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Bindungsangst und was du dagegen tun kannst

Hast du schon einmal eine Beziehung beendet, weil du Angst davor hattest, verletzt zu werden? Oder hast du so starke Beziehungsangst, dass du erst gar keine eingehst? Dann könnte es sein, dass du von Bindungsangst betroffen bist. Aber was genau versteht man eigentlich unter Bindungsangst und weshalb entsteht sie? Das und wie du trotzdem gesunde, vertrauensvolle und langfristige Beziehungen führen kannst, erfährst du in diesem Artikel.

Was ist Bindungsangst und wie äußert sie sich?

Unter Bindungsangst versteht man ganz einfach gesagt die Angst vor zu viel emotionaler Nähe und Intimität. Diese Angst kann sich auf viele verschiedene Arten äußern.

Vielleicht kennst du einige Gedanken oder Verhaltensweisen von dir selbst oder von deinem Partner oder deiner Partnerin.

  • Hast du zum Beispiel schon einmal gedacht: „Wenn ich ihn oder sie zu nah an mich heranlasse, dann werde ich verletzt?”
  • Vermeidest du ganz bewusst Situationen, in denen Nähe und Intimität zu anderen Menschen entstehen kann?
  • Oder fällt es dir sehr schwer, Hilfe von anderen Menschen anzunehmen, weil du Angst davor hast, deine Eigenständigkeit zu verlieren?

All diese Gedanken oder Verhaltensweisen sind bis zu einem gewissen Punkt normal. Es ist nämlich ganz natürlich, dass wir uns vor einer Ablehnung oder einem Verlust einer wichtigen Bezugsperson schützen wollen. Denn Bindungen spielen eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden.

Der Nutzen von Bindungen

Evolutionär gesehen sind nahe und intime Beziehungen für uns Menschen seit jeher wichtig, denn wer enge Beziehungen eingehen konnte, der konnte in gefährlichen und schwierigen Situationen Schutz suchen und Unterstützung finden. Und auch wenn wir heute keinen Schutz mehr vor Säbelzahntigern benötigen und in den meisten Teilen der Welt unseren Alltag problemlos alleine bewältigen können, bieten uns gute Beziehungen emotionale Sicherheit. Sie unterstützen uns in Situationen, in denen wir uns allein überfordert fühlen würden.

Weil Beziehungen also immer noch so wichtig für unser Wohlbefinden sind, können sie in uns Gefühle wie Verlustangst oder Angst vor Ablehnung auslösen. Denn die Aussicht auf Ablehnung durch oder den Verlust von einer wichtigen Bezugsperson kann sich schnell bedrohlich anfühlen. Menschen mit Bindungsangst fühlen diese Bedrohung häufiger und intensiver als andere Menschen. Für sie fühlt sich die Bedrohung oftmals ganz real an. Aber wie kommt es eigentlich dazu, dass einige Menschen bindungsängstlicher sind als andere?

Ursachen für Bindungsangst

Mit der Frage danach, wie Bindungsangst entsteht, beschäftigt sich die psychologische Forschung seit fast einem Jahrhundert. Edward Bowlby und Mary Ainsworth prägten dabei das Feld der Bindungsforschung wie kaum jemand anderes. Sie waren mit die Ersten, die sich mit Themen wie der Mutter-Kind-Bindung, Trennung und Trennungsangst auseinandersetzten. 

Bindungstheorie von Bowlby und Ainsworth

Eine wichtige Frage, die Bowlby und Ainsworth versuchten zu beantworten, lautete: Warum fühlen sich einige Kinder sicher gebunden und andere weniger? Sie kamen zu dem Schluss, dass eine sichere Bindung vor allem dann entsteht, wenn Eltern oder andere enge Bezugspersonen unmittelbar und angemessen auf das Verhalten eines Kindes reagieren. Wenn ein Kind beispielsweise weint und die Eltern trösten, dann lernt es, dass die eigenen Bedürfnisse wahrgenommen werden, wichtig sind und dass es bei anderen Menschen Schutz finden kann. Wenn Eltern hingegen kaum oder unangemessen auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren, dann kann es die Überzeugung entwickeln, dass es nicht wichtig ist und in der Not nicht auf andere Menschen zählen kann.

Später hat sich gezeigt, dass wir die frühen Erfahrungen aus unserer Kindheit mit in das Erwachsenenalter und in spätere Beziehungen tragen. Einige dieser Erfahrungen speichern wir in Wenn-dann-Überzeugungen ab. Das kann so etwas sein, wie: „Wenn ich traurig bin, dann werde ich von anderen Menschen getröstet” oder „Wenn ich zeige, dass ich sauer bin, dann bekomme ich noch mehr Ärger.” Bindungsangst entsteht dann, wenn unsere inneren Vorstellungen von Beziehungen uns sagen, dass Beziehungen zu anderen Menschen gefährlich für uns sind oder sein können.

