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Gesundheits-App vs. DiGA: Apps und Programme im Vergleich

Gerade im Zuge der jüngsten Pandemie ist der Bedarf an Versorgungsangeboten im Bereich der psychischen Gesundheit stark gestiegen. Zwar gibt es wirksame Behandlungen für psychische Erkrankungen, einschließlich einer Vielzahl von evidenzbasierten Therapien und Medikamenten, jedoch waren auch vor der Pandemie bereits deutliche Versorgungslücken vorhanden. Aktuell scheint es schlichtweg unmöglich, den steigenden Bedarf mit den bestehenden Strukturen des Gesundheitssystems zu decken.1 Dieser Fakt hat das Interesse an digitalen psychotherapeutischen Angeboten deutlich gesteigert und die Entwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) und anderen Gesundheits-Apps gefördert. Doch worin genau unterscheiden sich DiGA von Apps, die Gesundheitsförderung versprechen? Wir bieten einen Überblick.

Das Wichtigste in Kürze

  • Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa, deren Hauptfunktion mittels digitaler Technologie dabei unterstützen soll, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen und zu behandeln. 
  • Eine DiGA hat das Prüfverfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchlaufen und erfüllt alle Anforderungen, z. B. an Datenschutz, Verbraucherschutz, Patientensicherheit und weist einen positiven Versorgungseffekt nach. 
  • Als Gesundheits-Apps werden Produkte aus verschiedenen Bereichen wie Lifestyle, Fitness oder Medizin bezeichnet, die zur Behandlung und Prävention eingesetzt werden, aber keiner strikten Regulation unterliegen.
  • Zur Einschätzung der Qualität einer Gesundheits-App haben die Bundesärztekammer und die kassenärztliche Bundesvereinigung in einer Handreichung zu Gesundheits-Apps im klinischen Alltag” Empfehlungen ausgesprochen.

Begriffsbestimmung: Was ist eine DiGA und was eine Gesundheits-App?

Die verschiedenen Begriffe für Apps, die sich mit dem psychischen und physischen Wohlbefinden befassen, werden immer wieder wenig trennscharf genutzt. Dabei gibt es zumindest für eine Gruppe dieser Anwendungen eine sehr genaue Definition.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind als Medizinprodukte zertifizierte Apps oder Webanwendungen. Die Hauptfunktion dieser Anwendungen basiert vorrangig auf digitaler Technologie und soll dabei unterstützen, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen und zu behandeln. DiGA dienen damit ausdrücklich nicht der Primärprävention. Wie alle Medizinprodukte werden sie in Risikoklassen eingeteilt. Dabei gehören DiGA zur Risikoklasse I oder IIa.2

Medizinprodukte werden generell in die Risikoklassen I, IIa, IIb und III unterteilt. Dabei ist Stufe I die geringste und Stufe III die höchste Risikoklasse. Die Einteilung richtet sich nach dem möglichen Schaden, den ein Fehler oder Ausfall des Produktes verursachen kann.3
In die Risikoklassen IIb und III fallen invasive oder implantierbare Anwendungen wie z. B. Defibrillatoren oder Herzkatheter. Währenddessen zählen zur Risikoklasse I und IIa Medizinprodukte wie Lesebrillen, Hörgeräte oder Einmalspritzen.

Zahlreiche Gesundheits-Apps stehen diesen wenigen und sehr intensiv geprüften DiGA gegenüber. Die Begrifflichkeiten hier sind weit gefächert. Die in diesem Artikel als Gesundheits-Apps bezeichneten Produkte finden sich im App-Store auch als Lifestyle-, Fitness- oder Medizin-Apps. Bei Gesundheits-Apps kann es sich dementsprechend um sehr unterschiedliche Anwendungen handeln. Beispielsweise können das Fitnesstracker, Ernährungsratgeber oder Tagebücher zur Kontrolle von Beschwerden sein. Es gibt auch hier Apps, die zur Diagnose oder Behandlung von Erkrankungen dienen sollen. Trotzdem sind diese nicht automatisch als DiGA einzustufen.

