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Welche psychotherapeutischen Leistungen können über die GKV abgerechnet werden?

In Deutschland stehen Versicherten verschiedene psychotherapeutische Leistungen zur Verfügung. Welche das sind, in welchem Umfang sie in Anspruch genommen werden können und wie die Abrechnung für Sie als Behandelnde funktioniert, haben wir Ihnen in diesem Artikel zusammengestellt. Außerdem finden Sie eine Übersicht über alle Indikationen, die eine psychotherapeutische Behandlung über die GKV erlauben, sowie alternative Angebote für psychische Beschwerden, die eine solche Behandlung nicht ermöglichen.

Psychotherapeutische Leistungen vor Therapiebeginn 

Vor dem Beginn einer Richtlinienpsychotherapie stehen verschiedene ambulante Leistungen zur Verfügung. Mit diesen lässt sich eine mögliche Indikation überprüfen und die passende Form der Behandlung finden. Außerdem können erste Fragen seitens der Patientin oder des Patienten geklärt werden. Einige dieser Leistungen ermöglichen darüber hinaus bereits erste psychotherapeutische Interventionen.

1Psychotherapeutische Sprechstunde

Die psychotherapeutische Sprechstunde ermöglicht zum einen den niederschwelligen Zugang zur psychotherapeutischen Behandlung und dient zum anderen der frühzeitigen diagnostischen Abklärung einer vorliegenden Symptomatik. Die Therapeutin oder der Therapeut klärt dabei vor allem ab, ob der Verdacht auf eine psychische Erkrankung vorliegt und somit eine psychotherapeutische Behandlung indiziert ist oder ob andere Unterstützungsangebote, z. B. in Form von psychologischer Beratung, zur Behandlung der Beschwerden ausreichend sein könnten. 

Im Anschluss an die psychotherapeutische Sprechstunde erhält der Patient ein PTV-11 Formular (PTV = Psychotherapievereinbarung), auf welchem unter anderem die Verdachtsdiagnose sowie entsprechende Behandlungsempfehlung zu finden sind. Sollte eine Psychotherapie nach Richtlinie indiziert sein, muss die Behandlung nicht zwingend durch die Therapeutin erfolgen, der die Sprechstunde durchgeführt hat. Auch wenn die psychotherapeutische Sprechstunde primär der Abklärung gilt, können bereits erste therapeutische Interventionen eingebracht werden, um die akute Symptomatik zu lindern. 

Umfang: Eine Sprechstunde dauert mindestens 25 Minuten. Pro Patient können maximal sechs Sprechstunden je Krankheitsfall (umfasst das aktuelle und die drei darauf folgenden Quartale) durchgeführt werden. Insgesamt stehen jedem Patienten 150 Minuten zur Verfügung.

Alle Behandelnden mit einer Genehmigung zur Abrechnung von Richtlinienpsychotherapie sind dazu verpflichtet, psychotherapeutische Sprechstunden anzubieten. Bei einem vollen Versorgungsauftrag müssen mindestens 100 Minuten pro Woche gewährleistet werden, bei einem halben Versorgungsauftrag entsprechend mindestens 50 Minuten. Auch Patienten sind vor dem Beginn einer Richtlinienpsychotherapie dazu verpflichtet, eine psychotherapeutische Sprechstunde zu besuchen.

2Gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung

Wenn in der psychotherapeutischen Sprechstunde die Indikation für eine  Psychotherapie gestellt wurde, kann die gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung eine mögliche Behandlung für die betroffenen Patientinnen darstellen. Diese ist nicht antrags- und genehmigungspflichtig und kann daher sofort begonnen werden. Ziel der gruppenpsychotherapeutischen Grundversorgung ist die Vermittlung von Informationen über das entsprechende Störungsbild sowie über den Umgang mit entsprechenden Symptomen, Beeinträchtigungen und Belastungen. Darüber hinaus sollen individuelle Fragen besprochen und eventuelle Vorbehalte bezüglich einer möglicherweise anschließenden Gruppenpsychotherapie geklärt werden können. 

Bei der gruppenpsychotherapeutischen Grundversorgung handelt es sich also nicht um die eigentliche Richtlinienpsychotherapie. Vielmehr steht die Psychoedukation bezüglich der entsprechenden Erkrankung der Gruppenmitglieder im Vordergrund. 

Umfang: Die gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung kann viermal je Krankheitsfall abgerechnet werden. Eine Sitzung dauert dabei 100 Minuten. Insgesamt können also pro Patientin und Patient bis zu 400 Minuten abgerechnet werden. Die Dauer der Sitzungen kann ebenfalls auf 50 Minuten reduziert werden. In diesem Fall verdoppelt sich die Anzahl an zulässigen Sitzungen entsprechend. 

