Was ist die Agoraphobie?
Die Angst vor großen öffentlichen Plätzen oder Menschenansammlungen sowie die Angst davor alleine oder weit weg von zu Hause zu reisen, wird als Agoraphobie oder Platzangst bezeichnet. Dabei fürchten die Betroffenen, den entsprechenden Ort bei Gefahr nicht schnell genug verlassen zu können, dass keine Hilfe zur Verfügung stünde oder dass es sehr peinlich wäre, zu gehen. Die Agoraphobie kann laut ICD-10 (der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) mit oder ohne Panikattacken einhergehen. Mehr zum Thema Panikattacken erfährst du in unserem Artikel zum Thema Panikattacken loswerden.
Im Gegensatz zur Panikstörung, wird Agoraphobie nur diagnostiziert, wenn die Angst an Menschenmengen, öffentliche Plätze, allein reisen oder an das Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause gebunden ist.
Welche Symptome treten bei Agoraphobie auf?
In der gefürchteten Situation können folgende Symptome auftreten:
- Herzklopfen, erhöhte Herzfrequenz
- Schweißausbrüche
- Zittern
- Mundtrockenheit
- Atembeschwerden
- Beklemmungsgefühl
- Magen-Darm-Beschwerden
- Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche, Benommenheit
- Angst verrückt zu werden oder zu sterben
- Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle
- Hitzewallungen oder Kälteschauer
- Entfremdungsgefühl (hinsichtlich der eigenen Person)
- Gefühl in einer fremden Umgebung zu sein (Derealisationsgefühl)
Wie häufig ist Platzangst?
Weltweit sind 5% aller Menschen im Laufe ihres Lebens von einer Agoraphobie betroffen. Frauen entwickeln eine Agoraphobie ungefähr doppelt so häufig wie Männer. Die Agoraphobie tritt statistisch bei Frauen meistens vor dem 30. Lebensjahr zum ersten Mal auf. Bei den Männern gibt es nach dem 40. Lebensjahr einen zweiten „Gipfel“ des ersten Auftretens.
Wie entsteht eine Agoraphobie?
Ähnlich wie bei anderen psychischen Störungen, gibt es nicht die eine Ursache, die zu einer Agoraphobie führt. Stattdessen existieren Risikofaktoren, welche die Entstehung einer Platzangst begünstigen. Dazu gehören:
1Biologische Faktoren
· Gene: Auch wenn in Studien nachgewiesen wurde, dass die Genetik bei der Entstehung einer Agoraphobie eine Rolle spielt, bedeutet das nicht, dass unsere Gene allein dafür verantwortlich sind, ob wir eine Agoraphobie entwickeln oder nicht. Kommen weitere Risikofaktoren hinzu, können sie die Entwicklung jedoch begünstigen.
· Behavioral Inhibition: bedeutet auf Deutsch „Verhaltenshemmung“ und kann vererbt werden. Es handelt sich dabei um die allgemeine Neigung in neuen Situationen zurückhaltend und schüchtern zu sein. Sie kann Platzangst und andere Angststörungen begünstigen.
· Noradrenalin: Studien deuten darauf hin, dass Menschen mit Agoraphobie eine auffällige Noradrenalinaktivität zeigen. Noradrenalin ist ein Botenstoff des Gehirns. Allerdings bedarf es der Klärung weiterer Forschungsfragen, um diesen Aspekt näher zu beleuchten.
2Angstsensitivität und Informationsverarbeitung
· Angstsensitivität: Menschen mit Angstsensitivität nehmen an, dass Angst auch über die Angstsituation hinaus, schädlich für ihre psychische und körperliche Gesundheit ist. Diese Sensitivität kann dazu führen, dass Angstgefühle und körperliche Symptome der Agoraphobie überbewertet werden.
· Denkverzerrungen: Es kann sich hier um verschiedene Verzerrungen handeln. Zum einen werden Symptome wie zum Beispiel Herzklopfen oder Schweißausbrüche als bedrohlicher erlebt, als sie sind. Denn sie können auch einfach durch Wärme oder körperliche Anstrengung zustande kommen. Zum anderen wird die Aufmerksamkeit vermehrt auf diese Angstsymptome gerichtet und es wird sich auch besser an sie erinnert. Diese Überbewertung panikrelevanter Symptome kann zum Beispiel von den Eltern übernommen werden, wenn diese panisches Verhalten zeigen.
3Weitere Risikofaktoren
· Krankheitserfahrungen in der Kindheit: Studien deuten darauf hin, dass es möglich ist, körperliche Symptome als bedrohlicher zu bewerten, wenn man in der Kindheit bereits Erfahrungen mit zum Beispiel Atemwegserkrankungen oder anderen schweren Erkrankungen gemacht hat.
· Trennungserfahrungen: Der Verlust wichtiger Bezugspersonen könnte ein Risikofaktor zur Entwicklung einer Agoraphobie sein.
