Was ist achtsamkeitsbasierte Stressreduktion?
Bei der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion handelt es sich – wie der Begriff schon vermuten lässt – um eine Möglichkeit, in Alltag und Beruf dein Stresserleben zu senken. Und zwar mit Methoden aus der Achtsamkeit – also Techniken und Übungen, um im gegenwärtigen Moment zu bleiben. Häufig spricht man von achtsamkeitsbasierter Stressreduktion unter der Abkürzung „MBSR”. Diese leitet sich vom englischen Begriff „Mindfulness Based Stress Reduction” ab.
Das große Geheimnis hinter achtsamkeitsbasierter Stressreduktion ist, durch viel Übung und Geduld eine innere Haltung zu entwickeln, in der du die Dinge einfach da sein lassen kannst, ohne sie als gut oder schlecht zu bewerten.
Exkurs: Was ist eigentlich Achtsamkeit?
Oft sind wir in unserem Denken über Vergangenheit oder Zukunft gefangen und unser „Monkey Mind” oder Gedankenkarussell ist überall – nur nicht bei dem, was wir gerade im Hier und Jetzt tun.
Achtsamkeit oder achtsam sein bedeutet, den gegenwärtigen Moment ganz bewusst und vor allem ohne Wertung wahrnehmen zu können. Klingt erst mal nach nicht viel, ist aber oft gar nicht so einfach.
Du kannst es ja selbst mal versuchen: Wie lange kannst du mit deiner Aufmerksamkeit ganz bewusst bei einer Tätigkeit bleiben (z. B. dem Abwasch), ohne dass du beginnst, über andere Dinge nachzudenken (z. B. was morgen gekocht werden soll) oder diese zu bewerten (z. B. ob du überhaupt gut kochen kannst). Vermutlich nicht so lange, oder?
Woher kommt das Konzept MBSR und wie wirkt es laut Forschung?
MBSR ist nicht ohne Grund so bekannt geworden. Mittlerweile gibt es viele Studien zu dem Thema, in denen die Wirksamkeit für die Stressreduktion nachgewiesen werden konnte. Fachleute gehen davon aus, dass die Art und Weise, wie wir denken und fühlen, einen großen Effekt darauf hat, wie gut wir von psychischen und körperlichen Erkrankungen genesen können. Und eben auch, wie gut wir mit Stress umgehen können.
Die Mindfulness Based Stress Reduction wurde in den späten 1970er-Jahren von Jon Kabat-Zinn entwickelt, einem Arzt und Professor aus Massachusetts. Natürlich hat er dabei das Rad nicht neu erfunden, sondern sich an Techniken aus der Psychologie und dem Zen-Buddhismus bedient, die schon lange vorher praktiziert wurden. Er entwickelte daraus einen 8-wöchigen Kurs, welcher mittlerweile weltweit angeboten wird.
» Bei der Meditation geht es nicht um den Versuch, irgendwo hinzugelangen. Es geht darum, dass wir uns selbst erlauben, genau dort zu sein, wo wir sind, und genau so zu sein, wie wir sind, und desgleichen der Welt zu erlauben, genau so zu sein, wie sie in diesem Augenblick ist. «
Jon Kabat-Zinn
Wie kann ich achtsamkeitsbasierte Stressreduktion lernen?
Der Weg zu mehr Achtsamkeit beginnt mit deinem ersten bewussten Atemzug. Das heißt, du kannst in jedem Augenblick damit anfangen, mehr Achtsamkeit in dein Leben zu integrieren. Für ein bisschen mehr Anleitung zeigen wir dir gleich zwei Übungen für deinen Alltag.
Das komplette Konzept der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion lernt man aber am besten innerhalb eines MBSR-Kurses. Ein klassischer MBSR-Kurs beinhaltet verschiedene Übungen zur Achtsamkeit: Dazu gehören zum Beispiel der sogenannte „Body Scan”, verschiedene Sitz- und Gehmeditationen oder einfache Yogaübungen. Aber auch andere Übungen – beispielsweise zu üben, während Alltagsaktivitäten wie Essen und Zähneputzen im Moment zu bleiben – können Teil des Kurses sein.
Innerhalb eines solchen Kurses wirst du außerdem lernen, wie Stress und die Stressreaktion zustande kommen und wie du achtsam dein Nervensystem beruhigen kannst. Außerdem erfährst du, wie Gedanken, Verhalten und Gefühle zusammenwirken und wie du aus Gedankenkreisen brechen kannst. Das hilft dir, dich immer wieder in dem einzigen Zeitpunkt zu verankern, in dem wir wirklich leben: dem Hier und Jetzt. Zuletzt kann dir achtsamkeitsbasierte Stressreduktion auch helfen, mehr Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge zu entwickeln – und dir selbst mit so viel Wohlwollen und Freundlichkeit gegenüberzutreten, wie du es auch mit den Menschen tust, die du am meisten liebst.
