Wofür sind Schmerzen eigentlich da?
Schmerzen sind Warnsignale des Körpers. Das bedeutet, sie sind grundsätzlich dafür da, um uns zu unterstützen, unversehrt und gesund zu bleiben. Essen wir zu viel Schokolade und kriegen danach Verstopfung und Bauchschmerzen, mahnt unser Körper uns, besser auf unsere Ernährung zu achten.
Doch leider ist es nicht immer so leicht, Abhilfe zu schaffen: Bei chronischen Schmerzen zum Beispiel hat der Schmerz seine Warnfunktion verloren und ist zu einem eigenständigen Beschwerdebild geworden. Und auch in anderen Situationen können wir den Schmerz durch unser Verhalten nicht oder kaum lindern, zum Beispiel wenn wir krank sind, Schmerzen nach einem Unfall oder einer Operation erleben, ein Kind zur Welt bringen oder auch während des Sterbeprozesses.
Umso wichtiger ist es, Einfluss auf unser Schmerzempfinden nehmen zu können, wenn wir am Schmerz an sich schon nicht viel ändern können. Dadurch können wir bestimmte Situationen besser bewältigen oder unsere Lebensqualität beibehalten.
Das Ziel ist also nicht eine allgemeine Schmerzreduktion, sondern eine veränderte Schmerzwahrnehmung.
Schmerzempfinden senken: die Rolle der Psyche
Jeder Mensch erlebt Schmerzen anders. Das Erleben von Schmerzen hat viel mit unserer Psyche zu tun, vor allem mit unserer Aufmerksamkeit, unseren Gedanken und Gefühlen. Vielleicht hast du selbst bereits erlebt, dass du Schmerzen als schmerzhafter empfindest, wenn du zum Beispiel nicht weißt, was die Ursache der Schmerzen ist und wie lange sie andauern. Du richtest dann deine Aufmerksamkeit auf den Schmerz und prüfst zum Beispiel andauernd: Ist der Schmerz noch da? Außerdem tauchen Gedanken auf wie: „Vielleicht ist es etwas Schlimmes!” Und in der Folge bekommst du wahrscheinlich unangenehme Gefühle wie Angst.
Das Schmerzerlebnis ist dadurch intensiver, als wenn du zum Beispiel weißt, dass dein Fuß eingeschlafen ist. Das kann zwar Schmerzen verursachen, aber du weißt eben, dass das nicht gefährlich ist, bekommst keine Angst und richtest deine Aufmerksamkeit mühelos auf etwas anderes.
Wenn du dein Schmerzempfinden senken willst, ist es daher ratsam, zu üben, einen anderen Umgang mit schwierigen Gedanken und Gefühlen zu erlernen und deine Aufmerksamkeit bewusst zu lenken.
Achtung: Wichtig ist, dass du Schmerzen, deren Ursache du nicht kennst, ärztlich abklären lässt. Die folgenden Techniken solltest du also nur anwenden, wenn du sicher bist, dass es bei den Schmerzen nicht nötig oder möglich ist, sie ärztlich zu behandeln.
Der Umgang mit „Schmerzgedanken” und „Schmerzgefühlen”
Mit Schmerzgedanken und Schmerzgefühlen sind in diesem Artikel Gedanken und Gefühle gemeint, die rund um den Schmerz auftreten und die nicht hilfreich sind. Wie im letzten Absatz beschrieben, verstärken sie den Schmerz oftmals und halten ihn aufrecht. Gedanklich kann es sich zum Beispiel um Sorgen handeln oder um pessimistische Vermutungen wie: „Das wird niemals besser werden.” Schmerzgefühle können zum Beispiel Angst und Hilflosigkeit auslösen, aber insbesondere, wenn es um ein Leben mit chronischen Schmerzen geht, kann auch Wut im Spiel sein.
Wenn du dein Schmerzempfinden senken willst, ist es wichtig, dass du diese Schmerzgedanken und -gefühle bemerkst. Das gelingt, indem du eine „Beobachterperspektive” einnimmst. Beobachterperspektive bedeutet, dass du die Gedanken und Gefühle wahrnimmst, beobachtest und sie vom Schmerz selbst trennst. So kann es gelingen, dass du dich nicht automatisch in ihnen verlierst, sie weiter spinnst und dein Leiden sich verstärkt.
Bei Schmerzgedanken kann es dafür hilfreich sein, vor den Gedanken den Zusatz „Ich bemerke, dass ich den Gedanken habe, dass …” zu setzen. Schmerzgefühle wie Angst, Hilflosigkeit oder Wut kannst du wie Wellen beobachten, die mal stark sind und dann wieder abebben. Vielleicht möchtest du dabei auch mit einer Skala experimentieren: Die 10 steht für die größtmögliche Gefühlswelle, die 1 für eine Mini-Welle.
Das Abstand nehmen von Gedanken und Gefühlen ist eine wirksame psychologische Technik und auch Kernstück der Achtsamkeit.
Die Aufmerksamkeit bewusst lenken
Vielleicht hast du bereits folgende Erfahrung gemacht: Wenn du Schmerzen hast und versuchst deine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten – dich zum Beispiel mit Fernsehen abzulenken – funktioniert das nur bedingt und ist frustrierend. Häufig liegt das daran, dass die Tätigkeiten deine Aufmerksamkeit nicht wirklich beanspruchen, sondern du mit deinen Gedanken immer noch bei den Schmerzen bist. In einem ersten Schritt kannst du also wieder die Beobachterperspektive einnehmen und wahrnehmen, dass belastende Schmerzgedanken und -gefühle auftreten. In einem zweiten Schritt kannst du dich dann aktiv dafür entscheiden, deine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was du gerade tust. Wenn deine Gedanken wieder zum Schmerz abdriften, nimmst du das wohlwollend wahr und konzentrierst dich erneut auf das, was du willst.
Das gelingt natürlich umso besser, je spannender diese Tätigkeit ist. Das kann zum Beispiel ein aufregendes Buch, eine Unterhaltung mit einem Freund oder eine herausforderndes Rätsel sein.
Bei chronischen Schmerzen kann es auch darum gehen, Unternehmungen zu planen und aktiv zu werden. So verhinderst du, dass du dich aufgrund der Schmerzen zurückziehst und das Gefühl bekommst, nicht das Leben zu leben, das du dir eigentlich wünschst.
Schmerzempfinden senken mit Übung
Du möchtest dein Schmerzempfinden senken, verspürst aber gerade gar keine unangenehmen körperlichen Empfindungen? Wie sollst du dann den Umgang mit deinen Gedanken und Gefühlen üben oder deine Aufmerksamkeit bewusst auf etwas anderes lenken?
Eine Möglichkeit besteht darin, dass du dich bewusst bestimmten körperlichen Reizen aussetzt. Das können zum Beispiel Kältereize sein, indem du eine längere kalte Dusche nimmst. Auch Stretching- oder Sportübungen können unangenehme Körperempfindungen hervorrufen, wie zum Beispiel ein Ziehen in deinen Muskeln.
Natürlich ist an dieser Stelle höchste Vorsicht geboten, denn du sollst dich keinesfalls verletzen oder dir starke Schmerzen zufügen. Es geht vielmehr darum, eine leicht unangenehme, aber nicht schädliche Körperempfindung hervorzurufen. Anhand dieser Empfindungen kannst du dann üben, deine Gedanken und Gefühle wahrzunehmen. Auch die bewusste Aufmerksamkeitslenkung kannst du ausprobieren, indem du dich zum Beispiel auf deinen Atem konzentrierst. Wie bei so vielen anderen Zielen gilt leider und zum Glück auch hier: Übung macht den Meister!
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