Apps geprüft: Wo liegen die Unterschiede zwischen DiGA und Gesundheits-App?

Es gibt eine Reihe von Unterschieden zwischen DiGA und Gesundheits-Apps. Während Gesundheits-App keiner Regulation unterliegen, werden DiGA intensiv durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft. Dadurch wird sichergestellt, dass Wirksamkeit und Sicherheit der Produkte immer gegeben sind. Die Produkte können dann von Behandlern als erstattungsfähiges Medizinprodukt verschrieben und in die Behandlung der Betroffenen integriert werden. Eine DiGA muss nicht immer eine App sein, denn auch desktopbasierte Webanwendungen können als DiGA bezeichnet werden. „DiGA-App” oder „App auf Rezept” sind daher irreführend.

Tabelle zeigt Unterschiede zwischen DiGA und Gesundheits-Apps auf

Bei Gesundheits-Apps kann sich eine große Varianz der Intention und Qualität der Inhalte zeigen. Auch hier können sich Apps zur Behandlung von Erkrankungen finden. Häufig beinhalten die Produkte jedoch eher präventive Angebote. Die Kosten der Apps werden im Gegensatz zu DiGA nicht flächendeckend von allen Krankenkassen übernommen. Sie finanzieren sich häufig zusätzlich über Folgekosten und Werbungsschaltung. 

Sowohl bei DiGA als auch Gesundheits-Apps ist es möglich, zusätzliche Module durch sogenannte In-App-Käufe anzubieten. Bei DiGA muss in diesem Zusammenhang transparent kommuniziert werden, welchem Zweck diese Zusatzmodule dienen würden und welche Mehrkosten von den Versicherten selbst zu tragen wären. Zudem dürfen Hersteller in der App nicht für Zusatzmodule werben. Die Möglichkeit der In-App-Käufe wird von Herstellern nur selten genutzt und alle Informationen diesbezüglich sind öffentlich im DiGA-Verzeichnis einsehbar.

Zertifizierungsprozess

Wie kann eine App zur DiGA werden?

Von einer DiGA spricht man dann, wenn die Anwendung ein Prüfverfahren durch das BfArM erfolgreich durchlaufen hat. Danach wird die DiGA im sogenannten DiGA-Verzeichnis aufgeführt. Um diese DiGA-Zertifizierung zu erhalten, müssen Hersteller nachweisen, dass die App oder das Programm eine Reihe von Anforderungen erfüllt. Die Details zu diesen sind in der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) festgelegt. 

Zu den Kriterien gehören beispielsweise Datenschutz und -sicherheit, Verbraucherschutz, Nutzerfreundlichkeit und Patientensicherheit. Die App oder Webanwendung muss weiterhin werbefrei und robust gegen Störungen sein. Außerdem muss der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt auf gesichertem medizinischem Wissen beruht und die Quellen dafür veröffentlichen. Als weiteren wichtigen Faktor setzt die Aufnahme in das Verzeichnis den Nachweis eines positiven Versorgungseffektes mittels einer kontrolliertert randomisierten Studie voraus. Für eine Webanwendung oder App, die im DiGA-Verzeichnis gelistet ist, können Sie also sicher sein, dass grundlegende Anforderungen erfüllt sind und dass die Anwendung einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben kann.2

Fehlende Regulation: Was ist das Problem mit Gesundheits-Apps?

Gesundheits- oder Selbsthilfe-Apps können innerhalb von Sekunden auf das eigene Handy heruntergeladen und einsatzbereit sein. Dabei findet man für nahezu jede Lebenssituation eine passende App, die einem die benötigte Unterstützung zusichert. Problematisch sind jedoch die zum Teil fehlende Transparenz und Regulation. Als Laie ist es nahezu unmöglich, sich ausreichend über die Sicherheit, den Nutzen und Wirksamkeit aller Apps zu informieren. 

