auch in anderen Zusammenhängen benutzt werden, in Bezug auf Geschlechtsverkehr meint es das Eindringen in Körperöffnungen.
Mögliche Ursachen für Schmerzen beim Einführen
Häufig ist es kein einzelnes Ereignis, sondern ein Geflecht unterschiedlicher Erfahrungen, die Schmerzen beim Einführen verursachen können. Vielleicht fühlt sich einer der folgenden Punkte für dich stimmig an:
- Erfahrungen in der Kindheit
Die Erziehung kann einen Einfluss auf unsere Sexualität haben, zum Beispiel wenn Sexualität mit Schuld- oder Schamgefühlen besetzt wurden. Schwerwiegende Kindheitserfahrungen, wie sexueller Missbrauch, führen besonders häufig zu Problemen mit Sexualität und Intimität. - Leistungsdruck und Erwartungen
Das soziale Umfeld kann eine unrealistische Vorstellung von Sex und Sexualität vermitteln. Dadurch kann es zu Leistungsdruck und bestimmten Erwartungen kommen, wie Sex „ablaufen” und sich anfühlen muss. - Negatives Körperbild und geringer Selbstwert
Vielen Frauen fällt es beim Sex schwer, den eigenen Körper zu akzeptieren, sich einer anderen Person zu zeigen und sich beim Sex zu entspannen. Es besteht die Sorge, den gesellschaftlichen Erwartungen vermeintlich nicht zu entsprechen, die zum Beispiel durch Social Media vermittelt werden und verzerrt sind. In unserem Blog kannst du noch mehr darüber lesen, wie ein geringes Selbstwertgefühl und Sexualität zusammenhängen. - Angst vor Schmerzen und schmerzhafte Erfahrungen
Schmerzhafte sexuelle Erfahrungen, gynäkologische Untersuchungen, eine schmerzhafte Geburt oder Schmerzen beim Einführen eines Tampons können dazu geführt haben, dass Empfindungen beim Einführen nicht als positiv wahrgenommen werden können.
- Partnerschaftliche Probleme
Mangelnde Kommunikation, zu wenig gemeinsame Zeit oder geringes Vertrauen in der Partnerschaft können dazu führen, dass sich Frauen beim Sex nicht richtig entspannen können oder sich unwohl fühlen.
Schmerzen beim Einführen – was tun?
Es kann eine wichtige Erkenntnis sein, sich über die Ursachen klar zu sein, die den Schmerzen beim Einführen zugrunde liegen. Letztendlich ist das aber nicht entscheidend, um den Beschwerden entgegenzuwirken.
Um Schmerzen beim Einführen zu behandeln, ist es nämlich vor allem wichtig, neue Erfahrungen zu machen und Situationen, die schmerzhaft sein könnten, nicht aus dem Weg zu gehen.
Das kostet viel Überwindung, denn es ist eine ganz natürliche Reaktion, unerwünschte Gefühle wie Angst, Frustration oder eben körperliche Schmerzen vermeiden zu wollen. Leider führt das aber auch dazu, dass wir keine neuen Erfahrungen mit diesen Situationen machen können, die angenehme Gefühle auslösen. In Bezug auf sexuelle Beschwerden bedeutet das: Sex und körperliche Intimitäten können so auch nicht zu schönen Erlebnissen werden. Dadurch bleibt die Angst vor Sex bestehen.
Raus aus der Vermeidungsfalle
Wenn du Schmerzen beim Einführen erlebst, ist es wichtig, dass du dich trotzdem in Situationen begibst, in denen diese auftreten könnten. Das soll keinesfalls nach dem Motto: „Augen zu und durch” passieren und indem du den Schmerz über dich ergehen lässt. In der Behandlung der Genito-Pelvinen Schmerz-Penetrationsstörung geht es um ein schrittweises Vorgehen in deinem eigenen Tempo. Vielleicht können dir die folgenden Schritte als erste Anleitung dienen:
1Finde einen hilfreichen Gedanken
Schmerzen sind zwar ein körperliches Phänomen, haben aber auch mit unseren Gedanken zu tun. Es ist ein Unterschied, wenn dir jemand vor einer ärztlichen Untersuchung sagt: „Das wird jetzt ganz doll wehtun” oder: „Jetzt kann es kurz pieksen.”
Häufig erwarten wir den Schmerz bereits in unseren Gedanken und machen ihn damit noch schmerzhafter.
