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Wie kann ich Gelassenheit lernen?

Innere Unruhe, Gereiztheit, Stress – die meisten von uns wissen genau, wie sich diese Zustände anfühlen und auch, wie wir normalerweise auf sie reagieren. Wir fühlen uns unwohl und verhalten uns häufig nicht so, wie wir möchten. Daher kann der Wunsch nach mehr Gelassenheit in uns laut werden. Doch was ist Gelassenheit genau und wie können wir gelassener werden?

Was ist Gelassenheit?

Schon das Wort Gelassenheit verrät es: Gelassenheit bedeutet, etwas zu lassen. Genauer gesagt, lassen wir unsere Gefühle so wie sie sind. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns hoffnungslos in ihnen verlieren. Im Gegenteil: Indem wir unsere Gefühle zulassen und nicht gegen sie ankämpfen, können wir die freigewordene Energie dafür nutzen, bewusster zu entscheiden, wie wir auf sie reagieren möchten. Dadurch können wir auch äußerlich gelassener werden und es kann zum Beispiel weniger zu Wutausbrüchen kommen. Gelassenheit funktioniert also gewissermaßen, indem wir das automatische Reagieren durchbrechen. Und zwar wenn wir unsere Gefühle bewusst wahrnehmen und eine klare Entscheidung treffen, ob und wie wir ihnen Ausdruck verleihen möchten. 

Gelassenheit ist nicht Gleichgültigkeit und heißt auch nicht, dass es uns an starken Gefühlen, Selbstmotivation oder am Willen zu Veränderungen mangelt. Wir können uns gelassen verhalten und gleichzeitig intensiv fühlen und uns voller Elan zum Beispiel für Dinge einsetzen, die uns wichtig sind. 

Gelassenheit lernen braucht Mut und Vertrauen

„Reg dich nicht so auf!” Diesen Satz haben wir wohl alle schon einmal gehört und andersherum könnte er lauten: „Bleib doch einfach gelassen!” Doch so einfach ist das nicht. Der Grund dafür ist, dass viele Menschen dem Glaubenssatz folgen, unangenehme Gefühle kontrollieren zu müssen, um gelassener zu sein. Um zum Beispiel nicht wütend zu reagieren, denken wir, dass wir nicht wütend werden dürfen. Tatsächlich funktioniert es jedoch andersherum:

Indem wir unsere Gefühle aufkommen und da sein lassen, können wir gelassener werden. Wir merken, dass wir sie aushalten können und gewinnen so an innerer Stärke.

Schwierig ist das, weil es Mut und Vertrauen dazu braucht. Manchmal haben wir nämlich Angst vor unseren Gefühlen und es fehlt uns die bewusste Erfahrung, dass Gefühle tatsächlich weniger Macht über uns haben, wenn wir sie nicht „wegdrücken”. Typische Gedanken sind zum Beispiel:

  • Wenn ich die Trauer zulasse, höre ich nicht mehr auf zu weinen.
  • Wenn ich richtig wütend werde, kann ich mich nicht mehr kontrollieren.
  • Wenn ich nicht gegen die Angst ankämpfe, werde ich verrückt.
  • Wenn ich Ärger zeige, wenden sich Leute von mir ab. 

Gelassenheit kann sich entwickeln, wenn ich die Erfahrung mache, dass ich alle Gefühle fühlen kann, ohne dass diese Befürchtungen immer wahr werden. Dass Gefühle unangenehm sind, aber dass sie mir nichts anhaben können. Dadurch kann sich die Überzeugung entwickeln: „Ich kann mit meinen Gefühlen umgehen.” Die Frage ist nur …

Wie kann ich meine Gefühle zulassen?

Zunächst ist es deine Entscheidung, ob du das möchtest. Dann ist es wichtig, dass du dir Unterstützung suchen kannst, um dich deinen belastenden Gefühlen zu stellen. Das kann zum Beispiel eine Psychotherapie sein, wenn du bereits unter deinen Gefühlen leidest. Es gibt aber auch andere Wege, um mit deinen Gefühlen in Kontakt zu kommen, zum Beispiel eine geleitete Meditation zur Wahrnehmung deiner Gefühle. 

Um nicht von einem starken Gefühlsstrom mitgerissen zu werden, ist es außerdem wichtig, dass du einen „Anker” hast. Dieser Anker kann dein Atem sein. Das bedeutet, dass du dich auf deinen Atem konzentrierst und gleichzeitig deine Gefühle wahrnimmst. Wenn dir eine Gefühlswelle zu stark ist, kannst du dich ein paar Atemzüge lang nur auf deinen Atem konzentrieren.

Versuche, Atmung und Gefühle so wahrzunehmen, als wärst du ein neutraler Beobachter. Du kannst dir dafür zum Beispiel vorstellen, dass du diese Gefühle zum ersten Mal erlebst und ganz unvoreingenommen spürst.

Dafür setzt du dich am besten hin und achtest bewusst auf Atmung und Gefühle. Auf diese Weise zum Beispiel 5 Minuten am Tag zu üben, kann bewirken, dass du auch in Stresssituationen besser mit deinen Gefühlen zurechtkommst. Doch ist das schon Gelassenheit?

Wie kann ich gelassen reagieren?

Gelassenheit besteht aus zwei Aspekten: sich gelassen fühlen und gelassen reagieren. Wenn du zwar Ruhe bewahrst, aber eigentlich keine innere Ruhe spürst, wirkst du vermutlich trotzdem angespannt. Vielleicht hast du selbst schon erlebt, dass Menschen ruhig sprechen, aber es ist spürbar, dass sie ihre Wut unterdrücken. In diesem Fall nehmen wir diese Person nicht als gelassen wahr.

Wenn du übst, deine Gefühle neutral zu beobachten und deinen Atem als Anker zu benutzen, kannst du dich mit der Zeit gelassener fühlen. Trotzdem kannst du den Drang verspüren – vielleicht auch nur aus Gewohnheit – entsprechend emotional zu reagieren. Deshalb kannst du dir vorher überlegen, wie du dich verhalten möchtest. Das hat auch mit deinen inneren Werten zu tun. Vielleicht möchtest du Werten wie Selbstfürsorge, Mitgefühl oder Freundlichkeit in deinem Leben Ausdruck verleihen. Welche Reaktionen passen dazu? Wenn du Gelassenheit trainieren möchtest, kannst du darauf achten, ob du dich gerade wie der Mensch verhältst, der du sein möchtest. Das kann zum Beispiel bedeuten …

  • zwar deinen Ärger wahrzunehmen, aber nicht das Flughafenpersonal zur Schnecke zu machen, wenn dein Flug gestrichen wurde.
  • an einem stressigen Arbeitstag einer Kollegin etwas Liebes zu schreiben, anstatt sich mit ihr über den Stress zu beschweren.
  • zehn Minuten zu warten, bis dein Kind sich den Schuh zugebunden hat und nicht vor Ungeduld auszuflippen.
  • zuerst in einem Streit mit deinem Partner oder deine Partnerin einzulenken, statt weiter zu bohren.

All das sind Entscheidungen, die du treffen kannst, wenn du das automatische Reagieren durch die bewusste Wahrnehmung deiner Gefühle durchbrichst. Das Schöne ist: Du kannst bereits heute damit beginnen, Gelassenheit zu lernen. Schon eine andere Reaktion am Tag kann einen Unterschied machen. Los geht’s!

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