10. Oktober 2023

Kein Ende der Krisenstimmung in Sicht:
Fast jede:r zweite Deutsche hat mehr Sorgen als noch vor einem Jahr

Berlin, 10. Oktober 2023 – Eine repräsentative Studie der Online-Therapieplattform HelloBetter zeigt, welche Auswirkungen die Ereignisse der letzten Monate – Pandemie, Wirtschaftskrise und der Schock über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine – auf die Psyche der Menschen in Deutschland haben: Die Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos durchgeführt wurde, ergab, dass fast die Hälfte der Deutschen (43%) angibt, viel bzw. etwas besorgter zu sein als noch vor zwölf Monaten. Ganz vorne bei den Sorgen der Deutschen sind die Inflation und steigende Preise (58%), die politische Lage im In- und Ausland und die Sorge um die eigenen Kinder (jeweils 44%), sowie die Furcht vor einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft (43%) – hier gaben die Befragten an, „sehr“ bzw. „extrem“ besorgt oder beängstigt zu sein. Die Befragten äußerten auch Bedenken hinsichtlich der drohenden Klimakrise, Naturkatastrophen und einer drohenden Altersarmut (jeweils 41%). Die Studie hat zudem untersucht, wie sich diese Sorgen auf verschiedene Lebensbereiche auswirken. Besonders alarmierend: Generationenübergreifend gibt fast jede:r fünfte Deutsche an, dass sich die eigenen Sorgen auf ihre Kinder auswirken (19%). Bei 18% wirke sich die psychische Belastung auf ihre Freizeitaktivitäten aus und bei 15% auf die Arbeitsleistung.

Fast jede:r Dritte fühlt sich erschöpft, Gen Z ist am stärksten belastet

Die Studie hat auch untersucht, wie sich die Sorgen der Deutschen auf ihre psychische und körperliche Gesundheit auswirken. Demnach fühlen sich über alle Generationen hinweg 27% der Befragten erschöpft und energielos, 26% klagen über vermehrtes Grübeln und Gedankenkreisen und 23% fühlen sich antriebslos und unmotiviert. Auffällig ist, dass die Generation der 16- bis 28-jährigen (die sogenannte “Gen Z”) eine deutlich höhere Belastung aufweist: In dieser Gruppe klagen gleich 40% der Befragten über Erschöpfung und Energielosigkeit, 39% geben vermehrtes Grübeln und Gedankenkreisen an und 35% fühlen sich antriebslos und unmotiviert. Den Angaben der 59- bis 75-Jährigen zufolge geht es diesen psychisch und physisch besser: Nur 13% fühlen sich erschöpft und lediglich 12% der Befragten erleben vermehrtes Grübeln.

Schlaflos durch die Nacht: Jede:r dritte Deutsche liegt nachts wach

32% der befragten Deutschen sind sehr bzw. eher unzufrieden mit ihrem Schlaf. Viele davon liegen nachts wach und können nicht wieder einschlafen (30%). Als Gründe werden vor allem Grübeln (38%), finanzielle Sorgen (19%) und beruflicher Stress (16%) angegeben.
Eine Verbesserung ihrer Schlafqualität versuchen die Befragten vor allem durch ein angenehmes Raumklima zu erreichen: 27% sorgen für ein kühles, dunkles und ruhiges Schlafzimmer. 21% kümmern sich bereits tagsüber aktiv mit viel Bewegung um eine gute Schlafqualität. 16% versuchen dies mit festen Ritualen vor dem Schlafen gehen zu erreichen.

Schlechte Bezahlung, hohe Ansprüche an sich selbst und Mehrbelastung durch Fachkräftemangel sorgen für Stress

Gefragt nach Sorgen und Ängsten bei der Arbeit fühlt sich über alle Generationen hinweg fast jede:r Dritte aufgrund zu geringer Bezahlung extrem bzw. sehr unter Druck (29%), 23% sind aufgrund der hohen Ansprüche an sich selbst gestresst, ebenfalls 23% klagen über Fachkräftemangel im Team sowie die Arbeitsmenge. Im Vergleich ist der Leidensdruck der jungen Generationen deutlich stärker: Die Befragten der Gen Z erlebten besonders häufig Sorgen an zu geringer Bezahlung (45%), den eigenen Ansprüchen (37%) und den persönlichen Auswirkungen des Fachkräftemangels in Form von mehr Stress und Druck (34%). Das könnte das Risiko steigern, aufgrund ihrer Arbeit psychisch zu erkranken: 47% kennen die Angst, in Zukunft davon betroffen zu sein – über alle Generationen hinweg sind es nur 35%.

