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Und plötzlich bist du weg – Ghosting und was dahintersteckt

Gerade noch fühlen wir uns einem Menschen nah, doch auf einmal verschwindet diese Person aus unserem Leben. Vor allem, wenn es wie beim Ghosting, keinen erkennbaren Grund für diesen plötzlichen Kontaktabbruch gibt, tut das oft besonders weh. Dann bleiben wir zurück – und mit uns viele Fragen: „Habe ich etwas falsch gemacht? Liegt es an mir?“ In diesem Artikel erfährst du, was es mit dem Beziehungsphänomen Ghosting auf sich hat, wie es dazu kommen kann und was du tun kannst, wenn du betroffen bist.

Ghosting: Was ist das eigentlich?

Beim Ghosting geht es um einen plötzlichen Kontaktabbruch, bei dem jegliche Erklärung ausbleibt. Obwohl vorher intensiver Kontakt bestanden hat, zum Beispiel in Form von Dates bis hin zur langen Beziehung, bleiben Nachrichten und Anrufe plötzlich unbeantwortet. Das Gegenüber, der Ghoster, stellt sich stumm – wird zum Geist.

Der Begriff Ghosting kommt aus den USA und beschreibt ein Phänomen zwischenmenschlicher Beziehungen, das im digitalen Zeitalter ein glorreiches Comeback feiert. 

Genauer betrachtet, gibt es Ghosting schon länger. Aber die Häufigkeit und Form in der das Phänomen auftritt, hat sich verändert: Wo sich der Ghoster früher mit Aussagen wie „Ich gehe kurz Zigaretten holen, Schatz.“ aus dem Staub machte, glänzt er oder sie heute mit digitaler Abwesenheit. Soziale Medien und Dating-Apps ermöglichen diese neue Art des Verschwindens. Denn Betroffene verschwimmen hinter dem Bildschirm und der plötzliche Kontaktabbruch aufseiten der Ghoster scheint leicht. Das Gegenüber wird mit einem Klick blockiert – aus dem Leben gelöscht.

Die Besonderheit: Wir können nachverfolgen, dass wir blockiert wurden. Auch sehen wir es, wenn die Häkchen auf dem Bildschirm blau werden, der Status „online“ anzeigt und eine Antwort trotzdem ausbleibt. Das verlängert das Leiden und macht die Folgen des Ghostings für die Betroffenen oft umso schwerer.

Gut zu wissen

Wer ist von Ghosting betroffen?

Nicht nur in romantischen Beziehungen, sondern auch unter Familienmitgliedern oder in Freundschaften kannst du dem Phänomen begegnen. Laut einer Umfrage von Statista sind 19,7 Prozent der befragten Deutschen schon einmal Opfer von Ghosting geworden – Frauen ebenso wie Männer.

Was Ghosting mit uns macht

Besonders verletzend ist die Ghosting-Erfahrung, wenn wir uns dem Ghoster vor der Funkstille eng verbunden gefühlt haben und es vielleicht noch immer tun. War jemand sehr intensiv an unserem Leben beteiligt, erscheint der abrupte Verlust oft umso größer. Aber auch nach einem oder wenigen Dates kann uns der plötzliche Kontaktabbruch mächtig aus der Bahn werfen. 

Werden wir Opfer von Ghosting, führt das neben dem Schmerz, oft auch zu einer tiefen Verunsicherung. Unter dem Liebeskummer leidet dann häufig auch unser Selbstwert. Auf der Suche nach einer Erklärung kann es dabei zu Selbstzweifeln kommen: „Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich nicht gut genug?“ Wir fühlen uns zum Beispiel hilflos, ja gar ohnmächtig. 

Halten diese Gefühle an, kann es zu einer „posttraumatischen Verbitterungsstörung“ kommen. Auslöser für die Verbitterung sind insbesondere Erlebnisse, die als herabwürdigend, als Vertrauensbruch oder als ungerecht empfunden werden. Dabei erleben Betroffene zum Beispiel nagende Verbitterungsgefühle, Aggressionsfantasien, schlechte Stimmung und ziehen sich immer weiter zurück. 

Sitzt die Verletzung tief, kann das sogar dazu führen, dass Betroffene keine neuen Beziehungen mehr eingehen.

Die Psychologie dahinter – Ursachen von Ghosting

Wenn jemand von heute auf morgen aus unserem Leben verschwindet, kann das viele Fragen aufwerfen. Die Schuld dafür suchen wir nicht selten bei uns. Dabei sagt das Ghosting mehr über den Charakter des Ghosters aus, als über die betroffene Person selbst. Denn in vielen Fällen ist es ein Ausdruck von Angst: der Angst vor Gefühlen und Konflikten, der Angst vor Bindung oder der Angst vor Ablehnung

Lass’ uns über Gefühle sprechen – oder doch nicht?

Dass wir und unsere Liebsten oft auch unterschiedliche Meinungen und Ansichten vertreten, ist kein Geheimnis. Entscheidend ist, wie wir mit dieser Andersartigkeit umgehen: Können wir ein offenes Gespräch führen und unsere Bedürfnisse mitteilen oder verbleiben wir in der Stille? Den Grundstein für die Art, wie wir Konflikte angehen, liegt oft in unserer Kindheit. Was haben wir vorgelebt bekommen? 

