Langeweile und Gewohnheit
Wenn Kleinkinder eine ganz normale Straße entlang laufen, kommen sie fast nicht voran, weil alles bestaunt wird: die Autos, die anderen Passanten, Hunde, die Gulli-Öffnung, die kleine Ameise, die plötzlich vorbei krabbelt. Von Langeweile keine Spur! Alles ist neu, alles ist aufregend.
Wir Erwachsene kennen unsere Umwelt hingegen schon gut. Auch unser Tagesablauf ist meistens ganz ähnlich. Wenn uns Aktivitäten und Aufgaben bereits vertraut sind, können wir daher den Eindruck haben, dass die Zeit nicht vergeht – wir haben im wahrsten Sinn lange Weile.
Der Sinn der Langeweile
Viele Menschen empfinden Langeweile als ein eher unangenehmes Gefühl. Das ist durchaus sinnvoll, denn so kann uns Langeweile zum Beispiel zu positiven Veränderungen motivieren und vor Stagnation bewahren. Langeweile lässt im Gegensatz zur Erschöpfung meistens darauf schließen, dass wir zwar Energie und Lust haben, etwas zu tun, aber gleichzeitig nicht recht wissen, was wir wollen. Mit einer Prise Selbstmotivation können wir das jedoch herausfinden und umsetzen, wodurch die Langeweile zu einem fruchtbaren Zustand werden kann.
Was haben Likes mit Langeweile zu tun?
Es lohnt sich einmal zu hinterfragen, ob die Langeweile auch damit zu tun haben kann, dass wir uns an ein hohes Maß an Stimulation gewöhnt haben. Zum Beispiel durch den endlosen Social-Media-Newsfeed oder auch einen regen Nachrichtenaustausch.
Sehen wir eine Nachricht von jemandem auf unserem Handy auftauchen oder einen Like in unserem Social-Media-Account wird in unserem Gehirn zum Beispiel Dopamin ausgeschüttet.
Wir bekommen das aufregende Gefühl einer Belohnung. Wenn ein paar Stunden keine Nachricht eintrudelt und im Newsfeed nichts „Aufregendes” passiert, bleibt auch das kurze Hochgefühl aus und wir können nicht nur FOMO, sondern Langeweile oder sogar Unzufriedenheit spüren.
Etwas Ähnliches kann bei einem hohen Stresslevel entstehen: Wer an Stress – durchaus auch an positiven Stress – gewöhnt ist und damit an Adrenalinausschüttung, kann sich unwohl und gelangweilt fühlen, wenn diese „Dosis” ausbleibt.
Kurzfristige Tipps bei Langeweile
Wie schon erwähnt, können wir Langeweile dazu nutzen, um uns zu überlegen, was wir jetzt konkret (tun) wollen. Dabei kann es hilfreich sein, unsere inneren Werte einzubeziehen, um nicht nur irgendeine Tätigkeit zu finden, sondern etwas, dass wir als sinnvoll und erfüllend empfinden. Das kann bedeuten, sich etwas Gesundes zu kochen, doch zum Fitnessstudio aufzuraffen oder mit einer lieben Person zu treffen. Dabei kann auch Selbstfürsorge eine Rolle spielen.
Wenn dir langweilig ist, kannst du dich zum Beispiel fragen: Was könnte ich mir jetzt Gutes tun?
Welche Tipps können langfristig helfen?
Wenn du dich immer wieder gelangweilt fühlst und vielleicht sogar innere Unruhe verspürst, kann es schwerfallen, sich den Fragen zu widmen, was du unmittelbar tun willst und was dir guttun würde. Vielleicht greifst du einfach schnell zur Fernbedienung oder zum Smartphone in der Hoffnung, die Langeweile zuhause auszulöschen.
In diesem Fall kann es hilfreich sein, die Gelangweiltheit mal etwas auszuhalten und zu erfahren, dass sie dir im Grunde nichts anhaben kann. Das kann zum Beispiel geschehen, indem du dich für das Gefühl öffnest und dir innerlich sagst: „Da ist Langeweile.” Fühle und erforsche mal, wie sie sich anfühlt. Stelle dir vor, du solltest Langeweile jemandem beschreiben, dem noch nie langweilig war. Formuliere dafür innerlich ein paar Sätze. Für viele Menschen ist das ein großer Schritt, denn das ist der Weg, um sich ein Stück weit von äußeren Reizen zu lösen.
Dieser bewusste Schutz vor Reizüberflutung trägt mittlerweile die Bezeichnung Dopamin-Fasten. Durch Dopamin-Fasten können wir wieder mehr in Kontakt mit unserem inneren Erleben kommen.
Auch wenn es also Überwindung kostet, Langeweile, innere Unruhe und unangenehme Gefühle auszuhalten, so können wir doch genau damit unabhängiger werden und langfristig weniger Langeweile verspüren.
Horche in dich hinein
In einem weiteren Schritt kann man sich dann überlegen, was die Langeweile einem mitteilen möchte. Dahinter steckt oft der unerfüllte Wunsch nach einer befriedigenden Tätigkeit. Einen Moment in sich hineinzuhorchen kann also dabei helfen, unsere Ziele und unsere Werte wieder anzugleichen. So kann Langeweile auch dazu verhelfen, über etwas länger nachzudenken, sich tiefer mit sich selbst zu beschäftigen oder Ereignisse und Erfahrungen zu verarbeiten.
Dolce far niente – das süße Nichtstun
Langeweile wird dann als unangenehm wahrgenommen, wenn sie uns als Antriebslosigkeit, Müdigkeit oder Gedankenlosigkeit vorkommt. Wenn sich der Zustand des Nichtstuns jedoch gut anfühlt, sprechen wir nicht von Langeweile, sondern von Entspannung. Langeweile und Entspannung sind beides inaktive Zustände – nur die Bewertung macht den Unterschied.
Warum nicht also lernen, diesen Zustand anders wahrzunehmen und damit zu genießen – hin zum süßen Nichtstun. Das „dolce far niente” ist in Italien bekannt und ein Gegenpol zum ständigen Beschäftigtsein. Wenn du möchtest, kannst du also behutsam einmal probieren, die Langeweile für dich umzudeuten. Lege die Beine hoch und mache dir bewusst, dass genau dieser Moment, diese Zeit des Nichtstuns, wertvoll ist und genossen werden darf.
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