3Akutbehandlung

Die Akutbehandlung ist nicht genehmigungspflichtig und kann somit bei akuten psychischen Krisen schnell Abhilfe verschaffen. Trotzdem besteht eine Anzeigepflicht. Die Akutbehandlung muss der Krankenkasse also gemeldet, nicht jedoch von dieser genehmigt werden. In Fällen, in denen eine Richtlinienpsychotherapie auch nach der Akutbehandlung weiterhin indiziert bleibt, kann sie Betroffene stabilisieren und auf die weitere Behandlung vorbereiten. Im Rahmen der Akutbehandlung erbrachte Stunden sind in diesem Fall mit der anschließenden Kurz- oder Langzeittherapie zu verrechnen. 

Umfang: Die Akutbehandlung kann je Krankheitsfall bis zu 24 mal mit einer Dauer von 25 Minuten durchgeführt werden.

4Probatorische Einzel- und Gruppensitzungen

Vor einer Richtlinienpsychotherapie (Kurz- oder Langzeittherapie) müssen mindestens zwei probatorische Sitzungen durchgeführt werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn vorab eine gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung oder Akutbehandlung erfolgt ist. Den Antrag auf eine anschließende Richtlinienpsychotherapie können Sie bereits nach der ersten probatorischen Sitzung stellen, insofern der Termin für eine zweite probatorische Sitzung bereits vereinbart ist. Sollte eine Richtlinienpsychotherapie in der Gruppe angestrebt werden, kann die Probatorik auch im Gruppensetting stattfinden. Mindestens eine probatorische Sitzung muss jedoch auch in diesem Fall im Einzelsetting stattfinden. 

Umfang: Mindestens zwei, maximal vier Sitzungen bei Erwachsenen mit einer Dauer von 50 Minuten.

Leistungsanspruch auf Psychotherapie nach Richtlinie 

Ob eine Richtlinientherapie auch nach Inanspruchnahme der oben aufgeführten psychotherapeutischen Leistungen weiterhin indiziert bleibt, gilt es im Einzelfall zu klären. Bleibt die Indikation bestehen, muss die für den Patienten passende Form der Richtlinientherapie ausgewählt werden. Die verschiedenen Formen unterscheiden sich dabei vor allem in Art (ambulant/digital) und Umfang (kurz/lang).

1Kurzzeittherapie

Die Beantragung einer Kurzzeittherapie bei der Krankenkasse erfolgt wenn möglich bereits während der Probatorik. Ein Gutachten wird nur dann notwendig, wenn innerhalb der vergangenen zwei Jahre bereits eine Richtlinienpsychotherapie stattgefunden hat oder in Ausnahmefällen nach Ermessen der Krankenkassen. Eine Kurzzeittherapie kann bei Bedarf in eine Langzeittherapie umgewandelt werden. Der Antrag auf Umwandlung sollte für einen nahtlosen Übergang in der Regel mindestens 4-5 Wochen vor Ende der Kurzzeittherapie gestellt werden.  

Umfang: Eine Kurzzeittherapie umfasst bis zu 24 Therapieeinheiten mit einer Dauer von jeweils 50 Minuten. Sie kann in zwei Schritten von jeweils 12 Therapieeinheiten beantragt werden.

2Langzeittherapie

Anders als bei der Kurzzeittherapie besteht bei der Langzeittherapie eine Gutachtenpflicht. 

Genau wie bei der Kurzzeittherapie erfolgt die Beantragung der Therapieeinheiten in zwei aufeinanderfolgenden Bewilligungsschritten. Wie viele Einheiten pro Schritt in welchem Verfahren bewilligt werden, können Sie der folgenden Tabelle entnehmen: 

Tabelle zum Überblick über Leistungen der Langzeittherapie für verschiedene Therapieverfahren

Umfang: Eine Langzeittherapie umfasst je nach Richtlinienverfahren bis zu 160 Stunden mit einer Dauer von jeweils 50 Minuten pro Sitzung. Dabei sollte die maximale wöchentliche Anzahl von drei Sitzungen nicht überschritten werden. 

3Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und Videosprechstunde

Mit dem Ende 2019 in Kraft getretenen Digitale-Versorgung-Gesetz können sich Patienten neben einer klassischen, sprechzimmerbasierten Kurz- oder Langzeittherapie nun ebenfalls für eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) entscheiden. Das digitale Therapieprogramm HelloBetter Stress und Burnout ist ein Beispiel für eine DiGA, die Teilnehmende dazu anregt, ihre bisherige Situation zu reflektieren und neue, hilfreiche Strategien für einen besseren Umgang mit Stress zu erlernen. Eine Übersicht über alle über die GKV abrechenbaren DiGA finden Sie im DiGA-Verzeichnis

Neben der Nutzung einer DiGA stellt die Videosprechstunde eine alternative Möglichkeit zur klassischen, sprechzimmerbasierten Richtlinienpsychotherapie dar. Als Behandelnde können Sie bis zu 30 % aller psychotherapeutischen Leistungen über die Videosprechstunde abrechnen. Wie genau die Integration von Online-Komponenten in die klassische psychotherapeutische Versorgung am besten gelingen kann, erfahren Sie in unserem Artikel zum Thema Blended Care.  

