Wie kommt es zu diesem Selbsthass? Wie äußert er sich und wie können wir uns von unseren eigenen negativen Bewertungen befreien?
Was ist Selbsthass?
Abneigung gegen jemanden oder etwas zu empfinden, ist eine normale Reaktion. Sie bringt uns unter anderem dazu, uns den Dingen oder Menschen zuzuwenden, die uns gut tun. Aber worin äußert es sich eigentlich, dass wir jemanden oder etwas nicht leiden können?
Wir hegen zum Beispiel abwertende Gedanken gegen diese Person oder Sache und haben dabei ein ungutes, ärgerliches Gefühl. Außerdem sprechen wir vielleicht sogar geringschätzig oder sehr kritisch über etwas oder jemanden.
Ebenso ist es bei Selbsthass: Unsere Gedanken, Gefühle und unsere Worte richten sich in extremer Weise gegen uns selbst und der positive Gegenpol fehlt entweder komplett oder kann nicht gegen die Negativität ankommen. Da wir nicht aus unserer Haut können, ist Selbsthass mit besonders viel psychischem Leiden verbunden.
Die Ursachen des Selbsthasses
Woher kommt es, dass einige Personen mit Selbsthass zu kämpfen haben, während andere sich selbst positiver gegenüberstehen oder sogar Selbstliebe empfinden? Das kann unter anderem folgende Gründe haben:
1Zu hohe Erwartungen an sich selbst
Die Erwartungen, die wir an uns stellen, hängen auch mit der Kultur, zum Beispiel unserer Leistungsgesellschaft, dem direkten Umfeld und auch den Erfahrungen in Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben zusammen. Haben wir den Eindruck gewonnen, nie “genug” zu sein, sind wir unzufrieden mit uns selbst und können im Extremfall einen Selbsthass entwickeln.
2Psychische Tiefs / Krisen
Zudem kann es bestimmte Phasen, zum Beispiel nach Ereignissen wie einer Trennung, Kündigung oder einem Misserfolg geben, in denen wir eher zu Selbsthass neigen. Zum Beispiel, weil wir uns Vorwürfe machen oder Schuldgefühle haben. Wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist oder das psychische Tief durch unsere aktiven Bemühungen oder Unterstützung überwunden wurde, kann sich auch der Selbsthass wieder legen.
3Attributionsstil: Wem schreiben wir Erfolge und Misserfolge zu?
Es gibt Menschen, die eher dazu neigen, die Ursache für Misserfolge bei sich selbst zu suchen. Zum Beispiel, indem gedacht wird: „Ich bin wirklich zu blöd für dieses Studium.” Dieser Attributionsstil wird als „intern” bezeichnet.
Dem gegenüber steht der externe Attributionsstil, bei dem die gleiche Situation anders eingeschätzt wird, zum Beispiel: „Die Prüfung war einfach zu schwierig.”
Ein interner Attributionsstil, das heißt, wenn wir die negativen Ursachen bei uns selbst suchen, kann wesentlich zu Selbsthass beitragen. In unseren Augen sind wir dann an allem selbst schuld.
Wie kannst du Selbsthass überwinden?
Es gibt verschiedene Ansätze, um Selbsthass entgegenzuwirken. Es ist zum Beispiel möglich, die eigenen Gedanken zu hinterfragen. Stimmt es wirklich, was ich da denke? Könnte es andere Gründe oder Ursachen geben, weshalb etwas nicht so gelingt oder ist, wie ich es mir vorstelle?
Damit verbunden kann man versuchen, die nicht hilfreichen Gedanken mit hilfreichen Gedanken zu ersetzen. Der Fokus wird dabei auf wohlwollende Gedanken gelegt. Das ist eine Sichtweise, die auch helfen kann, den Selbstwert und das Selbstbewusstsein zu stärken.
Auch über das eigene Verhalten können wir Einfluss auf Selbsthass nehmen. Indem wir uns gut um uns selbst kümmern, das heißt uns um Selbstfürsorge bemühen, bringen wir uns auf Verhaltensebene Wertschätzung entgegen. Das hat langfristig auch positive Auswirkungen auf unsere Gedanken.
Wer hasst hier eigentlich wen?
Ein anderer Ansatz, mit dem du Selbsthass überwinden kannst, ist ein radikales Umdenken in Bezug auf „dein Selbst”.
Denke dafür einmal über die Frage nach: Wer hasst hier eigentlich wen?
Gibt es ein Selbst, das gehasst wird und ein anderes Selbst, das hasst? Welches dieser beiden bist du? Mit wem der beiden möchtest du dich identifizieren?
Wahrscheinlich kommen dir diese Fragen ziemlich absurd vor. Das kann jedoch hilfreich sein, um deinen Selbsthass insgesamt zu hinterfragen und überwinden zu können.
Interessanterweise ist es nämlich so, dass das, was wir als unser Selbst bezeichnen, biologisch betrachtet, eine Art erfundenes Wesen, ein Mythos – in etwa wie ein Einhorn – ist. Dein Gehirn kann problemlos das Bild eines Einhorns erzeugen, ihm bestimmte Eigenschaften zuschreiben, ihm einen Namen geben, aber letztendlich ist dieses Einhorn nur eine von dir zusammengesetzte Vorstellung.
Die Vorstellung deines Selbst wird in einem andauernden Prozess fortwährend erzeugt. Das ist ein Vorgang, der in der Neurologie als „selfing“, zu Deutsch etwa „selbsten“ bezeichnet wird. Du, oder besser gesagt dein Gehirn, „selbstet“ tagein, tagaus, in einem so beständigen Fluss, dass dir das gar nicht weiter auffällt. Aber das heißt noch lange nicht, dass es ein festgefügtes Selbst gibt, das du hassen könntest.
Es braucht einige Zeit, um derart radikal umzudenken.
Wenn du magst, kannst du Folgendes versuchen: Wenn du abwertende Gedanken deinem Selbst gegenüber bemerkst, kannst du dich immer wieder fragen, wer über wen eigentlich so schlecht denkt. Dadurch gewinnst du nach und nach eine neue, weniger voreingenommene Perspektive auf dein Selbst.
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