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Eltern-Burnout: Familienleben am Limit

Sich einfach nur am Limit fühlen, wo doch eigentlich grenzenlose Liebe herrschen sollte. Viele Eltern kennen dieses Gefühl, sich statt „endlich angekommen”, rastlos und gestresst zu fühlen. Dabei gehen Erschöpfung, Hadern oder Überforderung in der Elternrolle oft mit Scham und Schuld einher. Gefühle, die es schwer machen, darüber zu reden. Zeit, das Tabu zu brechen und einmal offen über Burnout bei Eltern zu sprechen. Wir erklären dir, wie du ein Eltern-Burnout erkennst, wer ein besonders hohes Risiko hat und was du tun kannst, um wieder mehr Kraft für dich und deine Familie zu schöpfen.

„Wie läuft die Arbeit?”

Kaum jemand erwartet als Antwort auf diese Frage eine Schilderung darüber, wie man es geschafft hat, das Kind anzuziehen und halbwegs pünktlich in der Kita abzugeben. 

Wenn wir über Arbeit sprechen, ist damit meist die Erwerbsarbeit gemeint. Und genau das suggeriert, dass Elternaufgaben und Kindererziehung nicht wirklich Arbeit sind. 

Dabei wissen viele Eltern nur zu gut, dass die sogenannte Care-Arbeit (also das Kümmern und Großziehen der Kinder) oft kräftezehrender, körperlich und emotional anstrengender ist als jeder Bürojob. Für manch einen fühlt sich der Weg zur Erwerbstätigkeit fast schon wie eine Auszeit an. Die Kaffeepause im Büro wird zum Luxus, den es zu Hause nicht mehr gibt. 

Burnout wird per Definition als Erschöpfungszustand im Arbeitskontext verstanden. Viele Expert:innen stimmen jedoch darin überein, dass es sich hierbei nicht zwangsläufig um Erwerbstätigkeit im engeren Sinne handeln muss. Auch Menschen, die Care-Arbeit nachgehen, allen voran Eltern, können ein Burnout entwickeln. 

Das macht auch bei genauerer Betrachtung Sinn. Schließlich ist Care-Arbeit vergleichbar mit vielen sozialen und pflegerischen Berufen – also genau jenen, die besonders häufig von Burnout betroffen sind. Dazu kommt für viele Eltern häufig nach der Elternzeit die Doppelbelastung von Care-Arbeit und Erwerbstätigkeit.

Was ist ein Eltern-Burnout?

Eltern-Burnout bezeichnet einen Zustand der anhaltenden Erschöpfung und Überlastung in der Elternrolle. In den letzten Jahren ist immer mehr Forschung in diesem Bereich entstanden. So entwickelte die belgische Psychologin Dr. Isabelle Roskam gemeinsam mit ihren Kolleg:innen eine Methode zur Messung des Burnouts bei Eltern, das sogenannte Parental Burnout Assessment. Nach der Befragung von über 900 Eltern identifizierten sie vier Dimensionen des Eltern-Burnouts. 

Erste Dimension: Erschöpfung

Ein Anzeichen für Burnout bei Eltern ist es, sich in der Elternrolle körperlich oder emotional erschöpft und ausgelaugt zu fühlen. Dieser Zustand ist dabei nicht ein einzelner Moment oder Tag, sondern kann sich wie ein Dauerzustand der Energielosigkeit anfühlen. Während sich bei Eltern kleinerer Kinder oft eine körperliche Erschöpfung breit macht, kann gerade bei älteren Kindern oder Teenagern auch eine emotionale Erschöpfung in den Vordergrund rücken.

Zweite Dimension: Emotionale Distanz oder Rückzug

Als Reaktion auf die Erschöpfung kann es dazu kommen, dass sich Eltern von ihren Kindern zurückziehen. Das kann bedeuten, nicht mehr als notwendig mit ihnen zu unternehmen oder nicht mehr in der Lage zu sein, die eigene Liebe und Zuneigung auszudrücken. Dieser Rückzug ist dabei oft der Versuch, Energie zu sparen und die eigenen inneren Akkus zu schonen. Im Eltern-Burnout fehlt einfach die Kraft, gemeinsame Aktivitäten zu gestalten.

Dritte Dimension: Überforderung und fehlende Erfüllung

Eltern, die von Burnout betroffen sind, verspüren häufig keine Erfüllung mehr im Elternsein. Zum Teil kann sich sogar das Gefühl einstellen, es kaum noch zu ertragen, Eltern zu sein. Dazu kommen kann das Gefühl, sich überfordert zu fühlen oder das Zusammensein mit den Kindern nicht mehr genießen zu können. Gleichzeitig wirkt von außen starker gesellschaftlicher Druck: Mit der Elternrolle solle doch große Erfüllung einhergehen. 

