Was sind Energievampire?
Nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommen und sich bei der WG-Mitbewohnerin darüber auslassen, was heute alles schief gelaufen ist oder Rat bei einem Freund suchen, wenn es in der eigenen Beziehung kriselt – wir alle laden unseren Frust hin und wieder auf Menschen ab, die uns nahestehen. Das ist auch völlig okay und sogar gut so. Denn wir müssen nicht alles alleine schaffen und dürfen uns Unterstützung bei nahestehenden Personen suchen. Wichtig ist nur, dass wir dabei die Bedürfnisse unserer Mitmenschen nicht völlig aus den Augen verlieren.
Energievampire, wahlweise auch Energiediebe oder Energieräuber genannt, tun jedoch genau das: Sie nehmen ständig die Zeit und Aufmerksamkeit anderer Personen in Anspruch, ohne dabei auf ihr Gegenüber zu achten. Ob das Gegenüber vielleicht einen genauso schlechten Tag hatte und deshalb nicht stundenlang mit Rat und Tat für die eigenen Probleme zur Seite stehen möchte, ist für einen Energievampir zweitrangig. Was in allererster Linie zählt, ist, die eigenen Sorgen loszuwerden und Aufmerksamkeit in Form von Mitgefühl oder Interesse entgegengebracht zu bekommen.
Gut zu wissen: Auch wenn ein solches Verhalten vielleicht anstrengend und verletzend für dich sein kann, ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass solche Menschen in der Regel nicht mit böser Absicht handeln. Die eigenen Probleme scheinen für einen Energievampir oft so groß und belastend, dass er oder sie kaum einen Blick für das Befinden seiner oder ihrer Mitmenschen übrig hat.
Das heißt nicht, dass wir dieses Verhalten, welches uns selbst nicht guttut, einfach hinnehmen müssen. Es hilft uns jedoch dabei, Energievampire besser zu verstehen.
Auf wen haben es Energieräuber typischerweise abgesehen?
Energievampire werden weniger von bestimmten Menschen als von bestimmten Verhaltensweisen angezogen. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn das bedeutet, dass du Energieräubern nicht hilflos ausgesetzt bist. Die Frage ist: Welches Verhalten lädt andere Menschen dazu ein, ihre Probleme auf uns abzuwälzen und unsere Energievorräte auszusaugen?
Viel Empathie und wenig Grenzen
Menschen, denen es selbst nicht gut geht, kann es oft besonders schwerfallen, einen Blick für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu bewahren. Um das besser zu verstehen, erinnere dich einmal an eine Zeit, in der es dir besonders schlecht ging. Vielleicht als du Liebeskummer hattest oder in einer Phase, in der du nicht wusstest, wo es als Nächstes für dich hingehen soll. Erinnerst du dich daran, wie stark und laut deine belastenden Gedanken und Gefühle waren und wie wenig Kapazitäten du in dieser Phase hattest, für deine Mitmenschen da zu sein?
Energievampieren geht es ähnlich. Auch wenn ihr Verhalten teilweise manipulativ wirken kann, so, als wüssten sie genau, was sie da täten, steckt dahinter oft ein verletztes Bedürfnis. Zum Beispiel das Bedürfnis danach, Zuwendung zu erhalten oder endlich einmal richtig gehört zu werden. Menschen mit starker Empathie sind daher besonders gefährdet, von Energieräubern ausgenutzt zu werden. Denn sie hören den Problemen anderer Menschen oft sehr interessiert zu und haben ein Interesse daran, für ihre Mitmenschen da zu sein. Jemandem, der sehr empathisch ist, fällt es oft schwer, die eigenen Grenzen zu wahren und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Das merken Energievampire unterbewusst oder bewusst und tun sich daher besonders gerne mit empathischen Menschen zusammen.
Superheldin für andere Menschen sein
Auch die Überzeugung, dass jeder Mensch gerettet werden kann oder sollte, kann im Umgang mit Energiedieben zu Schwierigkeiten führen. Natürlich ist es eine liebenswerte Eigenschaft, das Beste von anderen Menschen anzunehmen und für sie da sein zu wollen. Deine allerwichtigste Aufgabe sollte es aber immer sein, dich gut um dich selbst zu kümmern. Das ist nicht egoistisch, sondern notwendig, damit wir dauerhaft zufrieden und psychisch gesund bleiben. Wenn du ähnliche Überzeugungen von dir selbst kennst, frage dich einmal, woher diese Annahmen kommen. Manchmal steckt hinter unserem aufopfernden Verhalten nämlich der Glaubenssatz, dass wir nur geliebt werden, wenn wir für andere Menschen da sind. Diese Überzeugung kann auf Dauer dazu führen, dass wir uns selbst ausbeuten und zu wenig auf uns selbst und unsere eigenen Bedürfnisse achten.
Was hilft im Umgang mit Energievampiren?
