Sind Stimmungsschwankungen normal?
Ja, denn es gibt keine pauschale psychologische Festlegung, wie viele Stimmungswechsel oder Gefühle an einem Tag gut oder schlecht sind. Es kommt vielmehr auf dein persönliches Erleben an. In der Forschung spricht man auch vom „subjektiven Wohlbefinden”, das sich auf psychologischen Skalen messen lässt. Sich mit den Gründen und Ursachen für Stimmungsschwankungen zu beschäftigen, macht vor allem dann Sinn, wenn du:
- unter deinen Stimmungsschwankungen leidest,
- eine Veränderung in deinem bisherigen Erleben alltäglicher Stimmungsschwankungen bemerkst oder
- herausfinden möchtest, wie du allgemein und längerfristig besser mit deinen Stimmungsschwankungen umgehen kannst.
Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass es eigentlich keine „guten” und „schlechten” Stimmungen gibt, sondern dass wir diese Sichtweise erlernen. Natürlich gibt es Emotionen, die sich angenehmer anfühlen als andere. Aber auch die unangenehmen Gefühle sind wichtig.
Wut kann uns zum Beispiel dabei helfen, uns aus einer Situation zu lösen, die uns nicht guttut, und Trauer empfinden wir, wenn wir etwas loslassen. Alle Gefühle zu akzeptieren – nicht nur die „Guten”, kann dich dabei unterstützen, auch mit Stimmungsschwankungen besser umgehen zu können.
Wann werden Stimmungsschwankungen zum Problem?
Stimmungsschwankungen zu erleben, bedeutet, dass sich die Stimmung ständig ändert und wir uns diese Höhen und Tiefen nicht so richtig erklären können. Es kann sich dann das Gefühl einstellen, den Stimmungsveränderungen hilflos ausgeliefert zu sein.
Aber auch, wenn wir uns die Stimmungsschwankungen erklären können und beispielsweise vermuten, dass sie von akutem oder sogar chronischem Stress kommen, können die Stimmungsschwankungen uns belasten. Denn gerade in stürmischen Zeiten, würden wir uns mehr innere Ruhe wünschen. Stimmungsschwankungen können auch dann zum Problem werden, wenn wir versuchen, uns an den Höhen festzuhalten und vermeiden wollen, dass wir uns niedergeschlagen, traurig, gelangweilt oder frustriert fühlen. Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn die Ausschläge nach oben und unten sehr ausgeprägt sind und die Stimmung entweder extrem gut oder extrem schlecht ist. In solchen Situationen sind die Stimmungstiefs nur schwer aushaltbar.
Vielleicht kommt dir auch der Satz: „Was ist denn jetzt schon wieder los?” von einer:m Partner:in oder Freund:in bekannt vor. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass die Stimmungsschwankungen nicht nur deine Lebensqualität, sondern auch deine Beziehungsqualität beeinträchtigen. Vor allem wiederkehrende Gereiztheit und Wut können zu mehr Konflikten führen.
Stimmungsschwankungen, Depression und andere psychische Erkrankungen
Stimmungsschwankungen gehören zu unserem menschlichen Dasein dazu. Es ist nicht möglich, sich dauerhaft gut zu fühlen. Auch werden die schönen Momente erst durch weniger schöne Augenblicke besonders wertvoll.
Es kann jedoch sein, dass uns Stimmungsschwankungen mit der Zeit erschöpfen und wir keine Lust mehr auf dieses ständige Auf und Ab haben. In uns können Gedanken wie: „Ich kann nicht mehr”, oder: „Das ist alles zu anstrengend” auftauchen. Statt zu schwanken, kann die Stimmung dadurch immer mehr gedrückt bleiben. Das kann im äußersten Fall auch zu einer depressiven Verstimmung oder einer Depression führen.
Im Gegensatz zu Stimmungsschwankungen ist eine Depression jedoch eine psychische Erkrankung, die im Zusammenspiel vieler Faktoren – und nicht alleine aufgrund von Stimmungsschwankungen – entsteht.