Wenn es schon im Kindesalter als Schwäche galt, über unsere Gefühle zu sprechen, fällt uns das meist auch als erwachsene Person schwer. Der vermeintliche Ausweg: die Vermeidung. Und genau diese Vermeidungshaltung macht sich im Ghosting bemerkbar. Vielleicht befanden sich Dinge in eurer Beziehung schon länger im Ungleichgewicht. Oder das Date lief für die andere Person doch nicht so perfekt, wie es sich für dich angefühlt hat. Anstatt diese Gefühle offen anzusprechen, entzieht sich der Ghoster der potenziellen Auseinandersetzung und geht damit unangenehmen Gefühlen aus dem Weg.

Auch unter Freunden kann die Angst vor Konflikten ein Beweggrund für das Ghosting sein. Möglicherweise hast du schon gemerkt, dass du und dein Freund oder deine Freundin bei bestimmten Themen einfach nicht mehr zusammenfindet. Während du dir vielleicht ein offenes Gespräch wünschst, versucht dein Gegenüber den möglichen Konflikt zu vermeiden und stellt sich stumm. Es kommt zum Ghosting.

Komm’ mir nicht zu nah

Vielleicht hat dich dein Gefühl doch nicht getäuscht und du und dein Date schwebt nach eurem Treffen auf Wolke sieben. Aber: Wer hoch schwebt, kann auch tief fallen. Haben wir schon einmal die Erfahrungen gemacht, dass eine enge Bindung mit Schmerzen einhergehen kann, wird Nähe oft als Bedrohung betrachtet. Die Rede ist von Beziehungsangst

So kann es sein, dass eine Beziehung von vornherein vermieden wird oder, dass eine Person sich – je enger die Bindung wird – innerhalb der Beziehung distanziert. Motiv für das Ghosting ist dann oft die Verlustangst und die Angst, früher oder später selbst verletzt zu werden. Bevor der oder die (potenzielle) Partner oder Partnerin die Beziehung beendet, lässt die Person sich lieber gar nicht erst auf eine Bindung ein.

Die Angst vor Ablehnung ist nicht selten auch in Freundschaften ein Grund für den plötzlichen Kontaktabbruch. So kann es sein, dass deinen Freund oder deine Freundin starke Selbstzweifel quälen und er oder sie davon ausgeht, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch du den Makeln auf die Schliche kommst. Der vermeintliche Ausweg: die stille Flucht.

Sonderfall Breadcrumbing

Manchmal tritt das Ghosting nur in Etappen auf – man spricht vom Breadcrumbing. Das bedeutet, jemanden mit kleinen Stücken „Brot“ immer wieder „anzufüttern“. Aufs Dating übertragen, kann sich das in einem Wechsel aus Funkstille und Hoffnung schürenden Nachrichten äußern. Für die Leidtragenden ist dies oft besonders verheerend: Teilnehmende einer Studie berichteten von einer geringeren Lebenszufriedenheit, mehr Hilflosigkeit und einem stärkeren Gefühl der Einsamkeit durch Breadcrumbing. 

Wie gehe ich mit Ghosting um?

Eins ist klar: die Ursache für das Ghosting liegt nicht bei uns – trotzdem und vielleicht gerade deshalb fällt es oft schwer, mit dem Verlust der Beziehung umzugehen. Wir zeigen dir mit 3 Tipps, wie du dich von alten Geistern befreien kannst.

1Realitätscheck: Will ich das?

Wenn eine Beziehung zu Ende geht, blicken wir oft mit einer rosaroten Brille auf die gemeinsame Zeit zurück. Manchmal hilft es, diese abzulegen, um den anderen klarer zu sehen. Jemand der uns ohne Vorwarnung in die Tiefe stürzen lässt, hätte uns vermutlich auch in einer längeren Beziehung keinen Rückhalt gegeben. Also besinne dich darauf, was du dir in einer Beziehung wünschst und überlege dir, ob du diesen Menschen in deinem Leben haben möchtest. Als Antwort auf diese Frage wirst du vermutlich Nein sagen.

2Die Brücken abbrechen statt reagieren

Wenn wir geghostet werden, grübeln wir vielleicht, wie wir darauf reagieren können. Oft verspüren wir den Wunsch nach einem klärenden Gespräch und die Versuchung, die Person auf einem anderen Weg zu kontaktieren, ist groß. Mit der Suche nach Kontaktmöglichkeiten erhöhen wir aber leider nicht die Chance auf eine Aussprache, sondern verlängern nur unseren Schmerz. Damit kommen wir zum wahrscheinlich schwierigsten Punkt: Befreie dich von der Last, lösche den Kontakt und lerne, loszulassen! Auch wenn mit dem nächsten Lebenszeichen der Person unsere Hoffnung auf eine Antwort wächst: Wer einmal ghostet, der hört meist nicht damit auf.

3Entscheide dich für dich

Zu guter Letzt ist es wichtig, dass du dir deinen eigenen Wert (wieder) bewusst machst. Denn: Du hast nichts falsch gemacht! Also konzentriere dich auf die Dinge, die dir guttun. Wie würdest du eine vertraute Person trösten, die gerade eine Trennung durchmacht? Räume auch dir ein bisschen Zeit für Selbstfürsorge ein. Wenn du magst, koche dir dein Lieblingsessen, sprich mit einem Freund oder einer Freundin oder schreibe dir selbst einen kleinen Liebesbrief. Du bist ganz wunderbar – das Leben wartet auf dich!

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