Warum wollen wir uns überhaupt selbst beruhigen?
Gelassenheit, Ruhe bewahren, Geduld, mit sich im Reinen sein – diese Eigenschaften und Zustände findet wohl jeder Mensch erstrebenswert. Niemand legt Wert darauf, schnell aus der Haut zu fahren und nervös durch die Gegend zu geistern. Das kann zum einen daran liegen, dass es sich meist angenehmer anfühlt, ausgeglichen und emotional stabil zu sein. Zum anderen ist es häufig auch für unsere Mitmenschen wohltuender. So können sich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen harmonischer gestalten, wenn wir innerlich ruhig sind und nicht alles persönlich nehmen oder regelmäßig „ausflippen”.
Das Leben kann sich auch ein Stück leichter anfühlen, wenn wir nicht zwingend jemanden brauchen, der uns zum Beispiel durch Anwesenheit, Worte oder Gesten Sicherheit vermitteln muss, damit wir uns gut fühlen. Wenn wir sozusagen unser eigener Fels in der Brandung sind.
Finde deine Motivation
Im vorherigen Absatz stehen viele gute Gründe, warum es sich lohnen kann, sich selbst beruhigen zu können. Wenn du dieses Vorhaben nun angehen möchtest, ist es jedoch wichtig, dir noch einmal über deine eigene Motivation klar zu werden. Sich selbst beruhigen zu können, sollte nichts damit zu tun haben, deine Gefühle gekonnt zu übergehen, unauffällig zu sein, für andere pflegeleicht zu werden und dich anzupassen. Das würde langfristig vermutlich dein Wohlbefinden trüben, anstatt es zu verbessern, weil du deine eigenen Bedürfnisse unterdrückst.
Der Wunsch, sich selbst beruhigen zu können, kann hingegen wertvoller für dich sein, wenn er mit dem Gedanken deines persönlichen Wachstums verbunden ist. Das heißt, dass es nicht darum geht, Angst, Wut oder auch Stress „in Schach zu halten”, weil sie für dich und andere unangenehm sind, sondern mit den dahintersteckenden Bedürfnissen in Kontakt zu kommen – dazu in den nächsten Absätzen mehr. Wenn das gelingt, können wir diesen Bedürfnissen, ganz undramatisch und wohltuend, nachkommen oder sie anderen gegenüber klarer kommunizieren und uns langfristig wohler fühlen.
Frage dich: Wozu brauche ich die Unruhe?
Wenn du dich unruhig, ängstlich, gestresst oder wütend fühlst, kannst du mal versuchen, darüber nachzudenken, was durch diese inneren Turbulenzen erreicht wird. Natürlich ist uns schmerzlich bewusst, dass sie sich unangenehm anfühlen, aber überleg mal: Wozu sind sie gut? Wirst du durch sie veranlasst, etwas zu tun – oder zu lassen? Bringen sie dir auch Vorteile?
Durch Wut fällt es uns zum Beispiel häufig leichter, uns Gehör zu verschaffen und uns durchzusetzen. Wenn wir uns gestresst fühlen, merken wir, dass zum Beispiel unser Arbeitspensum zu hoch ist oder wir trauen uns erst dann, um Unterstützung zu bitten. Auch Angst kann ganz unterschiedliche Ziele verfolgen, zum Beispiel die Zuwendung anderer zu erhalten oder mögliche Gefahren zu umgehen.
Selbstfürsorge: Der Schlüssel, um sich selbst zu beruhigen
Indem du dich fragst: „Hey, wozu ist dieses Gefühl gerade gut? Welche Botschaft hat es für mich?” kann es gelingen, dich selbst zu beruhigen. Du signalisierst deiner Psyche damit: Ich möchte mich darum kümmern, dass ich das bekomme, was ich brauche, damit es mir gut geht.
Damit sind wir nicht auf jemanden oder etwas angewiesen, um uns zu fragen, was los ist und uns zu beruhigen.
Wir schenken uns selbst unsere Aufmerksamkeit und nehmen unsere Bedürfnisse wahr. Es ist ganz wichtig, dass wir uns im Anschluss auch tatsächlich selbstfürsorglich verhalten.
Unangenehme Gefühle und innere Unruhe können auf diese Art und Weise zu vorübergehenden Signalen werden, die wertvoll für uns sind, anstatt zu vermeintlichen Feinden, die wir schnellstmöglich loswerden müssen. Das kann auch dazu führen, dass wir uns insgesamt weniger vor ihnen fürchten.
