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Wie kann ich innere Wut loswerden?

Der Wut einfach mal freien Lauf zu lassen, kann sich für einen kurzen Augenblick richtig gut anfühlen. Doch ein spontaner Wutausbruch kann enorme negative Folgen haben – für das direkte Umfeld, aber auch für die Wütenden selbst. Warum fällt es vielen Menschen aber trotzdem so schwer, ihre Wut zu kontrollieren und wie entsteht Wut überhaupt? Diese und weitere Fragen beantworten wir in diesem Artikel. Außerdem verraten wir dir, mit welchen Strategien du deine innere Wut loswerden kannst.

Was ist innere Wut und wie entsteht sie?

Wut ist genauso wie Lebensfreude, Angst oder Traurigkeit eine Emotion und entsteht aus einer komplizierten Mischung von Gedanken, Verhaltensweisen und körperlichen Reaktionen. Wut zeigt sich auch oft, um im ersten Moment andere Emotionen zu überlagern – vielleicht sind wir wütend, wenn wir eigentlich gerade verletzt, traurig oder frustriert sind. Zum Beispiel durch den Verlust einer Beziehung, des Arbeitsplatzes oder durch das Verhalten anderer Menschen.

Gut zu wissen

Warum wir an Wut festhalten

Normalerweise ist es so, dass Menschen ihre negativen Emotionen loswerden wollen. Die Emotion Wut ist hierbei aber oft eine Ausnahme. Das liegt daran, dass man Wut als etwas ansieht, was man zurecht empfindet, da einem ja subjektiv gesehen Unrecht getan wurde. Tendenziell gilt Wut vor allem bei Männern daher als eine durchaus angemessene Emotion. Das erklärt auch, wieso man innere Wut nicht so einfach loswerden kann. Viele Menschen wollen ihre innere Wut zwar grundsätzlich loswerden, aber empfinden sie in emotionalen Momenten dann doch wieder als gerechtfertigt und lassen nicht ganz von ihr ab.

Manche Theorien gehen davon aus, dass Wut vor allem dann entsteht, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen können, zum Beispiel weil wir das Gefühl haben, dass sich jemand anderes uns gegenüber unfair verhält. Bekomme ich also eine Beförderung nicht, weil ich glaube, dass mein Chef die Stelle nur aufgrund von Sympathien vergeben hat, werde ich ziemlich sicher wütend sein.

Gleichzeitig lässt sich an diesem Beispiel aber auch gut aufzeigen, warum wütend zu sein manchmal auch eine wichtige Funktion haben kann. Denn Wut schützt uns davor, nicht von anderen ausgenutzt zu werden oder sich immer unterzuordnen. Ebenso kann Wut dabei helfen, ein unangenehmes Gespräch zu führen. Zum Beispiel, um für sich und auch für andere Recht einzufordern oder Grenzen zu setzen. Bevor wir dir erklären, was du tun kannst, um deine innere Wut loszuwerden, müssen wir uns zuerst die verschiedenen Stufen von Wut anschauen. Mit anderen Worten: Wut ist nicht gleich Wut.

Wenn man nach Ärger sucht – Wut als Veranlagung

Vielleicht hast du das Gefühl, viel häufiger als andere wütend zu werden. Tatsächlich haben manche Menschen die Angewohnheit, ihre Aufmerksamkeit auf Dinge zu lenken, die innere Wut auslösen können. Zusätzlich erleben diese Menschen Wut meistens stärker und länger als der Durchschnitt der Menschen. Dementsprechend wird sich vor allem beim Autofahren, auf der Arbeit, aber auch in privaten Beziehungen mehr geärgert.

Es ist nicht klar, ob bestimmte Gene dafür verantwortlich sind, dass „feindselige” Reize stärker verarbeitet werden. Dennoch scheinen biologische Gründe aber zumindest teilweise für die Unterschiede im „Wut-Empfinden” verantwortlich zu sein. Es ist daher gut möglich, dass es für manche Menschen genetisch bedingt schwerer ist, ihre innere Wut loszuwerden.

Die innere Wut loswerden durch Runterschlucken oder Rauslassen?

Es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen, lautstark die innere Wut loszuwerden. Nicht nur, dass du mit unkontrollierten Wutausbrüchen die Menschen in deinem Umfeld verletzen kannst, auch für dich selbst kann der Ärger schädlich sein. Denn Menschen, die zu heftigen Wutausbrüchen neigen, haben zum Beispiel ein höheres Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Tatsächlich haben selbst kurze Phasen von hohem psychischem Stress in Form von Wutanfällen nachhaltige Folgen für die körperliche Gesundheit. Gleichzeitig sollte man aber jetzt auch nicht daraus schließen, dass es besser wäre, die innere Wut einfach herunterzuschlucken. 