Du kannst daher versuchen, einen Gedanken zu finden, der dem Einführen die „schlimme Befürchtung” nimmt. Ganz wichtig ist, dass dieser Gedanke für dich realistisch sein muss. Statt: „Ich werde keine Schmerzen haben”, kannst du Gedanken wie: „Ich möchte mich neuen Erfahrungen öffnen” oder: „Schritt für Schritt” wählen. Diesen Gedanken musst du nicht krampfhaft festhalten, aber du darfst ihn bewusst einsetzen, wenn sich Sorgen und Ängste breitmachen.
2Entspannung des Beckenbodens
Der Beckenboden ist für die An- und Entspannung des Vaginalbereichs zuständig und spielt deshalb bei Schmerzen beim Eindringen eines Penis oder Dildos eine bedeutende Rolle. Kennst du deinen Beckenboden schon?
Pipi-Stopp-Übung
Stelle dir vor, du musst Wasserlassen und du hältst den Harndrang zurück, indem du die Vulvalippen nach innen ziehst. So kannst du deinen Beckenboden spüren und auch aktivieren. Dein Unterleib fühlt sich dabei etwas fester an. Versuche, die Beckenbodenmuskulatur dann wieder zu entspannen, als wenn du den Harnstrahl wieder freigibst.
Indem du beim Einführen den Beckenboden bewusst entspannst, kannst du dem Gefühl der Verkrampfung entgegenwirken und den Schmerz verändern. Um das gut kontrollieren zu können, solltest du die An- und Entspannung des Beckenbodens am besten täglich für einige Minuten üben.
💡 Wissenswert: Vermutlich kennst du die Vulvalippen bisher unter dem Begriff Schamlippen. Da dieses weibliche Körperteil jedoch nichts mit Scham und schämen zu tun hat, gibt es viele Expert:innen, die sich für eine Begriffsänderung hinzu Vulvalippen oder Geschlechtslippen einsetzen.
3Einführungsübungen
Um nicht länger zu vermeiden, musst du nicht sofort Geschlechtsverkehr haben. Du kannst damit beginnen, deinen eigenen Finger einzuführen. Du kannst dafür Gleitgel verwenden, um das Einführen zu erleichtern.
Tipp: Das Einführen von Tampons kann schwerfallen, da Tampons eine trockene und noch dazu Feuchtigkeit absorbierende Oberfläche haben. Du kannst auf die Spitze des Tampons Gleitgel auftragen, um ihn besser einführen zu können.
Wenn es mit einem Finger klappt, gehe zu zwei Fingern über. Du kannst dir auch ein sogenanntes Dilatorenset kaufen, das Dildos unterschiedlicher Größen enthält. Mit ihnen kannst du üben, bevor du gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin einführst. Auch hier muss es nicht gleich um den Penis oder einen größeren Dildo gehen, sondern ihr könnt gemeinsam einen Finger oder kleineren Dilator einführen.
4Lust leben
Einführen oder nicht einführen – ist das die einzige Frage? Bei sexuellen Erfahrungen geht es um viel mehr als Penetration. Nimm dir Zeit für dich, um deinen Körper zu entdecken. Finde heraus, was dir gefällt und habe den Mut auch mit deinem Partner oder deiner Partnerin darüber zu sprechen. Eine wichtige Rolle kann dabei die Klitoris spielen. Der sichtbare Teil der Klitoris liegt dort, wo sich die beiden inneren Vulvalippen treffen.
💡 Wissenswert: Wusstest du, dass die ganze Klitoris etwa 10 Zentimeter lang ist? Die Klitorisschenkel reichen tief ins Becken. Die beiden zwiebelförmigen Schwellkörper schmiegen sich teilweise an die Vorderwand der Vagina und umschließen den Scheidenvorhof elastisch. Daher kann auch bei vaginalem Sex eine klitorale Stimulierung durch den Druck des Penis erfolgen. Kommt es dabei zum Orgasmus, wird das von vielen Menschen als „vaginaler” Orgasmus bezeichnet – eigentlich ist aber auch das ein klitoraler Orgasmus.
Du willst mehr Unterstützung?
-
Hinweis zu inklusiver Sprache
Unser Ziel bei HelloBetter ist es, alle Menschen einzubeziehen und allen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in unseren Inhalten wiederzufinden. Darum legen wir großen Wert auf eine inklusive Sprache. Wir nutzen weibliche, männliche und neutrale Formen und Formulierungen. Um eine möglichst bunte Vielfalt abzubilden, versuchen wir außerdem, in unserer Bildsprache eine große Diversität von Menschen zu zeigen.
Damit Interessierte unsere Artikel möglichst leicht über die Internetsuche finden können, verzichten wir aus technischen Gründen derzeit noch auf die Nutzung von Satzzeichen einer geschlechtersensiblen Sprache – wie z. B. den Genderdoppelpunkt oder das Gendersternchen.