Auch wenn du dich in dem Verhalten wiederfindest, das Energieräuber typischerweise anzieht, heißt das nicht, dass du ihnen für immer hilflos ausgesetzt bist. Es gibt einige wichtige Dinge, die du tun kannst, um besser auf dich selbst zu achten.
1Auf das eigene Bauchgefühl hören
Zuerst einmal ist es wichtig, Energievampire als solche zu erkennen. Das eigene Bauchgefühl ist dafür in der Regel die beste Alarmanlage. Nimmst du in Gegenwart des vermeintlichen Energievampires unangenehme Gefühle wie Anspannung, unter Druck gesetzt fühlen oder sogar Ängstlichkeit wahr? Dann lohnt sich ein genauerer Blick auf die Situation. Überlege einmal, ob du diese Gefühle häufiger verspürst, wenn du mit der entsprechenden Person Zeit verbringst. Frage dich auch, wie das Verhalten aus Geben und Nehmen in eurer Beziehung für dich ausfällt. Das Geben und Nehmen in einer Beziehung muss nicht immer und zu jedem Zeitpunkt völlig ausgeglichen sein, sollte sich aber über einen längeren Zeitraum ungefähr annähern.
2Mit anderen Menschen darüber reden
Falls du unsicher bist, ob eure Freundschaft Formen annimmt, die dir nicht guttun, kann es hilfreich sein, das Gespräch mit einer dritten Person zu suchen. Eine unbeteiligte Person kann dich dabei unterstützen, die Situation mit mehr Distanz zu betrachten. Vor allem in Situationen, in die wir emotional sehr involviert sind, kann eine distanzierte Sichtweise sehr hilfreich sein. Sie hilft uns, die Situation objektiver zu bewerten und aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
3Ein klärendes Gespräch suchen
Solltest du zu dem Schluss kommen, dass dir das Verhalten der anderen Person nicht guttut, empfiehlt sich in jedem Fall ein klärendes Gespräch. Wie bei allen klärenden Gesprächen ist es auch hier wichtig, dem Gegenüber nicht einfach Vorwürfe zu machen, sondern vielmehr deine eigenen Gefühle und Gedanken näher zu bringen. Das kann zum Beispiel so etwas sein wie: „Wenn du so viel von dir erzählst, dass wir am Ende unserer Treffen nur ein paar Minuten für meine Themen haben, habe ich das Gefühl, nicht genug Raum zu haben.“
Vor allem dann, wenn deinem Gegenüber das eigene schädliche Verhalten nicht aufgefallen ist, kann es wertvoll sein, einen Wunsch für euer zukünftiges Miteinander zu äußern. Zum Beispiel so etwas wie: „Ich würde mir wünschen, dass auch du mich ganz bewusst danach fragst, wie es mir geht und mir so aufmerksam und interessiert zuhörst, wie ich das bei dir tue.” Lasse auch dein Gegenüber zu Wort kommen und gebe ihm die Möglichkeit, die Beweggründe für das eigene Verhalten zu erklären.
4Wenn nötig, Abstand nehmen
Falls auch ein klärendes Gespräch nicht die gewünschte Veränderung bringt, kann Abstand nehmen von der entsprechenden Person ein wichtiger Schritt sein. Das geht manchmal gut, zum Beispiel, wenn es sich um einen entfernten Bekannten handelt, dem man gut aus dem Weg gehen kann. Und manchmal geht es schlechter, etwa dann, wenn es sich um ein Familienmitglied handelt, das man immer mal wieder zu sehen bekommt.
Viel wichtiger als der Person tatsächlich aus dem Weg zu gehen, ist es jedoch sowieso, emotional gut auf dich aufzupassen. Was das genau heißt? Das bedeutet, dass du dir Gedanken darüber machen könntest, wie viel Wichtigkeit die Beziehung in deinem Leben einnehmen soll. Wie viel möchtest du von dir geben, wenn du im Gegenzug nur wenig zurückbekommst? Wenn du deine eigenen Erwartungen an eure Beziehung für dich klar hast, kann es einfacher sein, ausufernde Gespräche schneller zu beenden und klarer Grenzen zu setzen.
Fazit – Energievampire sind auch nur Menschen
Am Ende sind Energievampire auch nur Menschen, denen es mit großer Wahrscheinlichkeit selbst nicht gut geht. Deine Aufgabe ist es jedoch vor allem, auf dich selbst aufzupassen. Im Umgang mit Energievampiren gilt daher vor allem ein achtsamer Umgang mit deinen Bedürfnissen.
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Quellennachweis
- Jordan, J. V. (1984). Empathy and self boundaries (Vol. 16). Stone Center for Developmental Services and Studies, Wellesley College.
- Weisz, E., & Cikara, M. (2021). Strategic regulation of empathy. Trends in Cognitive Sciences, 25(3), 213-227.
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