Für wen ist MBSR geeignet?
MBSR eignet sich prinzipiell für alle, die die Basisprinzipien der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion lernen möchten. Es gibt keine Einschränkungen bezüglich Alter, Beruf oder körperlicher Verfassung. Du benötigst keine Vorkenntnisse in Meditation oder Yoga und musst auch kein:e Buddhist:in sein, denn die Technik und der Kurs sind völlig religionsfrei. Die wichtigste Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und sich auf eine regelmäßige Übungspraxis einzulassen.
Wie kann achtsamkeitsbasierte Stressreduktion helfen?
Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion kann helfen, mit alltäglichem Stress, aber auch mit Belastungen durch chronische Erkrankungen umzugehen. So empfiehlt sich das Üben von Achtsamkeit bei chronischen Schmerzen sowie bei stressbedingten Beschwerden wie innerer Unruhe, Schlafstörungen oder Konzentrationsproblemen. Darüber hinaus ist achtsamkeitsbasierte Stressreduktion für Menschen hilfreich, die ihre Lebensqualität verbessern und mehr Entspannung und Gelassenheit finden wollen. Außerdem kann MBSR helfen, Ängste zu bewältigen.
Wichtig ist jedoch, dass ein MBSR-Kurs keine psychotherapeutische Behandlung ersetzen kann.
Wenn du unter psychischen Beschwerden leidest, solltest du dir unbedingt professionelle Unterstützung suchen. Ein MBSR-Kurs kann aber eine gute Ergänzung zu einer medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlung bieten – besprich diese Möglichkeit am besten mit deiner Ärztin oder deinem Psychotherapeuten.
Übungen zur Achtsamkeit bei Stress
Wie funktioniert achtsamkeitsbasierte Stressreduktion nun im Alltag? Wir haben zwei Übungen für dich, die du direkt ausprobieren kannst:
1Achtsamkeitsübung: Achtsames Essen
Häufig bekommen wir nicht sehr viel mit von dem, was wir essen. Wir sind in Gespräche vertieft, lesen oder scrollen durch Social Media. Versuche, diese Woche einmal bewusst zu erleben, was du isst:
- Sei für die Dauer einer Mahlzeit ganz beim Essen. Alles andere kann warten.
- Nutze alle deine Sinne. Was kannst du sehen, riechen, hören, fühlen und schmecken?
- Lege das Besteck zwischendurch aus der Hand. So isst du automatisch langsamer.
- Nimm eine Mahlzeit ganz für dich allein und in Stille zu dir.
Tipp: Möchtest du auch formale Achtsamkeit – also zum Beispiel eine Meditationstechnik erlernen? Dann kannst du dich natürlich jederzeit hinsetzen und einfach 5 – 10 Minuten deine Atmung beobachten – das ist schon eine großartige Meditation. Vielen Menschen fällt es allerdings zu Beginn schwer, allein zu meditieren. Zum Glück gibt es auf YouTube viele frei verfügbare Meditationen und zahlreiche Apps, die dir die Meditationspraxis näherbringen. Wichtig ist dabei: Setze dich nicht unter Druck, wenn währenddessen Gedanken auftauchen. Das ist ganz normal. Versuche einfach, in Ruhe wieder zur Atmung zurückzukehren.
2Achtsamkeitsübung: Selbstfürsorge-Check
Auch Selbstfürsorge ist ein wichtiger Teil der Stressbewältigung durch Achtsamkeit. Sie setzt voraus, dass wir wissen: „Was tut mir gut?”, und auch umgekehrt, welche Dinge wir zu uns nehmen, die sich eher negativ auf unser Wohlbefinden auswirken. Nimm dir einen Moment Zeit, um dir die folgenden Fragen zu stellen:
- Medien: Welche Bücher, Zeitungen, Filme, TV-Sendungen oder Musik konsumiere ich? Wie nutze ich mein Smartphone und das Internet?
- Nahrung: Was esse ich? Was trinke ich? Wann, wie und wie viel nehme ich zu mir?
- Bewegung: Wie viel und wie häufig bekommt mein Körper Bewegung?
- Beziehungen: Mit welchen Menschen umgebe ich mich?
Und dann frage dich, tun dir diese Dinge gut oder nicht? Wenn sie dir nicht guttun, dann überlege, wie du ihnen vielleicht weniger Raum in deinem Leben geben kannst. Und wenn du etwas hast, was dir wirklich sehr guttut, dann versuche, diese Tätigkeit von nun an mit mehr Bewusstheit und all deinen Sinnen zu erleben – so wie das achtsame Essen.
Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion in Online-Programmen
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Quellennachweis
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