Menschen, die ihre innere Wut nicht loswerden, sondern sie unterdrücken und auch sonst keine Strategien für den Umgang mit Ärger entwickeln, sind möglicherweise von einigen psychischen Folgen betroffen.

Sie neigen nämlich eher zu passiv-aggressivem Verhalten und einer negativen Grundhaltung. Deshalb kommt es häufig vor, dass sie sich immer mehr aus sozialen Situationen zurückziehen und auf lange Sicht Kontakte zunehmend meiden.

Mit Wut umgehen lernen

Wir alle haben mit der Zeit gewisse Gewohnheiten entwickelt, um mit unangenehmen Gefühlen umzugehen. Diese Gewohnheiten stammen meistens aus unserer Kindheit und sind Verhaltensweisen, mit denen wir damals „gut gefahren” sind. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel Ärger, Enttäuschung oder sogar Bestrafung dadurch vermieden haben. Auch negative Glaubenssätze können beeinflussen, wie wir mit  Wut umgehen. Beispiele dafür sind Glaubenssätze wie: „Ich darf nicht wütend sein” oder „Nur wenn ich wütend bin, kann ich mich durchsetzen”.

Wenn Wut mit diesen erlernten Verhaltensweisen und Glaubenssätzen zusammenhängt und deshalb regelmäßig und intensiv im Alltag vorkommt, ist langfristig eine psychotherapeutische Unterstützung die beste Lösung. Einfach mal tief durchatmen? Dieser Satz hat vermutlich noch niemandem geholfen, der gerade wütend war. Aber Fun Fact: Atemübungen und Techniken zum entspannter werden können wirklich dabei helfen, die innere Wut loszuwerden oder sie zumindest zu reduzieren. 

Weil die Behandlung von Wut sehr komplex sein kann, braucht es manchmal eine umfassende Begleitung durch eine Psychotherapie. Zusätzlich können Achtsamkeitstrainings effektiv sein, um mit Wut umzugehen.

Wut-Stopper nutzen, um innere Wut loszuwerden

Es ist meistens keine gute Idee, einfach nur darauf zu warten, bis die Wut verfliegt. Denn einerseits kann das lange dauern und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man seiner Wut freien Lauf lässt.

Deswegen haben wir für dich 3 wichtige Übungen gesammelt, die dir als „Wut-Stopper” dabei helfen können, mit deiner Wut umzugehen.

💡 Was sollte ich bei starker Wut vorab wissen?

Wut kann genau wie alle anderen Gefühle in verschieden starken Ausprägungen vorkommen. Die nachfolgenden Tipps können dir dabei helfen, besser mit deiner inneren Wut umzugehen. Es kann aber auch sein, dass du beim Lesen denkst: „Wie soll mir das bitte helfen? Meine Wut ist viel zu stark dafür!” In diesem Fall lohnt es sich vielleicht dennoch, die Tipps einmal auszuprobieren, denn manchmal können wir unsere eigenen Probleme besser lösen, als wir zunächst annehmen. Sollten alle Versuche, dir selbst zu helfen, allerdings keine Veränderung bringen, kann es sinnvoll sein, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Am besten sprichst du in diesem Fall mit einer Psychotherapeutin oder einer Ärztin über deine Sorgen und Veränderungswünsche.

1Langsam und aus dem Zwerchfell atmen

Wenn wir wütend sind, haben wir oft eine flache und schnelle Atmung. Damit du deine innere Wut loswerden kannst, solltest du deine schnelle Atmung durch eine langsame Atmung ersetzen. Während du langsam atmest, kannst du immer wieder ein Wort oder einen Satz wie etwa „Entspannung” oder „ich werde ruhig” vor dir hersagen. Wichtig ist hier, dass du nicht aus der Brust, sondern aus dem Bauch oder dem Zwerchfell atmest. Das führt zu mehr Entspannung und verbraucht weniger Energie.

Es lohnt sich übrigens sehr, diese Atemübungen vor allem dann auszuprobieren, wenn du gar nicht wütend bist. So kannst du ohne Druck die Übungen ausprobieren und sie bei einem Wutanfall schneller und sicher anwenden.

2Sport machen – aber am besten ohne Wettbewerb

Sport kann Stress reduzieren und damit indirekt auch Wut, da Stress meistens zu den Auslösern gehört. Beim Sport werden aber nicht nur Stresshormone abgebaut, sondern auch sogenannte „Gute-Laune-Hormone” wie z. B. Endorphine ausgeschüttet. Daher lohnt es sich, die Laufschuhe anzuziehen, eine Runde schwimmen zu gehen oder auch einem Teamsport nachzugehen. 