Dies hat in den letzten 10 Jahren zu einem Aufschwung in der Forschung geführt. Waren es 2011 noch weniger als 5 Studien pro Jahr, so beschäftigen sich heute über 100 Studien pro Jahr mit der Effektivität digitaler Anwendungen. In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Wirksamkeit verschiedener Gesundheits-Apps sehr variabel ist und von fehlenden und inkonsistenten Ergebnissen bis zur signifikant nachgewiesenen Effektivität reichen kann.1 Auch vom Bekanntheitsgrad lässt sich oft nicht auf die Qualität der App schließen. Denn auch viele bekannte und erfolgreiche Apps konzentrieren sich deutlich mehr auf Marketing und Engagement und erfolgreiche Behandlungsresultate oder eine robuste klinische Datenlage stehen nicht im Vordergrund.4

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Wie kann ich die Qualität von Apps einschätzen?

Bei dauerhaft aufgenommenen Anwendungen im DiGA-Verzeichnis des BfArM kann man sich sicher sein, dass die Programme einen ausführlichen Prüfprozess durchlaufen haben und qualitativ hochwertig sind. Die Qualität und Sicherheit eines anderen digitalen Angebots zu prüfen, kann sich jedoch schwieriger gestalten. Eine Handreichung der Bundesärztekammer und der kassenärztlichen Bundesvereinigung empfiehlt, sich eine Gesundheits-App unter folgenden Gesichtspunkten anzuschauen und auf Angaben des Herstellers zu prüfen:3

  • Welchen Zweck hat sie und an welche Zielgruppe richtet sie sich?
  • Dienen die Funktionen dem Zweck der App?
  • Welche Einschränkungen hat sie?
  • Wie ist die Wirksamkeit der angewendeten Methode nachgewiesen?
  • Sind die Inhalte verlässlich?
  • Ist die App benutzerfreundlich?
  • Enthält sie Angaben zum Datenschutz?
  • Ist der Nutzen der App höher als die Risiken?

Mittlerweile stellen auch verschiedene Anbieter wie das Aktionsbündnis Patientensicherheit Checklisten zur Verfügung, mit denen man sich einen Eindruck von der Sicherheit und Qualität einer Gesundheits-App machen kann.

Fazit für die Praxis

Mit den gesetzlichen Grundlagen zur Zertifizierung von digitalen Gesundheitsanwendungen hat das BfArM eine Grundlage geschaffen, um für mehr Transparenz bezüglich Wirksamkeit, Sicherheit und Datenschutz im wachsenden Markt der digitalen Gesundheitsversorgung zu sorgen. Während man sich bei DiGA auf die Einhaltung der Anforderungen verlassen kann, etwa hinsichtlich des Datenschutzes von DiGA, sollte man bei Gesundheits-Apps vorher die Qualität der Anwendung prüfen. Weitere Informationen bezüglich der Verordnung und der Einbindung in den Praxisalltag erhalten Sie in unserem Leitfaden für Digitale Gesundheitsanwendungen und in unserem Fachblog.

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  • Quellennachweis
    1. Goldberg, S.B., Lam, S.U., Simonsson, O., Torous, J., Sun, S (2022). Mobile phone-based interventions for mental health: A systematic meta- review of 14 meta-analyses of randomized controlled trials. PLOS Digit Health 1(1). doi:. https://doi.org/10.1371/journal.pdig.0000002
    2. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2022). Das Fast-Track-Verfahren für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach § 139e SGB V: Ein Leitfaden für Hersteller, Leistungserbringer und Anwender. Version 3.1 vom 18.03.2022. Abgerufen von: ​​https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medizinprodukte/diga_leitfaden.pdf?__blob=publicationFile
    3. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung (2020). Gesundheits-Apps im klinischen Alltag: Handreichung für Ärztinnen und Ärzte. 1. Auflage, Version 1. Abgerufen von: https://www.aezq.de/gesundheitsapps/pdf/gesundheitsapps-handreichung-aerzt-aerztin-1aufl-vers1.pdf
    4. Howells, A., Ivtzan, I., & Eiroa-Orosa, F. J. (2016). Putting the “app” in Happiness: A Randomised Controlled Trial of a Smartphone-Based Mindfulness Intervention to Enhance Wellbeing. Journal of Happiness Studies, 17(1), 163–185. doi: https://doi.org/10.1007/s10902-014-9589-1
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