Sich selbst beruhigen bei Stress
Da gibt es diese Situationen, in denen wir zu Hause auf der Couch sitzen und plötzlich werden wir angespannt, weil uns in den Sinn kommt, wie viel wir morgen zu tun haben und gar nicht wissen, wie wir alles schaffen sollen. Hinterfragen wir die Anspannung, können wir zu dem Schluss kommen, dass wir einen der Termine lieber verschieben oder einen Freund um Unterstützung bitten.
Es gibt jedoch auch Situationen, in denen verlieren wir die innere Ruhe, weil unser Partner oder unsere Partnerin im Streit etwas sagt, das uns verletzt und schon wollen wir zum wütenden Gegenschlag ausholen. Im Nachhinein spricht man dann oft davon, „auf 180” gewesen zu sein oder etwas im Eifer des Gefechts gesagt oder getan zu haben. Das Problem ist, dass es in hochemotionalen Situationen schwieriger ist, einen kühlen Kopf – genauer gesagt einen kühlen präfrontalen Kortex – zu bewahren.
Der präfrontale Kortex im Gehirn ist für die sogenannte „kognitive Kontrolle” zuständig, also zum Beispiel dafür, langfristige Folgen zu bedenken und Ziele aufrechtzuerhalten.
Kognitive Kontrolle können wir trainieren und wir haben 3 Tipps für dich, mit denen es gelingen kann, sich bei akutem Stress selbst zu beruhigen:
1Kenne deine Werte
Wenn du klar vor Augen hast, nach welchen inneren Werten du dich verhalten willst, kann es dir besser gelingen, das auch tatsächlich zu tun. Das bedeutet, wenn du Werte wie Freundlichkeit, Geduld oder Mitgefühl hast, an die du dich regelmäßig erinnerst, können impulsive Handlungen zugunsten dieser Werte erschwert werden. Dein präfrontaler Kortex schaltet sich gewissermaßen dazwischen und sagt: „Moment, das stimmt nicht mit dem überein, was du dir vorgenommen hast.”
2Pause und abkühlen
Was etwas wie nach Runden bei einem Boxkampf klingt, ist alles andere als kämpferisch gemeint: sich eine Pause zu nehmen, egal ob im Streit oder mitten in einem stressreichen Tag, kann dabei helfen, dass Körper und Psyche sich selbst beruhigen. Diese Pause kann nur einige Minuten dauern und du kannst dabei versuchen, tief in den Bauch ein- und auszuatmen. Sind die ersten Stresshormone erst einmal abgebaut, kannst du überlegen, was du eigentlich sagen oder tun möchtest.
3Der Blick in die Zukunft
Ob es darum geht, sich selbst beruhigen zu können, ohne zur Zigarette oder zum Wein zu greifen oder sich selbst zu beruhigen, um den Beziehungskrach nicht zur Eskalation zu bringen: Versuche, auch wenn es schwerfällt, an die langfristigen Folgen zu denken. Wie wirst du dich in einer Viertelstunde oder morgen damit fühlen? Jetzt hast du die Möglichkeit, es anders zu machen – jede Entscheidung zählt.
Gib dir Zeit und sei mutig
Sich selbst beruhigen zu können, ist Übungssache. Du kannst es dir wie das Trainieren eines Muskels vorstellen: Jedes Mal, wenn es dir gelungen ist, nicht im Außen nach Beruhigung zu suchen oder einem Impuls nachzugeben, wird dieser Muskel stärker. Wichtig ist deshalb auch, dass du dran bleibst, auch wenn es mal nicht klappt.
Bedenke auch, dass dein Umfeld darauf reagieren kann, wenn du dich selbst beruhigen kannst. Vielleicht hat sich jemand anderes daran gewöhnt, dein Fels in der Brandung zu sein und ist nun irritiert, dass du diese Rolle selbst einnimmst. Oder dein Chef oder deine Chefin können sich wundern, wenn du keine Überstunden mehr machst, weil du gemerkt hast, dass das dazu beiträgt, deine Anspannung zu lösen. Es gehören also mitunter Ausdauer und Mut dazu, um zu einem Menschen zu werden, der sich selbst beruhigen kann, selbstfürsorglich handelt und Grenzen setzt. Doch kein Grund zur Verunsicherung: Falls Angst vor Veränderung auftaucht, kann es dir helfen zu wissen, dass du es jederzeit wieder anders machen kannst. Entscheidend ist, womit du dich wohlfühlst.
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