Was ist Selbstmitleid?
Die Definition von Selbstmitleid ist wahrscheinlich ziemlich eindeutig – wenn wir Selbstmitleid verspüren, dann haben wir Mitleid mit uns selbst. Wir nehmen unseren eigenen Schmerz wahr und sind traurig, enttäuscht oder vielleicht sogar sauer darüber, dass wir uns in einer so schmerzhaften Situation befinden. Selbstmitleid ist erst einmal nichts Schlechtes, sondern kann sogar etwas Gutes sein. Es bedeutet nämlich, dass wir unsere belastenden Gefühle achtsam wahrnehmen und ihnen nicht einfach aus dem Weg gehen.
Wann hilft Selbstmitleid und wann steht es uns im Weg?
Selbstmitleid ist also erst einmal etwas Gutes. Warum sprechen wir also so oft negativ darüber? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, lohnt es sich genauer darüber nachzudenken, wann uns Selbstmitleid weiterhilft und wann es uns vielmehr einfach nur im Weg steht.
Hilfreiches Selbstmitleid
Selbstmitleid kann dann hilfreich sein, wenn es dich dabei unterstützt, in belastenden Situationen mitfühlend mit dir selbst umzugehen. Hast du zum Beispiel deinen Job verloren? Oder musstest du unerwartet deine Beziehung beenden? Dann ist es völlig okay und sogar gut, möglicherweise auftretenden belastenden Gefühlen Raum zu geben. Denn erst wenn du diesen Gefühlen Raum gibst, kannst du sie im Anschluss weiterziehen lassen. So kannst du zum Beispiel innere Wut loswerden und Traurigkeit überwinden. Gibst du Gefühlen nicht die Möglichkeit, empfunden zu werden, bleiben sie möglicherweise „stecken” und belasten dich über einen deutlich längeren Zeitraum.
Im besten Fall führt Selbstmitleid zu der Erkenntnis, dass das Leben Schwierigkeiten mit sich bringt und niemand perfekt ist. Wir erkennen, dass auch wir selbst nicht immer glücklich und perfekt sein müssen.
Das Wissen darüber, dass es völlig okay ist, für eine Weile in unserem Selbstmitleid zu verweilen, kann beruhigend sein. Es kann uns dabei helfen, uns genug Zeit zu geben, um die belastenden Gefühle zu verarbeiten.
Hinderliches Selbstmitleid
Genau so jedoch, wie du deinem Gegenüber irgendwann raten würdest, das Leben wieder in die Hand zu nehmen und Lösungen für die belastenden Probleme zu finden, solltest du irgendwann aus deinem Selbstmitleid herausfinden und zurück ins Handeln kommen.
Wichtig ist: Wie lange die Phase dauert, in der wir uns selbst Mitleid schenken, ist von Situation zu Situation und Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es gibt dabei keine Faustregel, wie zum Beispiel: Nach einer Trennung ist es okay, drei Wochen lang traurig zu sein.
Frage dich also immer mal wieder: Tut mein Selbstmitleid gerade noch gut? Hilft es mir dabei, meine belastenden Gefühle zu verarbeiten oder gehe ich durch mein anhaltendes Selbstmitleid immer wieder in den gleichen Schmerz herein? Wäre es besser für mich, wenn ich nun wieder versuchen würde, meine Situation zum Besseren hin zu verändern?
Auch in Situationen, in denen wir scheinbar wenig verändern können, etwa wenn wir von chronischen Schmerzen betroffen sind, lohnt es sich zu fragen, ob unser Selbstmitleid uns langfristig weiterhilft. So wissen wir zum Beispiel, dass chronische Schmerzpatienten und -patientinnen von einem Perspektivwechsel profitieren, bei dem sie sich von ihren Beschwerden abwenden und sich mehr auf die positiven Aspekte ihres Lebens konzentrieren. Falls du selbst von chronischen Schmerzen betroffen bist und mehr dazu erfahren möchtest, könnte unser kostenfreier Online-Therapiekurs HelloBetter chronische Schmerzen interessant für dich sein.