Behandlung der Agoraphobie: Kognitive Verhaltenstherapie
Die Kognitive Verhaltenstherapie beginnt nach der Diagnosestellung zunächst mit der Informationsvermittlung (der sogenannten Psychoedukation). Der oder die Betroffene lernt zum Beispiel, dass bei der Agoraphobie die Bewertung der Situation eine zentrale Rolle spielt. Bestimmte Situationen (Menschenmengen, öffentliche Plätze, alleine Reisen) werden als gefährlich bis lebensgefährlich eingeschätzt. Dadurch kommt es zu starker Angst bis hin zur Panik, wodurch wiederum Symptome (Herzrasen, Schwindel usw.) ausgelöst werden, die für die Betroffenen extrem bedrohlich scheinen.
Dieses Prinzip (bedrohliche Bewertung der Situation, Angst, Wahrnehmung und Bewertung körperlicher Veränderungen), wird auch als Teufelskreis der Angst bezeichnet.
Der schnelle Weg aus dem Teufelskreis der Angst
Viele Betroffene flüchten vor Situationen, die ihnen Angst machen. In der Psychologie wird dies als Vermeidungsverhalten bezeichnet. Das führt kurzfristig zu einem raschen Abfall der Angst, hält sie aber langfristig aufrecht.
Durch Vermeidungsverhalten können Menschen mit Agoraphobie nämlich nicht die Erfahrung machen, dass die gefürchteten Situationen und ihre Angstsymptome ungefährlich sind. Aus diesem Grund wird in der Psychotherapie ein anderer Weg aus dem Teufelskreis beschritten.
Konfrontation mit der Situation (Exposition)
In der Psychotherapie werden, nach ausreichender Vorbereitung, diejenigen Situationen aufgesucht, vor denen der Betroffene Angst hat. Ziel ist es, die direkte Erfahrung zu machen, dass die Angst oder Panik nicht bedrohlich ist. Außerdem erlebt der Betroffene, dass die Angst weniger wird, je länger er in der Situation bleibt. Unser Körper ist nämlich nicht in der Lage, dauerhaft in einem Angstzustand zu sein.
In der Psychologie nennt sich dieses Phänomen „Habituation”, was soviel wie „Gewöhnung” bedeutet. Wir gewöhnen uns an die Situation und die erlebte Angst. Dadurch nimmt die Intensität der Angst immer weiter ab.
Dieses Vorgehen wirkt auch direkt dem Vermeidungsverhalten entgegen: Der Angst wird ins Auge gesehen und es ist nicht länger nötig, vor bestimmten Situationen zu flüchten.
Behandlung der Agoraphobie: Selbsthilfetipps
Was kannst du konkret tun, wenn du Angst vor Menschenmassen oder Platzangst hast? Wir haben einige wirksame psychologische Techniken für dich zusammengestellt:
Tipp 1: Atmen
Um Hyperventilieren (schnelles und tiefes Einatmen) zu vermeiden, kannst du versuchen, tief in den Bauch hinein zu atmen. Dafür legst du am besten die Hand auf den Bauch und nimmst wahr, wie er sich wölbt und wieder flacher wird.
Tipp 2: Gedankencheck
Denke daran: Angstgefühle und die damit verbundenen Körperreaktionen sind zwar unangenehm, aber nicht gefährlich oder schädlich.
Tipp 3: Akzeptanz
Auch wenn es in der Situation kaum vorstellbar erscheint: Die Angst wird vorübergehen. Du musst deine Angst nicht bekämpfen oder vor ihr weglaufen. Sie wird ganz von alleine abebben.
Tipp 4: Ablenkung
Versuche, statt deine Aufmerksamkeit auf deine Körperempfindungen zu lenken, deine Umgebung wahrzunehmen. Eine wirksame Achtsamkeitsübung dazu, findest du zum Beispiel in unserem Artikel zum Thema Stressprävention.
Tipp 5: Kaltes Wasser
Kaltes Wasser zu trinken, beruhigt deine Atmung und senkt deine Körpertemperatur. Dadurch kannst du mehr Ruhe und Gelassenheit finden. Außerdem hilft dir das Trinken dabei, etwas zu tun und nicht zu erstarren.
Tipp 6: Um Hilfe bitten
Auch wenn viele Menschen nicht darüber sprechen: Die meisten von uns kennen Ängste. Traue dich daher, wenn du in Begleitung bist, deiner Begleitperson davon zu erzählen, was du gerade fühlst. Zwar können die Worte der anderen Person können deine Angstnicht beseitigen, aber du kannst dich verstanden fühlen.
Mehr SOS-Tipps und weitere Informationen zu Angst, Panik, Agoraphobie und Klaustrophobie findest du in unserem Überblicksartikel Angst und Panik .
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