Umfang: Während sich die Anzahl der Therapieeinheiten zwischen der ambulanten und videobasierten Versorgung nicht unterscheiden, ist die Teilnahme an einer DiGA in der Regel nicht an eine feste Anzahl an Therapieeinheiten geknüpft. DiGA-Teilnehmende erarbeiten sich die Inhalte eigenständig und sind dabei zeit- und ortsunabhängig. Die DiGA steht Ihnen dabei üblicherweise ein Quartal lang zur Verfügung. Ein Folgerezept ist in der Regel möglich.

Rezidivprophylaxe

Um möglichen Rückfällen vorzubeugen, kann nach Abschluss einer Langzeittherapie eine Rezidivprophylaxe erfolgen. Hierfür müssen Stunden aus dem Kontingent der vorangegangenen Langzeittherapie genutzt werden. Die genaue Anzahl der für die Rezidivprophylaxe eingeplanten Stunden muss zu Beginn der Langzeittherapie nicht angegeben werden. Wichtig ist jedoch, dass eine Rezidivprophylaxe vorab nicht ausgeschlossen wird. 

Umfang: Für Erwachsene gilt ein Umfang von:

  • maximal 8 Stunden bei einer Behandlungsdauer von insgesamt 40 – 59 Stunden
  • maximal 16 Stunden von einer Behandlungsdauer von 60 Stunden oder mehr

Welche Indikationen erlauben eine psychotherapeutische Behandlung über die GKV?

In der Psychotherapie-Richtlinie definiert der Gemeinsame Bundesausschuss die Indikationen zur Anwendung von Psychotherapie. Eine Psychotherapie als Leistung der GKV kann demnach nur dann verordnet werden, wenn:

  • ein Behandlungserfolg erwartet werden kann (dies ist zum Beispiel bei mangelnder Motivationslage ggf. nicht gegeben).
  • die psychotherapeutische Behandlung der Heilung beziehungsweise der Besserung einer psychischen Erkrankung dient.

Dabei kommen für die psychotherapeutische Behandlung über die GKV folgende psychische Erkrankungen in Frage: 

  • Affektive Störungen (depressive Erkrankung, bipolare Erkrankung, Dysthymie)
  • Angststörungen und Zwangsstörungen
  • Essstörungen 
  • Nichtorganische Schlafstörungen 
  • Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen 
  • Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
  • Sexuelle Funktionsstörungen 
  • Somatoforme Störungen und Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen)
  • Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend 

Alternativen für Indikationen, die keine psychotherapeutischen Leistungen über die GKV erlauben

Behandlungen, die allein der Erziehungs-, Ehe-, Lebens- und Sexualberatung, nicht aber der Heilung oder Besserung von psychischen Erkrankungen dienen, können nicht über die GKV abgerechnet werden. Den Betroffenen sollte in diesem Fall eine (psychologische) Beratung empfohlen werden. In der Infobox unter diesem Absatz erfahren Sie mehr über die Unterschiede zwischen einer Richtlinienpsychotherapie und einer psychologischen Beratung. 

Auch für die Z-Diagnose Burnout lässt sich als alleinstehende Diagnose aktuell keine ambulante Richtlinienpsychotherapie abrechnen. Das kann problematisch sein, denn viele Betroffene verspüren einen starken Leidensdruck und wünschen sich dringend psychotherapeutische Unterstützung. Abhilfe schaffen können hier digitale Therapieprogramme wie HelloBetter Stress und Burnout. Diese ermöglichen eine an den Behandlungsleitlinien orientierte psychotherapeutische Behandlung. Ähnlich wie in einer ambulanten Psychotherapie reflektieren Betroffene das eigene Erleben und Verhalten und erlernen wirksame Strategien für einen besseren Umgang mit Stress und der eigenen Burnout-Symptomatik. 

Unterschied zwischen psychotherapeutischer Behandlung und psychologischer Beratung

Während eine psychotherapeutische Behandlung nach Richtlinie von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten oder Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender Zusatzausbildung im ambulanten oder klinischen Setting durchgeführt wird, kann eine psychologische Beratung durch weitere Berufsgruppen (z. B. Sozialarbeiterinnen und Pädagogen) durchgeführt werden. Der Begriff der psychologischen Beratung ist im Vergleich zur Psychotherapie nicht geschützt. Zu den Anlaufstellen für psychologische Beratung zählen soziale Einrichtungen wie zum Beispiel Antidiskriminierungsstellen, Erziehungsberatungsstellen oder Sexualberatungen.

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  • Quellennachweis
    1. https://www.kbv.de/media/sp/2020_11_20_Psycho_RL.pdf (Aktuelle Version der Richtlinie Psychotherapie (Beschluss vom 20.11.2020), in Kraft getreten am 18.02.2021)
    2. https://www.kbv.de/html/26956.php
    3. https://www.kvbb.de/praxis/abrechnung/themen-a-z/psychotherapie/
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