Andere psychische Störungen, die mit Stimmungsschwankungen verbunden sind, sind Zyklothymia und die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bei Zyklothymia ist die Stimmung im Wechsel leicht depressiv und leicht gehoben. Sie kann aber auch monatelang stabil sein. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist geprägt von nahezu permanenter emotionaler Instabilität. Die Borderline Persönlichkeitsstörung fällt unter die sogenannten emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen. Neben dem Borderline Typ, gibt es unter dieser Diagnose noch den impulsiven Typ, der neben den starken Stimmungsschwankungen auch sehr impulsiv handelt und eine hohe Neigung zu Konflikten hat.
💡 Gut zu wissen: Es gibt auch eine psychische Erkrankung, deren Hauptsymptom extreme Stimmungsschwankungen sind: die Bipolare Störung. Die Bipolare Störung wurde deshalb früher auch als manisch-depressive Störung bezeichnet. Geradezu Höhenflüge guter Stimmung und Begeisterung wechseln sich mit tiefer Niedergeschlagenheit ab. Wenn dieser Wechsel in hoher Frequenz stattfindet, spricht man auch von „rapid cycling”.
Mehr zu depressiven Verlaufsformen wie der Zyklothymia kannst du auch in unserem Blogartikel Phasen einer Depression nachlesen.
Was sind mögliche Ursachen für Stimmungsschwankungen?
Es gibt einige Ursachen für Stimmungsschwankungen und meistens haben betroffene Personen bereits eine Idee, was dahinter stecken könnte. Vielleicht findest du dich in den nächsten Punkten wieder:
1Stress
Wenn wir bereits fünf Bälle gleichzeitig jonglieren, gelingt uns das vielleicht zeitweise ganz gut, aber jeder neue Ball bringt uns sofort aus dem Gleichgewicht. Die Bälle fallen hinunter und unsere Stimmung kippt. Sobald wieder alle Bälle in der Luft sind, kann das erneut ein Stimmungshoch auslösen – so lange, bis der nächste Ball hinzukommt.
2Belastende Lebensereignisse
Manchmal sind es gar nicht die alltäglichen Stressfaktoren, sondern es ist etwas passiert, was ohne Unterlass an unseren psychischen Kapazitäten zerrt, wie zum Beispiel eine Trennung oder ein Arbeitsverlust. Dann ist für Emotionsregulation keine innere Stärke vorhanden. Vielleicht bist du dadurch gerade nicht der Fels in der Brandung, sondern eher die unruhige See.
3Hormonelle Stimmungsschwankungen
Hormone und Psyche hängen eng zusammen. Tatsächlich können auch Stimmungsschwankungen hormonelle Ursachen haben. Vor allem Östrogen, Testosteron und Somatotropin (ein Wachstumshormon) können dabei eine Rolle spielen. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass Hormonbehandlungen mit Testosteron und Somatotropin für Stimmungsschwankungen bei Männern wirkungsvoll sein können. Da Hormongaben aber mit Nebenwirkungen verbunden sind, sollten sie immer unter ärztlicher Beratung und Kontrolle eingenommen werden.
Exkurs
Was ist die Prämenstruelle dysphorische Störung?
Die Prämenstruelle dysphorische Störung, kurz PMDS, ist eine psychische Erkrankung, die durch Stimmungsschwankungen, aber auch Angstsymptome und allgemein gedrückte Stimmung vor dem Einsetzen der Periode gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zum prämenstruellen Syndrom (PMS), bei dem die körperlichen Beschwerden wie Bauchkrämpfe und Rückenschmerzen im Vordergrund stehen, sind es bei der PMDS eher die psychischen Beschwerden. PMDS tritt in der zweiten Hälfte des Zyklus, etwa zwei Wochen vor der Menstruation, auf. Ein Zykluskalender kann dir dabei helfen herauszufinden, ob das die Ursache für deine Stimmungsschwankungen sein kann.
Stimmungsschwankungen – was hilft?
Genauso, wie es verschiedene Ursachen für Stimmungsschwankungen gibt, können auch unterschiedliche Gegenmaßnahmen Wirkung zeigen. Wir möchten dir vier davon besonders empfehlen:
1Körperliche Bewegung
Dass regelmäßige Bewegung viele positive Effekte auf die Psyche haben kann, haben bereits zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen können. Eine dieser Studien hat zum Beispiel positive Auswirkungen von Joggen auf Stimmungsschwankungen gefunden. Aber auch andere Sportarten wie Yoga können Stimmungsschwankungen reduzieren. Wichtig ist: Vielleicht kannst du nach dem ersten Mal noch keine bahnbrechende Veränderung feststellen. Dranbleiben ist das Schlüsselwort.