Was kann ich tun, um mein Selbstmitleid zu überwinden?
Hast du das Gefühl, regelrecht in deinem Selbstmitleid zu versinken? Um aus dem eigenen Selbstmitleid herauszufinden, kann es hilfreich sein, wenn du dich für eine Weile einmal nicht mit dem belastenden Thema beschäftigst und stattdessen etwas tust, das dir guttut. Wenn uns eine Sache stark belastet, kann es sich komisch anfühlen, etwas zu tun, das nicht zur Lösung unseres Problems beiträgt. Aber das ist wichtig. Denn indem du dafür sorgst, dass es dir insgesamt wieder besser geht, schaffst du dir die Möglichkeit, mit mehr Abstand über dein Problem nachzudenken und so neue Lösungswege zu finden. Manchmal hilft schon ein schöner Ausflug mit Freunden oder ein paar Stunden mit einem guten Buch in deinem Lieblingscafé, um deine Stimmung etwas zu heben und wieder mehr das Leben zu genießen.
Übung
Raum und Zeit für dein Selbstmitleid finden
Falls es dir schwerfällt, dich für eine Weile von deinen belastenden Gefühlen zu lösen, kannst du dir überlegen, ob du dir einen „Selbstmitleid-Stuhl” oder einen „Selbstmitleid-Ort” einrichtest. Das hört sich vielleicht erst einmal komisch an, aber in der Psychotherapie nutzt man diese Art der Intervention häufig, um belastende Gedanke und Gefühle auf einen bestimmten Raum und eine bestimmte Zeit zu begrenzen.
Suche dir dafür einen bestimmten Stuhl oder einen Ort in deinem Zuhause, an dem du dich wohlfühlst (am besten nicht dein Bett). Diesen Ort suchst du dann für eine gewisse Zeit am Tag auf (das können zum Beispiel 15 Minuten täglich sein). Nutze diese Zeit, um dein Selbstmitleid zuzulassen. Du kannst dir auch etwas zu Schreiben daneben legen und deine Gedanken bzw. Gefühle in Worte fassen, wenn du magst. Sobald du deinen Selbstmitleid-Stuhl bzw. -Ort verlässt, versuche dich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Das kannst du ganz ohne schlechtes Gewissen tun, denn du weißt, dass du auch am nächsten Tag wieder eine gewisse Zeit nur mit dir und deinem Selbstmitleid verbringen darfst.
Neben dieser Methode aus der Psychotherapie kann auch das Gespräch mit Freundinnen, Freunden oder Familie hilfreich sein, um etwas Distanz zu deinen belastenden Gefühlen zu bekommen. Im Gespräch mit nahestehenden Personen können wir unsere eigene Situation oft aus einer neuen Perspektive sehen und dadurch Lösungswege finden, die wir zuvor allein nicht sehen konnten.
Wann sollte ich psychologische Unterstützung aufsuchen?
Eine Psychotherapie aufsuchen solltest du dann, wenn du das Gefühl hast, dass du dir allein oder mit deinem direkten Umfeld nicht mehr helfen kannst und die belastenden Gefühle kaum oder gar nicht auszuhalten sind. Eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut kann dich dabei unterstützen, deine Gefühle zuzulassen und zu überwinden. Vielleicht hast du aber auch den Wunsch, dein Problem nicht im Gespräch, sondern mit Unterstützung durch einen Online-Therapiekurs zu bewältigen. Dann könnte zum Beispiel die Teilnahme an unserem HelloBetter Stress und Burnout Therapiekurs interessant für dich sein. Im Rahmen des kostenfreien Kurses erlernst du Strategien, die dich dabei unterstützen, belastende Situationen zu meistern und mit unangenehmen Gefühlen umzugehen.
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Quellennachweis
Neff, K., & Knox, M. C. (2016). Self-compassion. Mindfulness in positive psychology: The science of meditation and wellbeing, 37, 1-8.
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