Vierte Dimension: Kontrast zum früheren Elternselbst

Oft haben Menschen ein Bild davon, wie sie als Eltern sein möchten oder eben auch gerade nicht sein möchten (zum Beispiel bloß nicht wie die eigenen Eltern). Bei einem Eltern-Burnout klaffen diese Vorstellung oder auch das frühere Elternselbst und die Realität plötzlich weit auseinander. Statt Engelsgeduld kurze Zündschnur, statt gemeinsames Spielen Scrollen im Smartphone. 

„So wollte ich doch eigentlich nie werden.” – Genau solche negativen Gedanken und die Kluft zwischen dem, was ist und dem, was wir uns vorgestellt haben, führt dann zu Scham– und Schuldgefühlen

Wer ist von Eltern-Burnout besonders betroffen?

Generell kann Burnout alle Eltern betreffen. Besonders häufig entwickeln jedoch Elternteile ein Burnout, die die Hauptlast der Care-Arbeit leisten. Kommt neben dem Stress in der Familie noch der Stress einer Erwerbsarbeit dazu, kann das Risiko besonders hoch sein.

Die 40-Stunden-Woche kommt übrigens aus einer Zeit, in der in der Regel nur eine Person im Haushalt erwerbstätig war. Heute sieht es in vielen Beziehungen jedoch anders aus. Beide Partner:innen sind meist erwerbstätig, Kindererziehung und Elternpflichten kommen noch oben drauf.

Auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus, Hochsensibilität  oder Versagensangst können das Risiko eines Eltern-Burnouts erhöhen. Studien zeigen zudem, dass besonders Eltern aus eher individualistischen (typischerweise westlichen) Ländern eine höhere Rate von Burnout bei Eltern aufweisen. Es kann davon ausgegangen werden, dass hier oft mehr Leistungsdruck, Perfektionismus, erhöhter Stress und weniger familiäre Unterstützung herrschen. Auch Umstände wie alleinerziehend zu sein oder Kinder mit Beeinträchtigung zu betreuen, erhöhen das Risiko eines Burnouts. 

5 Tipps bei Eltern-Burnout

Wie kann man Burnout als Eltern vorbeugen oder Beschwerden lindern? Wir haben 5 psychologische Tipps für dich.  

1Die Masken fallen lassen

Überforderung ist oft immer noch ein Tabuthema unter Eltern. Dabei kann es bereits enorm entlasten, mit anderen über die eigene Erschöpfung, Gereiztheit, Ungeduld oder fehlende Erfüllung in der Elternrolle zu sprechen. Denn ein solches Eingeständnis öffnet Türen: für andere Eltern, die merken, dass sie nicht allein sind. Und die sich dann vielleicht trauen, über ganz ähnliche Gefühle oder eigene Selbstzweifel zu sprechen. Deine Chance zu erfahren, dass alle anderen es doch gar nicht so viel besser hinkriegen als du. Dass du nicht die einzige Person bist, die das Kind auch mal vorm Fernseher parkt, um in Ruhe zu duschen oder zu frühstücken.

2Ambivalenz annehmen

Ich will alleine sein und meine Ruhe haben, aber ich würde auch gerne mit meinem Kind spielen.” „Ich will gesund kochen, aber ich habe einfach keine Kraft mehr.” Das „aber” in den Sätzen kann den Eindruck erwecken, dass die beiden Satzteile nicht zusammenpassen. Versuche einmal, das Wort mit „gleichzeitig” oder „und” zu ersetzen. Damit gibst du beiden Satzteilen und damit auch beiden Gefühlen oder Zuständen Raum. Du möchtest vielleicht am Wochenende Zeit mit deinem Kind verbringen und gleichzeitig mal ganz für dich allein einen Kaffee trinken gehen. Und beide Wünsche und Bedürfnisse sind okay. Diese Ambivalenz ist Teil des Elternseins. Du kannst deine Kinder lieben und gleichzeitig einfach mal deine Ruhe haben wollen.

3Die Akkus aufladen

Wie geht es dir eigentlich gerade? Eltern werden viel häufiger gefragt, wie es ihren Kindern geht, als sich selbst. Vielleicht steckt dahinter der Gedanke, wenn es den Kindern gut geht, geht es auch den Eltern gut. Dabei ist es genau andersrum. Wenn du dir regelmäßig Zeit nimmst, um deine inneren Akkus wieder ein Stück weit aufzuladen, profitieren davon auch deine Kinder. 

Fragst du dich jetzt: Aber wann um alles in der Welt sollen diese „Aufladezeiten” im turbulenten Alltag zwischen Erwerbs- und Care-Arbeit stattfinden? 

