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Trauma bei Kindern und Jugendlichen

Mit 67% sind in Deutschland mehr als die Hälfte der Menschen mindestens einmal in ihrem Leben von einem traumatischen Ereignis betroffen. Einige Traumata werden dabei schnell verarbeitet, andere können noch lange nachhallen. Manchmal sind die Spuren sogar so tief, dass eine psychische Erkrankung entsteht.

Triggerwarnung: Dieser Artikel enthält Beispiele von traumatisierenden Ereignissen. Bei manchen Menschen können diese zu belastenden Reaktionen, Gefühlen oder Erinnerungen führen. Bitte sei daher achtsam, wenn du den Artikel liest.

Das Ausmaß psychischer Folgen eines Traumas für Kinder und Jugendliche wurde dabei lange unterschätzt. So ging man noch vor 30 Jahren davon aus, dass Kinder solche Erlebnisse kaum mitbekommen oder einfach schnell wieder vergessen würden. Heute weiß man, dass das nicht stimmt. Wie sich eine posttraumatische Belastungsstörung bei Kindern und Jugendlichen äußern kann und welche Hilfen es gibt, erfährst du in diesem Artikel.

Was ist ein Trauma?

Ein Trauma ist ein Ereignis. Eines, das so belastend oder außergewöhnlich bedrohlich ist, dass es fast jeden oder jede völlig aus der Bahn werfen würde. Während des Ereignisses fühlen sich Betroffene in der Regel ohnmächtig und hilflos, erleben starke Angst oder fürchten sogar um ihr Leben. Manche fühlen sich wie erstarrt, betäubt oder so, als wären sie gar nicht mehr in ihrem Körper.

Es gibt vieles, das traumatisieren kann, wie zum Beispiel Krieg, belastende medizinische Eingriffe, Unfälle oder Naturkatastrophen. Das häufigste Trauma bei Kindern und Jugendlichen ist jedoch die Erfahrung von Gewalt. Dazu zählen körperliche Angriffe, häusliche Gewalt, sexuelle oder emotionale Misshandlung oder Vernachlässigung.

Nicht nur Opfer, sondern auch Zeuge von schwerwiegenden Ereignissen zu sein, kann traumatisieren. So kann ein Trauma bei Kindern und Jugendlichen zum Beispiel auch entstehen, wenn sie einen schweren Autounfall oder immer wieder Gewalt in der Beziehung ihrer Eltern beobachten.

Trauma bei Kindern und Jugendlichen: Typ I und Typ II

Manche Traumata sind einmalige, kurze Erlebnisse. Das kann ein schwerer Unfall sein oder das Miterleben eines Brandes. In diesem Fall spricht man von einem „Typ-I-Trauma“ oder „Single-Blow“-Erlebnis. Also einem einmaligen Ereignis, das einen regelrecht „umpustet“.

Andere Ereignisse sind langandauernd oder wiederholen sich. Dazu zählen zum Beispiel das Miterleben eines Krieges oder ein wiederholter sexueller Missbrauch. Diese Traumata werden „Typ-II-Trauma“ genannt.

Langanhaltende und von Menschen verursachte Traumata bergen das größte Risiko dafür, dass sich psychische Erkrankungen entwickeln. Für diese Art von Trauma sind Kinder und Jugendliche besonders gefährdet.

Für Kinder und Jugendliche besteht deshalb ein erhöhtes Risiko, Typ-II-Traumata ausgesetzt zu sein, weil sie in einer Abhängigkeit und einem Machtgefälle zu Erwachsenen stehen. Je jünger, desto mehr. Besonders, wenn Gewalt in der eigenen Familie oder dem Umfeld erlebt wird, können Kinder und Jugendliche nicht ohne Weiteres aus den möglicherweise traumatisierenden Verhältnissen fliehen.

Folgen eines Traumas bei Kindern und Jugendlichen

Ein Trauma bei Kindern und Jugendlichen hinterlässt in den allermeisten Fällen Spuren. Das kann von unangenehmen Gefühlen wie Hoffnungslosigkeit, Angst oder innerer Leere, bis hin zu wiederkehrenden, ungewollten Erinnerungen an das Geschehene reichen. Manchmal verblassen die Spuren nach einiger Zeit wieder. Manchmal sind die Spuren hingegen tief und langanhaltend – dann kann eine psychische Erkrankung wie eine Depression oder Posttraumatische Belastungsstörung entstehen. Ob das passiert, hängt von vielen Faktoren ab. Das kann an der Art und Dauer des Traumas liegen, aber auch von Person zu Person unterschiedlich sein. Denn jeder Mensch ist anders.

Eine psychische Erkrankung nach einem Trauma zu entwickeln ist kein Zeichen von Schwäche oder ein Zeichen dafür, verrückt zu sein. Es ist eine normale Reaktion. Das, was man erlebt hat, ist das, was nicht normal ist.

Symptome einer Posttraumatische Belastungsstörung

Die Posttraumatische Belastungsstörung (kurz PTBS) gehört zu den Traumafolgestörungen. Zu den Symptomen zählen Übererregung, emotionale Taubheit und anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung. Eine Übererregung kann sich dadurch bemerkbar machen, dass Betroffene nicht mehr gut ein- oder durchschlafen können, gereizter, wachsamer oder schreckhafter sind oder sich weniger gut konzentrieren können. 