Übung

Was sind deine eigenen Wenn-dann-Sätze?

Nimm dir ein paar Minuten Zeit und überlege einmal, von welchen Wenn-dann-Sätzen deine Beziehungen geprägt sind. Nutze hierfür die folgenden Satzanfänge:

Wenn ich in einer Beziehung bin, dann…

Wenn ich Nähe zulasse, dann…

Wenn ich meine eigenen Bedürfnisse mitteile, dann…

Wenn ich mich abgrenze, dann…

Einmal bindungsängstlich, immer bindungsängstlich?

Nein, denn deine Annahmen über Beziehungen, die irgendwann einmal hilfreich waren, aber heute nicht mehr gut funktionieren, kannst du verändern. Oder anders gesagt: Die Wenn-dann-Sätze, die dir in früheren Beziehungen geholfen haben, geliebt und nicht verletzt zu werden, sind heute vielleicht gar nicht mehr notwendig. Es gibt einige Dinge, die du tun kannst, um deinen Wenn-dann-Überzeugungen ein Update zu verpassen. 

Bindungsangst überwinden – frühere Bindungserfahrungen reflektieren

Ein wichtiger Schritt ist das Reflektieren deiner früheren Beziehungs­­erfahrungen. Welche Erfahrungen hast du in deiner Kindheit in den Beziehungen zu deinen engsten Bezugspersonen gemacht? Gab es Wenn-dann-Sätze, die eure Beziehung geprägt haben (zum Beispiel: „Wenn ich jemanden zu nah an mich heranlasse, werde ich verletzt”)? Welche Erfahrungen hast du in früheren Liebesbeziehungen gemacht? Haben sich einige Muster wiederholt oder hast du neue Wenn-dann-Sätze dazugelernt? 

Das Reflektieren früherer Beziehungserfahrungen kann dabei helfen, dass wir unser eigenes Bindungsverhalten besser verstehen. Es bietet auch die Chance, aus wenig hilfreichen Mustern auszubrechen. Wenn der oben genannte Wenn-dann-Satz beispielsweise auf dich zutrifft, dann kann dieser ein Teil der Erklärung sein, weshalb es dir in engen Beziehung so schwerfällt, über deine eigenen Gefühle zu sprechen. 

Wichtig ist: Meistens trifft nicht nur ein Wenn-dann-Satz auf die Beziehung zu unseren engsten Bezugspersonen zu. Beziehungen sind komplex und bestehen in der Regel aus einer Vielzahl von positiven und negativen Wenn-dann-Sätzen und Erfahrungen.

Bindungsangst überwinden – neue Erfahrungen machen

Wenn du deine früheren Beziehungs­erfahrungen reflektiert und herausgefunden hast, welche alten Muster heute nicht mehr hilfreich sind, dann kann dir das dabei helfen, neue Erfahrungen zu machen. Denn nur wenn du deine Muster kennst, kannst du ganz bewusst anders handeln. Vielleicht hast du zum Beispiel herausgefunden, dass du dazu neigst, Beziehungen frühzeitig abzubrechen, weil du Angst hast, verletzt zu werden. Mit dem Wissen über dieses Muster, kannst du dich in der nächsten Beziehung ganz bewusst dazu entscheiden, über deine Ängste zu sprechen, anstatt die Beziehung zu beenden.

Mit jedem Reflektieren und Lernen durch neue Erfahrungen stellst du deinen inneren Bindungskompass sozusagen Stück für Stück neu ein.

Wenn du merkst, dass es dir schwerfällt, neue Erfahrungen zu machen und du immer wieder in die gleichen Muster hineinrutschst, dann kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Ein Psychotherapeut oder eine Psychotherapeutin kann dir dabei helfen, die altbekannten Muster zu erkennen und neue Wege auszuprobieren. Infos dazu, wie du einen Psychotherapieplatz finden kannst, welche Therapieform für dich die passendste ist und weitere spannende Artikel rund um das Thema Therapie findest du auf unserem HelloBetter Blog.

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  • Quellennachweis
    1. Rohmann, E., Küpper, B., & Schmohr, M. (2006). Wie stabil sind Bindungsangst und Bindungsvermeidung? Der Einfluss von Persönlichkeit und Beziehungsveränderungen auf die partnerbezogenen Bindungsdimensionen. Journal of Family Research, 18(1), 4-26.
    2. Simpson, J. A., & Rholes, W. S. (2017). Adult attachment, stress, and romantic relationships. Current opinion in psychology, 13, 19-24.
    3. Bretherton, I. (1992). The origins of attachment theory: John Bowlby and Mary Ainsworth. Developmental psychology, 28(5), 759.
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