Das Leben genießen: Was bedeutet das?
Lass uns ein Experiment machen: Versuche, mal eine bestimmte Emotion in dir zu erzeugen, sagen wir Ärger – wie machst du das? Wahrscheinlich stellst du dir bildlich etwas vor, erinnerst dich an etwas Ärgerliches oder du denkst Sätze, die dich ärgerlich machen. Auch wenn du durch dieses Experiment nicht sofort aus dem Nichts wutschnaubend durch die Wohnung marschierst, kannst du vielleicht tendenziell bemerken: Deine Gedanken lösen Emotionen aus.
Psychologisch gesehen ist Genuss keine Emotion. Trotzdem empfinden wir Genuss ganz ähnlich und so wie andere Emotionen kann Genuss unsere Erfahrungen begleiten. Auch das geschieht über unsere Gedanken.
Isst du zum Beispiel einen Eisbecher und denkst dabei: „Oh mein Gott, ist der lecker! Ist das gut!” wirst du in dem Moment und auch hinterher das Gefühl haben, das Eis besonders genossen zu haben.
Fast schon amüsant ist: Genauso gut kannst du während des Schlemmens eines Eisbechers ärgerlich werden. Und zwar, indem du ärgerliche Gedanken dabei hast. Vielleicht hat dir der Verkäufer zu wenig Rückgeld gegeben, es hinterher abgestritten und jetzt hegst du beim Essen verärgerte Gedanken. Das Eis ist dasselbe. Aber du genießt es überhaupt nicht. Wie können wir das ändern und schlussendlich nicht nur Eisbecher, sondern das ganze Leben mehr genießen?
Der Schlüssel zum Genuss: präsent sein
Vermutlich ist es nicht so, dass du dir vor dem ersten Löffel Eis denkst: Ich verzichte nun auf den Genuss und werde mich stattdessen ordentlich ärgern. Das läuft ganz automatisch ab. Es passiert etwas, was uns missfällt, es entstehen ärgerliche Gedanken in unserem Kopf und diese Gedanken bringen weitere ärgerliche Gedanken mit sich, zum Beispiel: „Letzte Woche war das auch schon so, aber im Supermarkt, da hat die Kassierin nicht aufgepasst!” Wenn es ganz hart auf hart kommt, ziehen wir irgendwann Rückschlüsse auf unsere eigene Person oder die anderen, zum Beispiel durch Urteile wie: „Die anderen sind unfähig”. Kann man so das Leben genießen? Eher nicht.
Spulen wir also noch einmal zurück: Was kannst du aktiv tun, um in unserem Beispiel Genuss statt Ärger zu wählen? Du kannst präsent sein. Präsent sein bedeutet, dir im Hier und Jetzt bewusst darüber zu sein, was um dich herum und in dir passiert. Registriere es, bevor sich deine negativen Gedanken verselbstständigen, in etwa so: „Oha, ich bin wirklich verärgert, jetzt habe ich mir sogar vorgestellt, wie ich dem Typen das Eis in die Haare schmiere.”
Bemerke deine negativen Gedanken und unangenehmen Gefühle, ohne weiter auf sie einzugehen. Lasse sie da sein. Atme dabei ganz bewusst. Es ist okay.
Gefühle und Gedanken haben die Eigenschaft, dass sie sich verändern. Das geht umso schneller, wenn wir sie anerkennen und nicht krampfhaft versuchen, sie loszuwerden. Warte vielleicht eine Minute lang und atme, beginne erst dann zu essen – oder zu tun, was auch immer du genießen willst.
Tu, was du magst
Das Leben zu genießen fällt viel leichter, wenn wir Dinge tun, die wir mögen und die uns Spaß machen. Die meisten von uns sind in der glücklichen Position, dass sie ihre Freizeit frei gestalten können – und es ist sogar möglich einen Beruf zu finden, der uns Freude macht. Wenn wir etwas mögen, können wir mit Präsenz die guten Gedanken wahrnehmen. Dadurch entsteht Genuss und noch mehr Genuss:
Wir können diese positiven Gedanken nämlich auch verstärken, indem wir auf sie eingehen und weiterspinnen. Wir führen sozusagen einen kleinen „Genussmonolog” in unserem Kopf.
Anstatt in eine Negativspirale zu geraten, können wir uns in eine Positivspirale katapultieren, wenn wir zum Beispiel denken: „Und letzte Woche war das Eis auch schon so unglaublich lecker hier!” Um das zu intensivieren, kannst du dich zusätzlich in Dankbarkeit üben. Das Leben insgesamt zu genießen entsteht durch viele genussvolle Momente, die sich aneinanderreihen und das kann besser gelingen, wenn wir tun, was wir mögen.
Solche positiven Aktivitäten nennen sich auch Kraftgeber.
Übung
Das Gedankenradio
Auch wenn du es nicht immer bemerkst, deine Gedanken entstehen in einem nahezu durchgehenden Fluss. Stelle dir nun mal vor, deine Gedanken würden in diesem gleichbleibenden Strom aus einem Radio dudeln. Der Moderator oder die Moderatorin redet ununterbrochen, mal etwas Schönes, mal etwas Ärgerliches, oftmals sind es auch neutrale Kommentare. Du kannst das Radio leider nicht abstellen. Dieser Typ oder diese Frau redet also immer im Hintergrund. Was du allerdings tun kannst, ist, das Radio laut zu drehen, wenn du etwas hören willst. In etwa so: „Moment, das interessiert mich und könnte mir guttun, ich höre mal genauer hin.”
Drehe dein Gedankenradio immer lauter, wenn du positive, genussvolle Gedanken hast. Und lasse es entspannt dudeln, wenn es sich um Gedanken handelt, die für dich nicht hilfreich sind und die du wahrscheinlich schon gut kennst.
Was hält uns davon ab, das Leben zu genießen?
Auch wenn es sich recht leicht anhört, meistens ist es etwas schwieriger, das Leben genießen zu können. Das hat damit zu tun, dass wir unsere gedanklichen Gewohnheiten ändern müssen. Dazu gehört auch die bewusste Entscheidung, das Leben genießen zu wollen. Und daran wiederum hängen dann Glaubenssätze wie: Ich habe es nicht verdient, das Leben zu genießen. Anderen Menschen geht es schlecht, warum sollte ich glücklich sein dürfen? Oder auch: Ich muss für mein Recht kämpfen und darf Ärger nicht loslassen. Ebenso kann eine negative Lebenseinstellung an sich hinderlich sein, zum Beispiel: Es ist gar nicht möglich, das Leben zu genießen, weil so viel Schlechtes passiert.
Wie ist das bei dir? Welche Einwände hat dein Kopf, wenn du das Leben genießen willst?
Kämpfe am besten nicht gegen sie an, sondern begegne ihnen mit Akzeptanz. Und triff zum Beispiel jeden Morgen neu die bewusste Entscheidung: Heute will ich mein Leben genießen! Das bedeutet: Präsent sein, unangenehme Gedanken und Gefühle da sein lassen, gute Gedanken wahrnehmen und weiterspinnen. Wir wünschen dir guten Genuss!
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