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Effekte kognitiv-verhaltens­therapeutischer Online-Kurse in der Routineversorgung

In einer umfangreichen systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse haben wir die Akzeptanz und Wirksamkeit verschiedener begleiteter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Kurse zur Behandlung depressiver und angstbezogener Symptome in unterschiedlichen Kontexten der Routineversorgung untersucht. Dabei weisen die im Journal of Medical Internet Research veröffentlichten Ergebnisse auf deren kontext- und interventionsübergreifende Wirksamkeit und Akzeptanz hin. Somit gibt unsere Studie deutliche Hinweise darauf, dass begleitete kognitiv-verhaltenstherapeutische Online-Kurse zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen können.

Zahlreiche Studien konnten bereits zeigen, dass begleitete kognitiv-verhaltenstherapeutische Online-Kurse in der Prävention und Behandlung von Depressionen und Angststörungen bei Erwachsenen unter kontrollierten Bedingungen wirksam sein können. Die mittleren, auf Basis meta-analytischer Befunde beruhenden Effekte sind dabei ähnlich groß, wie die der traditionellen Face-to-Face-Psychotherapie. Randomisiert-kontrollierte Studien stellen den Goldstandard für die Erforschung der Wirksamkeit von Online-Kursen dar. Darüber hinaus bewerten wir es als wichtig, herauszufinden, ob sich diese auch unter natürlichen Bedingungen bewähren, da tatsächliche klinische Praxis durch Faktoren beeinflusst werden kann, die in kontrollierten Forschungsumgebungen nicht vorkommen. 

Unser Vorgehen

Ausgehend von den oben genannten Befunden, waren wir an der Erforschung der Wirksamkeit und Akzeptanz begleiteter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Kurse unter den natürlichen Bedingungen der Routineversorgung interessiert. So existieren hierzu bislang nur wenige wissenschaftliche Belege, auch wenn mittlerweile zahlreiche Therapiekurse zur Nutzung bereitstehen. 

In unserer Studie sammelten wir Informationen aus Originalstudien über Symptomveränderungen, Akzeptanz (Inanspruchnahme der Dienstleistung, Informationen über die Teilnehmenden wie deren Alter und Geschlecht, Adhärenz und Zufriedenheit) sowie negative Effekte (Symptomverschlechterung, Nebenwirkungen) der jeweils mit Begleitung durchgeführten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Online-Kurse. Dabei konzentrierten wir uns auf die Veränderung der depressiven und angstbezogenen Symptomschwere zwischen Kursbeginn und -ende.

In der Metaanalyse berücksichtigte Einzelstudien 

Wir haben die internationale Fachliteratur nach Studien durchsucht, die über die Wirksamkeit begleiteter und verzahnter („blended”) kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Kurse bei Erwachsenen berichteten, die wegen Angst und Depressionen behandelt wurden. Und zwar in einem Umfeld, das der Routinepraxis entspricht oder für diese repräsentativ ist. Studien, die über im Forschungskontext gewonnene Ergebnisse berichteten, wurden nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie randomisiert-kontrollierte Studien oder Pilot-Implementierungsprojekte.

Von mehr als 25.000 durchsuchten Studien identifizierten wir 19, die unsere Kriterien erfüllten. Diese Studien berichteten über insgesamt 30 in die Routineversorgung eingebundene begleitete kognitiv-verhaltenstherapeutische Online-Kurse in neun verschiedenen Ländern. Von diesen 30 Angeboten konzentrierten sich 8 auf Depressionen, 17 auf Angststörungen und 5 sowohl auf Depressionen als auch auf Angst. Alle internetbasierten Depressions- und die meisten Angstprogramme ließen Nutzende mit schweren Symptomen zur Kursteilnahme zu. 40% der Angebote schlossen ausschließlich Nutzende mit einer klinisch diagnostizierten psychischen Erkrankung ein. 73% der Angebote formulierten Suizidalität als klares Ausschlusskriterium. Wir konnten keine Publikationen zu verzahnten Angeboten in der Routineversorgung in die Übersichtsarbeit einschließen. 

Wir fassten die Berichte von 19 Einzelstudien und mehr als 12.000 Teilnehmenden zusammen, um eine gemeinsame Schätzung der Wirksamkeit und Akzeptanz begleiteter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Kurse unter natürlichen Bedingungen der Routineversorgung über individuelle Interventionen und Settings hinweg abzuleiten.

Merkmale der in der Routineversorgung eingesetzten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Online-Kurse

Im Durchschnitt umfassten die Online-Kurse acht Kurseinheiten. Während alle Studien ein inhaltsspezifisches Feedback zum Fortschritt des Nutzers durch die Behandlung lieferten, enthielten die Hälfte von ihnen eine Anleitung, die sich zusätzlich auf motivierende Aspekte konzentrierte. Bei mehr als zwei Drittel der Angebote verlief die Kommunikation zwischen Coaches und Teilnehmenden asynchron, andere boten synchrone telefonische oder persönliche Beratungen an. Im Durchschnitt erhielten die Teilnehmenden 134 Minuten Beratungszeit. Innerhalb der meisten Angebote wurden die Coaches in kognitiver Verhaltenstherapie sowie speziell für die Begleitung von Online-Kursen geschult.