2Prioritäten setzen
Wenn du fünf Bälle gleichzeitig jonglierst, ist das vielleicht einfach zu viel. Was möchtest du priorisieren und was kann warten? Du brauchst nicht nur zeitliche, sondern auch psychische Kapazitäten, um deine Gefühle wahrzunehmen und ausgleichen zu können. Vielleicht können dir diese drei Fragen dabei helfen: Muss ich das machen? Muss ich das machen? Muss ich das jetzt machen? Umdenken und neu priorisieren, um dich wieder ausgeglichener zu fühlen, kann Stimmungsschwankungen reduzieren.
3Achtsamkeit
Stelle dir einmal eine Fahne vor, die an einer eisernen Fahnenstange befestigt ist und im Wind weht. Deine Stimmungen sind wie die Fahne im Wind. Sie verändern sich ständig und werden – aus unserer Sicht manchmal ganz willkürlich – von einer Seite zu anderen geworfen. Deine Achtsamkeit, die bewusste Wahrnehmung dieser Umschwünge, ist wie die eiserne Fahnenstange. Fest und stabil. Indem du Achtsamkeit trainierst, kannst du mit der Zeit mehr innere Stabilität erleben und trotz Stimmungsschwankungen in dir ruhen. Bei diesem Ansatz geht es also nicht darum, die Stimmungsschwankungen an sich, sondern deine Einstellung ihnen gegenüber zu verändern.
Tipp: Achtsamkeit ist die bewusste Wahrnehmung des aktuellen Moments. Du kannst deine Achtsamkeit auf etwas Bestimmtes richten. Das geht zum Beispiel, indem du genau auf etwas achtest, das du gerade siehst oder hörst. Du kannst aber auch ganz offen und bewusst wahrnehmen, was ganz natürlich in deinen Fokus rückt. Das kann ein Gedanke, Gefühl oder eine Sinneswahrnehmung sein. Indem du deine Stimmungsschwankungen achtsam beobachtest, können sie weniger Leiden verursachen.
4Psychotherapeutische und medizinische Unterstützung
Auch wenn die genannten „Gegenmittel” sich positiv auswirken können, ist es manchmal sinnvoll, sich von einem Arzt oder einer Psychotherapeutin behandeln zu lassen. Das ist insbesondere ratsam, wenn du unter starken Stimmungsschwankungen leidest oder merkst, dass du mit der Selbstbehandlung nicht weiterkommst.
Wechselnde Stimmung als Chance
Auch wenn sie deinen Alltag negativ beeinflussen oder einfach nerven: Stimmungsschwankungen können eine Chance sein, dich mit deiner psychischen Gesundheit zu beschäftigen. Ähnlich, wie wenn ein Körperteil, zum Beispiel dein großer Zeh, schmerzt und du erst mal die Socke ausziehst, um ihn zu untersuchen, kannst du bei psychischen Beschwerden in dich rein hören: Wie geht es mir gerade? Woran könnte das liegen? Was kann ich verändern, damit es mir besser geht? So können Stimmungsschwankungen nicht nur ein nerviges Phänomen, sondern Anlass zur Selbstfürsorge und Verbesserung deiner psychischen Gesundheit sein.
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Quellennachweis
- Suter, E., Marti, B., Tschopp, A., & Wanner, H. U. (1991). Effekte von Jogging auf psychisches Befinden und saisonale Stimmungsschwankungen: Eine randomisierte Studie mit gesunden Frauen und Männern. Swiss Medical Weekly, 121(35), 1254-1263.
- Mazza, M., Bria, P., Taranto, C., Janiri, L., & Mazza, S. (2008). Mood, hormones and quality of life. CLINICA TERAPEUTICA-ROME-, 159(2), 105.
- Garcia, D., Archer, T., Moradi, S., & Andersson-Arntén, A. C. (2012). Exercise frequency, high activation positive affect, and psychological well-being: beyond age, gender, and occupation. Psychology, 3(04), 328.
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