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Quartalstrinker: Zwischen Abstinenz und Kontrollverlust

Viele Menschen stellen sich unter einer Alkoholabhängigkeit eine Person vor, die nahezu täglich trinkt und der es kaum möglich ist, dem Alkohol ohne körperliche Entzugssymptome den Rücken zu kehren.

Was aber, wenn jemand phasenweise extrem viel trinkt, zwischenzeitlich jedoch wochen- oder monatelang völlig abstinent ist? Personen, denen es so geht, werden umgangssprachlich auch Quartalstrinker genannt. Was genau dieses Trinkmuster ausmacht, warum es so gefährlich ist und wie es sich von anderen „Trinkertypen“ unterscheidet, erfährst du in diesem Artikel.

Was verstehen wir unter Quartalstrinkern?

Der Begriff Quartalstrinker bezeichnet eine Person, die immer wieder in unregelmäßigen Abständen Phasen erlebt, in denen sie große Mengen Alkohol trinkt. Dieser Zeitraum ist von einem Kontrollverlust gekennzeichnet, das heißt Betroffene haben das Gefühl, ihren Konsum nicht stoppen zu können. Nicht selten klinkt sich die Person in dieser Zeit aus ihrem gewohnten Umfeld aus, „taucht unter“, wechselt den Ort oder umgibt sich mit ganz anderen, teils fremden, Menschen. Die Phase des unkontrollierten Trinkens kann Tage, aber auch Wochen anhalten und dann genauso abrupt enden, wie sie begonnen hat. Körperliche Entzugssymptome bleiben dabei in der Regel aus.

Bei Quartalstrinkern steht nicht die körperliche, sondern die psychische Abhängigkeit im Vordergrund.

Zwischen den Trinkphasen liegen manchmal monatelange Phasen der Abstinenz, in denen gar kein oder nur geringe Mengen Alkohol getrunken wird. Aus diesem Grund wird dieses Trinkmuster auch „Periodisches Trinken” genannt, in dem sich Perioden der Abstinenz und des Kontrollverlustes abwechseln. 

Die 5 Trinkmuster nach Jellinek

Wann, aus welchen Gründen und welche Menge Alkohol eine Person trinkt, kann bei einer Alkoholabhängigkeit (auch Alkoholismus genannt) sehr unterschiedlich sein. Ob und welche typischen Muster sich erkennen lassen, untersuchte in den 1950er Jahren der US-amerikanische Physiologe Elvin M. Jellinek. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er 1960 in seiner Klassifikation der 5 Trinkertypen. Neben dem, auch unter dem Namen „Epsilon-Trinker“ bekannten, Quartalstrinker, formulierte er vier weitere Kategorien.

In Fachkreisen wird mittlerweile davon ausgegangen, dass sich die strikte Einteilung in Jellineks 5 Kategorien nicht immer halten lässt und die Grenzen teils verschwimmen. Dennoch ist die Einteilung auch heute noch gängige Praxis und dient oft als erste Orientierung.

Alpha-Trinker (Erleichterungstrinker)

Der Alpha-Trinker greift vor allem deshalb zu einem alkoholischen Getränk, um innere Konflikte oder Anspannungen zu verringern oder unangenehme Gefühle wie Ärger, Traurigkeit oder Angst runterzuspülen. Manchmal wird dieser Typus deshalb auch als „Kummertrinken“ oder „Konflikttrinken“ bezeichnet. Auch wenn bei reinen Alpha-Trinkern meist keine Abhängigkeit vorliegt, sind Betroffene gefährdet, eine solche zu entwickeln – besonders hoch ist dabei die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit.

Beta-Trinker (Gelegenheitstrinker)

Zu Feiern, Geburtstagen oder Treffen mit Freunden: Das Trinkverhalten des Gelegenheitstrinkens orientiert sich an sozialen Anlässen. Dann werden auch nicht selten größere Mengen getrunken, insgesamt bleibt die Person jedoch weitestgehend sozial und psychisch unauffällig. Gelegenheitstrinker pflegen oft einen Lebensstil, in dem sich häufiger Anlässe für einen Alkoholgenuss ergeben (z.B. häufige Barbesuche, Feiern). Auch wenn hier häufig keine körperliche oder psychische Abhängigkeit vorliegt, ist die Person gefährdet, eine Abhängigkeit zu entwickeln.

Gamma-Trinker (Rauschtrinker)

„Heute trinke ich wirklich nur ein Bier.“ Trotz solch guter Vorsätze ist es Personen, die dem Rauschtrinken zuzuordnen sind, nicht oder kaum möglich, lediglich kleinere Mengen an Alkohol zu trinken. Auch hier spielt – wie bei den Quartalstrinkern – der Kontrollverlust eine große Rolle. Alkoholpausen zwischen Phasen des Trinkens sind beim Rauschtrinken jedoch kürzer und ein unauffälliges Konsummuster ist kaum möglich. Bei diesem Trinkverhalten handelt es sich um eine Abhängigkeit.