Mental Load: Besonders Mütter fühlen sich überlastet

Mehr als jede:r vierte Deutsche (27%) klagt über hohen bis sehr hohen Mental Load. Damit sind die unsichtbaren Anstrengungen gemeint, die es braucht, um das eigene Leben, die eigene Familie, den Haushalt, Berufliches und Privates zu koordinieren und zu bewerkstelligen. Insbesondere Mütter sind davon betroffen: 32% schätzen im Vergleich zu 23% der befragten Vätern ihren Mental Load als hoch bzw. sehr hoch ein. Die Zahlen der Studie deuten außerdem darauf hin, dass Care-Arbeit, also zum Beispiel die Versorgung der Kinder, in vielen Beziehungen noch immer ungleich verteilt ist und eher bei den Frauen liegt. So geben 21% der Mütter im Vergleich zu 14% der Väter an, dass die Kindererziehung einen Teil ihres Mental Loads verursacht. Noch deutlicher sind diese Unterschiede im Bereich der Hausarbeit. 31% der Mütter im Vergleich zu 16% der Väter fühlen sich von den in diesem Bereich anfallenden Aufgaben extrem bzw. sehr gestresst.

Der Kopf ist voll, die Gründe für Mental Load sind vielseitig; jeder Fünfte ist offen für psychologische Unterstützung

Insgesamt zeigt die Studie, dass vor allem hohe Ansprüche an sich selbst die Deutschen extrem bzw. sehr belasten: Über Generationen und Lebensumstände hinweg wird das mit 27% am häufigsten als Grund für Mental Load angegeben, gefolgt von der Organisation finanzieller Angelegenheiten (26%), der Organisation des Haushalts sowie dem Arbeitsumfang (beides 22%).
Gefragt nach einer möglichen Entlastung, um den Mental Load zu reduzieren, liegt die Vier-Tage-Woche bei 29% der Deutschen ganz vorn. Fast jede:r fünfte Deutsche (17%) gab an, dass psychotherapeutische Unterstützung dabei helfen könnte, mit dem hohen Mental Load umzugehen.

Social Media stresst die Gen Z: Selbstzweifel, FOMO und Mobbing sind stark verbreitet

Die repräsentative Befragung bei 2000 Menschen im Auftrag von HelloBetter zeigt außerdem, wie sehr bzw. extrem belastend die Nutzung von Social Media vor allem für junge Menschen sein kann. Unter den 16- bis 28-jährigen (Gen Z) sind Selbstzweifel aufgrund des Vergleichs mit Anderen bei der Nutzung von Social Media im Vergleich zu den Durchschnittswerten für alle Generationen mehr als doppelt so hoch: 33% zu 15%. Ähnlich hoch liegen die Werte bei der Angst, etwas zu verpassen (“FOMO”, “Fear of Missing out”): 27% zu 13% und bei der Belastung aufgrund von Cybermobbing: 21% zu 12%.

Trost in der Not: Jede:r Dritte wendet sich an ihre:n Partner:in oder an gute Freunde und findet Kraft in der Natur und in der Musik

Ihre Ängste und Sorgen vertrauen die Deutschen am häufigsten (36%) ihrem Partner oder ihrer Partnerin an. Danach folgen gute Freunde (33%). Fast jede:r Dritte (32%) gibt ebenfalls an, die eigenen Probleme mit sich selbst auszumachen. Zuversicht finden die Deutschen vor allem dabei, in der Natur zu sein (z.B. Spaziergänge im Wald) (37%) und beim Hören von Musik (32%).

Jede:r Dritte Deutsche kann sich vorstellen eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) bei psychischen Belastungen zu nutzen

Seit 2019 das Digitale-Versorgung-Gesetz in Kraft getreten ist, können Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen kostenfrei digitale Gesundheitsanwendungen auf Rezept verordnen (DiGA). Dazu zählen unter anderem psychologische Online-Therapieprogramme, die z. B. bei Panikstörungen, Schlafstörungen sowie Stress und Burnout eingesetzt werden können. Im Gegensatz zur klassischen Face-to-face-Therapie entfällt die Wartezeit und Betroffene können direkt und flexibel zu Hause beginnen. Insbesondere die Gen Y ist für diese Art der Behandlung sehr aufgeschlossen: 44% der 29- bis 43-jährigen können sich auf jeden Fall bzw. eher vorstellen, mit Hilfe einer DiGA ihre psychischen Belastungen zu reduzieren. Generationsübergreifend sind es 33%.

Dr. Hanne Horvath, Psychologin und Mitgründerin von HelloBetter ordnet die Ergebnisse der Studie ein: „Es ist klar, dass wir noch viel mehr Aufmerksamkeit für das Thema psychische Gesundheit brauchen. Ich denke, die junge Generation macht hier vor, wie es geht. Sie scheint sich ihrer Ängste und Sorgen sehr bewusst zu sein und versteht, dass sich diese auf alle Lebensbereiche auswirken können. Gleichzeitig sind sie sehr aufgeschlossen, neue Wege zu gehen und sich mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) psychologisch unterstützen zu lassen.“

Zur Umfrage: Ipsos hat für HelloBetter zwischen dem 21.09.23 und 26.09.23 n=2.000 repräsentativ ausgewählte Personen im Alter von 16 bis 75 Jahren in Deutschland online befragt.