Das Wiedererleben der Belastungen wird auch „Flashbacks” genannt. Sie entstehen, weil das Gehirn während des Traumas extremem Stress ausgeliefert war. Es schaltet sich in diesem Moment in eine Art „Notfallmodus“. Aus diesem Grund speichert es traumatische Ereignisse anders im Gehirn ab – das sogenannte Traumagedächtis entsteht.

Das Traumagedächtnis

Bei einem traumatischen Erlebnis werden die Eindrücke und Erinnerungen in unserem Gehirn nicht wie sonst, sortiert und geordnet als Ganzes abgespeichert. Du kannst es dir wie einen zerbrochenen Spiegel vorstellen, der in unzählige kleine Teile zersplittert, die sich überall im Gehirn verteilen. Diese „Gedächtnissplitter“ können dann immer wieder durch Hinweisreize (sogenannte Trigger) aktiviert werden. Das kann zum Beispiel ein Geruch, ein Ort oder ein Geräusch sein, das an das Erlebnis erinnert. Dann schießen – ganz ohne, dass man es möchte oder steuern könnte – Erinnerungen an das Erlebte in den Kopf. Diese Flashbacks sind wirklich belastend, denn sie fühlen sich nicht wie etwas Vergangenes an, sondern so, als ob das Geschehene noch einmal passiert.

Wie erkennt man ein Trauma bei Kindern und Jugendlichen?

Besonders bei Kindern können sich die Anzeichen für eine PTBS von denen Erwachsener unterscheiden – und damit oft übersehen werden. Kinder erleben zum Beispiel häufiger Alpträume, in denen sie das Trauma wiedererleben. Dabei träumen sie meist gar nicht von dem Erlebnis selbst, sondern über Themen, die dem Trauma ähneln (z.B. Tod, Gewalt oder Verlassenwerden). 

Veränderung können auch in der Schule deutlich werden, wo sich die hohe Anspannung in Konzentrationsschwierigkeiten, abfallenden Schulleistungen, Unruhe oder Tagträumen niederschlagen kann. Auch im Spiel können sich Anzeichen für ein erlebtes Trauma bei Kindern und Jugendlichen äußern, indem zum Beispiel wiederholt Szenen des Erlebten nachgespielt werden.

Nicht selten sind zudem Entwicklungsrückschritte beobachtbar. Kinder beginnen zum Beispiel wieder zu nuckeln oder Jugendliche zeigen auf einmal wieder Trennungsängste und wünschen sich im Bett der Eltern zu schlafen, obwohl sie aus diesem Alter längst raus waren.

Um letztlich zu entscheiden, ob eine PTBS vorliegt, braucht es jedoch immer eine ärztliche oder psychotherapeutische Einschätzung.

Trauma bei Kindern und Jugendlichen: Hilfe finden

Bei einer PTBS kann genau wie bei Erwachsenen eine Traumatherapie helfen. Bei Kindern und Jugendlichen kommen hier neben der kognitiven Verhaltenstherapie auch oft Elemente der Spiel-, Musik-, Kunst- und Bewegungstherapie zum Einsatz. In der Therapie können die Kinder und Jugendlichen behutsam ihre Verletzungen Stück für Stück zum Ausdruck bringen, den zerbrochenen Spiegel so wieder zusammensetzen und die Erinnerung damit sortiert abspeichern. 

Das erfordert Mut, lohnt sich aber. Denn so können Flashbacks immer weniger werden und die Gefühle von Übererregung, Hilflosigkeit, Angst oder Scham nach und nach abnehmen. Eine solche Therapie bieten verschiedene Einrichtungen wie Traumaambulanzen, aber auch niedergelassene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten an.

Was, wenn das Trauma anhält?

Wichtig ist: An allererster Stelle steht, dass Kinder oder Jugendliche der traumatischen Situation nicht mehr ausgeliefert sind – also tatsächlich geschützt und in Sicherheit. Wenn die Situation anhält, ist es wichtig, Hilfe zu holen. Welche Anlaufstellen hierfür geeignet sind, ist kontextabhängig und kann von engen Bezugspersonen, über Lehrkräfte, der Schulsozialstation bis hin zur Polizei oder dem Jugendamt reichen. Kinder und Jugendliche können sich auch ganz anonym unter der 116 111 (Das Kinder- und Jugendtelefon) beraten lassen.

Online-Kurs bei PTBS 

Neben der klassischen Therapie werden auch Online-Kurse in der Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen angeboten. Das Programm StAR (Stärken, Aufarbeiten und Rüsten für die Zukunft) basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie und richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsenen im Alter von 15-21, die an einer PTBS leiden. Mithilfe von Texten, Videos, Audios und Übungen lernen die Teilnehmenden in 9 Online-Kurseinheiten nachweislich wirksame Strategien kennen, um besser mit den Folgen des Ereignisses umgehen und ihr Trauma aufarbeiten zu können.

Der Kurs könnte für dich oder jemanden, den du kennst, in Frage kommen? Dann informiere dich gerne hier, wie das Online-Programm im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie kostenlos genutzt werden kann: ▷ Zum StAR Online-Kurs.

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