Delta-Trinker (Spiegeltrinker)

Das Spiegeltrinken fällt auf den ersten Blick weniger auf. Betroffene sind hierbei nämlich selten erkennbar betrunken, sondern bestrebt, über den Tag hinweg einen gewissen „Pegel“ zu halten. Damit können sie, solange sie ihren Pegel halten, über längere Zeit sozial unauffällig erscheinen, obwohl sie bereits eine starke körperliche Abhängigkeit entwickelt haben. Im Gegensatz zu dem Erleben und Verhalten von Quartalstrinkern findet kein Kontrollverlust statt. Auch erleben Spiegeltrinker starke Entzugssymptome, wenn sie ihren Alkoholkonsum reduzieren. Bei diesem Trinkmuster liegt ebenfalls eine Abhängigkeit vor.

Sind Epsilon-Trinker abhängig?

Quartalstrinker schaffen es teils sogar monatelang, abstinent zu sein oder einen geringen Alkohol­konsum zu pflegen. Können wir dann überhaupt von einer Abhängigkeit sprechen? Ja, denn auch wenn ein Epsilon-Trinker meist kein körperliches Entzugssyndrom erlebt, liegen andere Kriterien vor, wie der Kontrollverlust, schädliche Folgen oder ein starkes Verlangen, Alkohol zu trinken.

Die Fähigkeit, zweitweise abstinent zu sein, schließt die Diagnose einer Abhängigkeit nicht aus.

Oft wiegen sich Quartalstrinker in einer trügerischen Sicherheit. Denn sie halten sich aufgrund der alkoholfreien Phasen nicht für abhängig. Dadurch suchen Sie sich auch seltener Hilfe, obwohl eine Behandlung sinnvoll wäre. Dabei sind Quartalstrinker weder weniger abhängig noch ist ihr Trinkverhalten weniger gefährlich – im Gegenteil.

Quartalstrinker leben im gefährlichen Auf und Ab

Quartalstrinker pendeln zwischen einem oft funktionierenden Alltag und völligem Kontrollverlust. Diese „Achterbahnfahrt“, die für die Betroffenen gefühlt ohne Vorwarnung startet, ist besonders psychisch belastend.

Auch wenn die Trinkphasen für Betroffene wie aus heiterem Himmel zu kommen scheinen, lassen sich bei genauem Hinsehen oft Auslöser oder Warnzeichen erkennen. Eine Konsumphase kündigt sich zum Beispiel nicht selten durch depressive Verstimmungen oder steigenden Stress an.

Auch die körperlichen Folgen können gravierend sein. Durch den heftigen Alkoholkonsum in Trinkphasen sind Alkoholvergiftungen bis hin zu Bewusstlosigkeit keine Seltenheit. Auch können Betroffene im Rausch die Gefährlichkeit von Situationen unterschätzen und sich und andere so in Gefahr bringen.

Für einige Tage oder Wochen aus dem gewohnten Leben auszusteigen, kann zudem soziale Auswirkungen haben, das Umfeld belasten und die berufliche oder familiäre Situation gefährden.

Quartalstrinker laufen Gefahr, im Verlauf immer kürzere abstinente Phasen zu erleben, womit sich die psychischen, körperlichen und sozialen Folgen verstärken.

Wege aus der Abhängigkeit

Der erste wichtige Schritt für Quartalstrinker oder deren Umfeld ist es, zu erkennen, dass es sich trotz Phasen der Abstinenz um eine Abhängigkeits­erkrankung handelt. Diese Erkenntnis kann schmerzhaft sein, ebnet aber den Weg zu einer Behandlung – und genau die ist wichtig.

Es gibt viele Unterstützungsangebote: Sucht­beratungs­stellen, Haus­arzt­praxen oder Selbst­hilfe­gruppen können eine erste Anlaufstelle sein. Auch Beratungs­angebote per Telefon wie zum Beispiel die Sucht­beratung des Deutschen Roten Kreuz (08000 365 000) oder die Telefonseelsorge (0800 111 0 111) können einen ersten Schritt darstellen.

Im Gegensatz zu anderen Trinkmustern steht bei Quartalstrinkern nicht der körperliche Alkoholentzug, sondern die Entwöhnung im Vordergrund. Das bedeutet, Trinkgewohnheiten zu überwinden, Auslöser für den Alkoholkonsum zu verstehen und alternative Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Eine Entwöhnung und psycho­therapeu­t­ische Behandlung kann in der Klinik, oder ambulant durchgeführt werden. Auch wenn dieser Weg nicht immer leicht ist, bietet er die besten Chancen, aus der „Achterbahn“ auszusteigen und eine echte, lang­fristige Abstinenz zu erreichen.

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