Wenn bei dir aber das Verlieren und der Wettbewerb mit anderen zu Konflikten und somit zu Wut führen kann, solltest du vielleicht andere Sportarten ausüben. Aus dem gleichen Grund sind Kampfsportarten wie Boxen nicht für jeden Menschen gleichermaßen empfehlenswert, auch wenn viele Menschen von diesen Sportarten sehr profitieren können. Teste einfach mal für dich aus, welche Sportart dir am meisten hilft, deine innere Wut loszuwerden.

3Wutauslöser erkennen und umgehen

Unseren letzten Tipp kannst du als Schutzmaßnahme anwenden, damit dein Ärger erst gar nicht so groß werden kann. Nimm dir in einer ruhigen Minute mal Stift und Zettel und versuche die Auslöser deiner Wut aufzuschreiben. Vielleicht ist es vor allem der Weg zur Arbeit mit täglichem Stau, der Streit mit dem Partner oder der Partnerin kurz vor dem Einschlafen oder aber eine schmerzhafte Erinnerung, die aber schon einige Zeit zurückliegt. 

Wenn du verstehst, wo deine Wut herkommt, kannst du in manchen Fällen besser um sie „herumplanen”. Vielleicht hilft es dir, wenn du das Transportmittel oder die Route zur Arbeit wechselst. Oder sprich die schwierigen Beziehungsthemen nicht unbedingt dann an, wenn ihr beide müde seid, sondern wähle einen Zeitpunkt, der besser passt. Natürlich ist es so, dass manche Wut-Auslöser sich nicht einfach wegplanen lassen. Dann kann eine Psychotherapie eine sinnvolle Unterstützung sein.

Neue Wut-Gewohnheiten schaffen

Bist du ein Mensch, der seine Wut normalerweise in sich hineinfrisst? Dann kann es eine gute Übung sein, die innere Wut sowie den Wunsch, der dahintersteckt, in einem ganz kleinen Rahmen nach außen zu kehren. Besonders wichtig ist dabei aber, dass du deine Wut zuerst auf ein sehr niedriges Niveau bringst. Dabei können dich unsere oben genannten Wut-Stopper unterstützen. Denn es ist nie eine gute Entscheidung, wenn du auf dem Höhepunkt deines Ärgers handelst. In vielen Fällen bedeutet das, eine Nacht darüber zu schlafen. Nur bei wenig Wut kannst du diesen „Restärger” dann als „Motivation” nutzen, um beispielsweise eine Ungerechtigkeit anzusprechen. Außerdem solltest du dir im Vorfeld bereits überlegen, was du sagen möchtest und vor allem, wie du es sagen möchtest.

Denn gerade ein versöhnlicher Ton wird das Gespräch in eine gute Richtung lenken. Das bedeutet, dass dein Gegenüber das Gefühl haben muss, dass es dir nicht um eine Bloßstellung oder Anklage geht. Nur dann hat das Gespräch eine sichere emotionale Basis.

Es hat sich in Studien gezeigt, dass es für Menschen oft schwerer ist, mit Wut und Ärger klarzukommen, wenn Wut nur als böse und schädlich angesehen wird. Wenn man aber davon ausgeht, dass Wut auf ein tieferliegendes Thema hinweisen will, wird es leichter, sie zu verstehen und die innere Wut loszuwerden.

So kannst du Wut auch als eine Art Motor sehen, der zum Beispiel eine wichtige Persönlichkeitsentwicklung antreiben möchte.

Die innere Wut loswerden – ganz ohne Wutausbrüche?

Wer eher das Problem hat, seine innere Wut zu oft herauszulassen, sollte natürlich einen anderen Ansatz ausprobieren. Dieser besteht darin, dass du dir die Konsequenzen deiner Wut ausführlich vorstellst. Dazu malst du dir dann zum Beispiel sehr konkret aus, wie soziale Beziehungen oder deine Gesundheit sich durch die Wut immer mehr zum Negativen entwickeln. Ähnlich wie bei einem inneren Film schaust du dir quasi die möglichen Folgen deines Wutausbruchs Szene für Szene an. Sicherlich kann dir das kurzfristig dabei helfen, einen Wutausbruch oder Schlimmeres zu verhindern.

Langfristig macht es vielleicht für manche Menschen aber mehr Sinn, sich zusätzlich professionelle Unterstützung zu holen. Hier erfährst du mehr zu dem Thema: „Wie finde ich einen Psychotherapieplatz?

Achtung: Falls du ein Opfer von regelmäßigen Wutausbrüchen bist, helfen dir vielleicht folgende Artikel weiter: Mit Cholerikern umgehen oder Gewalt in der Beziehung erkennen

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