Die Hälfte der Online-Kurse berichtete über spezifische Maßnahmen in Bezug auf Suizidalität oder Symptomverschlechterung. Zu den Verfahren, die bei Suizidalität, Inaktivität oder mangelndem Fortschritt sowie Symptomverschlechterung eingesetzt wurden, gehörten Möglichkeiten zur Risikominderung durch telefonische Kontaktaufnahme, strukturierte Risikobewertungen, Erstellen eines Notfallplans oder der Verweis auf externe Unterstützungsangebote.

Akzeptanz und Benutzermerkmale 

65% der Teilnehmenden waren weiblich, das Durchschnittsalter betrug 38 Jahre. Über alle Online-Kurse und Teilnehmenden hinweg betrug der durchschnittliche Prozentsatz der abgeschlossenen Sitzungen 61%. Etwa zwei Drittel der Nutzenden beendeten alle Kurskomponenten wie vorgesehen. Etwa zwei Drittel der ursprünglichen Studien berichteten über die Zufriedenheit der Teilnehmenden. Davon gab wiederum die Hälfte konkrete Zufriedenheitswerte an, welche im Durchschnitt hoch bis sehr hoch ausfielen. 

Auswirkungen auf Symptomveränderung 

Depression 

Innerhalb der Depressionsstudien berichtete eine über mäßige, alle anderen Studien über große individuelle Effekte (Effektstärke Hedges’ g) bezüglich der Symptomreduktion. Die gepoolten Daten weisen auf einen großen Effekt hin. Da die angebotenen Online-Kurse jedoch so unterschiedlich sind, könnte die Schätzung des gemeinsamen Effekts verzerrt sein. Daher berechneten wir das konservativere Vorhersageintervall, wobei die konservativste Schätzung des wahren Effekts immer noch einen mittleren bis großen Effekt anzeigt. 

Darüber hinaus könnten Ergebnisse dadurch verzerrt sein, dass Prä-Post-Evaluierungen einen Effekt aufgrund der Korrelation der aufeinanderfolgenden Zeitpunkte statistisch überschätzen. Daher führten wir verschiedene Analysen mit unterschiedlich starken Korrelationen durch und dennoch bleibt der Effekt mindestens moderat bis groß. 

Angststörungen

Innerhalb der Studien der angstspezifischen Online-Kurse berichtete eine Studie über eine kleine, sechs über eine mittlere und 13 über eine große Wirkung. Die gepoolten Daten deuten auf einen großen Effekt hin. Auch hier berechneten wir das Vorhersageintervall für die kombinierten Effekte, das einen kleinen Effekt als konservativste Indikation für die Wirksamkeit anzeigt. Die Durchführung von Analysen mit unterschiedlichen Korrelationen zwischen den Messzeitpunkten führte zu mäßigen bis großen Effekten. 

Mögliche negative Effekte kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Kurse 

Weniger als die Hälfte der berücksichtigten Studien schloss Berichte über Verschlechterungsraten mit ein, also über Teilnehmende mit einem höheren Symptomschweregrad nach Kursende als zu Beginn. In den Einzelstudien, die diese Informationen enthalten, erlebten wiederum durchschnittlich 2,9% der Nutzenden eine Symptomverschlechterung. In keiner dieser Studien über andere mögliche negative Effekte oder Prädiktoren einer Symptomverschlechterung berichtet. Aus der vorliegenden Literatur können daher keine eindeutigen Schlussfolgerungen über negative Wirkungen abgeleitet werden und es Bedarf dringend weiterer Forschung. 

Schlussfolgerung

Unsere Studie liefert weitere Belege für die Akzeptanz und Wirksamkeit begleiteter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Online-Kurse zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen in der Routineversorgung. Danach können begleitete Online-Kurse eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung und Behandlung hilfsbedürftiger Menschen spielen. 

Einordnung der Studie in den deutschen Versorgungskontext

In der vorliegenden Studie wurden ausschließlich begleitete Online-Kurse betrachtet, auf deren Wirksamkeit die identifizierten Effekte schließen lassen. Eine kürzlich erschienene Studie zeigt zwar die höhere Effektivität begleiteter Online-Kurse insbesondere zur Behandlung von mittelgradigen oder schweren Depressionen im Vergleich zu unbegleiteten Online-Kursen. Gleichzeitig zeigten sich jedoch auch vielversprechende Effekte bei unbegleiteten Online-Kursen. Das lässt darauf schließen, dass ein gezielter Einsatz zu sowohl begleiteter als auch unbegleiteter Online-Kurse – basierend auf Faktoren wie beispielsweise der Symptomschwere – einen großen Mehrwert haben kann. 

Im internationalen Vergleich, den unsere Studie ermöglicht, erzielen begleitete Online-Depressionsprogramme ebenso einen sehr guten Effekt innerhalb der deutschen Routineversorgung. 

HelloBetter bietet begleitete Online-Kurse, wie zum Beispiel HelloBetter Depression, sowie unbegleitete Online-Kurse an. Auch unsere unbegleiteten Kurse schließen jedoch die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme ein. Denn wir legen in all unseren Angeboten großen Wert auf die Sicherheit unserer Klient:innen. 

Ein herzliches Dankeschön auch an unsere Kolleginnen und Kollegen an der Friedrich Alexander Universität Erlangen Nürnberg, der Vrijen Universiteit Amsterdam, der Harvard Medical School, der Universität Ulm und der Macquarie University in Sydney.

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