Auch wenn es hierfür keine pauschale Antwort gibt, können dir diese Tipps vielleicht helfen:

Betreuungszeit aufteilen

So wertvoll die Familienzeit auch ist – macht nicht alles zusammen. Manchmal können (besonders frischgebackene) Eltern dazu neigen, viele Abläufe im Alltag gemeinsam zu gestalten. Gemeinsames Wickeln, Anziehen, Essen, Spaziergänge, Baden oder ins Bett bringen. Selbst wenn die eine Person zuständig ist, ist die andere doch auch noch halb dabei. So wertvoll diese Zeit auch ist, schafft euch auch immer wieder Zeiten, in denen ihr nicht zuständig seid. Wirklich gar nicht. Das kann bedeuten, ganz bewusst das Haus zu verlassen oder die Zimmertür zu schließen. Vielleicht gibt es auch einen festen Abend die Woche, wo du für nichts verantwortlich bist und den du so gestalten kannst, wie du es möchtest. 

Auch hier ist Geduld und Übung gefragt. Denn so sehr wir uns freie Zeit auch wünschen, so schwer kann es manchmal auch sein, loszulassen. Und dem Partner oder der Partnerin zu vertrauen, die Zuständigkeit zu übernehmen. 

Wie du deine freie Zeit gestaltest, sollte allein dir überlassen sein und keinen Regeln oder Erwartungen folgen. Aufräumen, Sport machen oder etwas „Produktives” tun? Musst du nicht. Finde vor allem Aktivitäten, nach denen du dich ausgeruhter und erholter fühlst. Spazierengehen, Trash-TV, Schlafen, gar nichts tun: Deine Akkus – deine Regeln.

Erholungseffekt bewerten

Manchmal ist es gar nicht so einfach zu wissen, was dir guttut. Um deine ganz persönlichen Aufladestationen zu finden, kannst du auch eine Liste anlegen, in der du deine Pausenzeit-Aktivitäten festhältst. Nach deiner Auszeit kannst du dann auf einer Skala von 0 – 10 bewerten: Wie erholsam war diese Aktivität heute für mich? So werden sich auf lange Sicht besonders die Dinge herauskristallisieren, die deine Akkus zuverlässig aufladen.

4Die schönen Momente finden

Wie war’s heute? Stressig. Oft bleibt von einem turbulenten Familientag nur ein erschöpftes Gefühl zurück. Dabei ist an den allermeisten Tagen nicht alles chaotisch und ermüdend. Die kleinen schönen Momente am Tag fliegen jedoch schnell vorbei. Nimm dir die Zeit, innezuhalten und sie einzufangen. 

Suche dir dafür am besten einen festen Zeitpunkt, zum Beispiel kurz vor dem Zubettgehen oder beim Zähneputzen. Überlege dir: Was war heute gut oder schön? Das gemeinsame Hörspielhören auf dem Weg zur Schule? Die kurze Zeit einfach mal Nichtstun, als alle im Bett waren?

💡 Tipp: Du kannst dir auch ein Notizbuch anlegen, in dem du die schönen Dinge (vielleicht auch mit deiner Familie gemeinsam) festhältst. Als Einschlafritual mit den Kindern ist das Aufzählen positiver Dinge des Tages ebenfalls gut geeignet und es stärkt dazu noch das Familiengefühl.

Bei dieser Übung ist es nicht das Ziel, wahnsinnig große und schöne Momente im Alltag finden zu müssen. Das kann Druck erzeugen, wenn sich der Tag eigentlich nur wie „irgendwie überstehen” angefühlt hat. Vielmehr geht es darum, den Fokus auch auf das zu legen, was gut war. Damit schärfst du deinen Blick für die kleinen Dinge und wirst sie auch in Zukunft eher wahrnehmen.

5Eltern-Burnout: Hilfe suchen

Wenn du merkst, dass deine eigenen Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichen, ist es wichtig, dir bei Eltern-Burnout Hilfe zu suchen. Professionelle Unterstützung und Beratung bekommst du unter anderem in Familienzentren, aber auch in deiner hausärztlichen Praxis. Hier kannst du beispielsweise mit deiner Hausärztin besprechen, ob eine Eltern-Kind-Kur oder vielleicht auch eine Psychotherapie für dich in Frage kommt. Auch bei der Krankenkasse, dem Jugendamt oder Erziehungsberatungsstellen lohnt es sich oftmals nachzufragen, ob und welche Unterstützungsangebote es gibt.  

Kostenfreie Soforthilfe bei Burnout bietet dir der Online-Therapiekurs HelloBetter Stress und Burnout. Das Online-Therapieprogramm kannst du dir von deinem Arzt oder deiner Psychotherapeutin einfach auf Rezept verordnen lassen und in deinem eigenen Tempo durchlaufen. Ganz ohne Wartezeit und bequem von zu Hause aus ohne feste Termine. In dem Online-Therapiekurs erlernst du viele wirksame Strategien zur Stressbewältigung. Zum Beispiel kraftgebende Aktivitäten in deinem Alltag einzubauen, Probleme systematisch anzugehen oder ein bewährtes Entspannungsverfahren. Alle Informationen findest du auf unserer Kursseite.

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  • Quellennachweis
    1. Roskam, I., Aguiar, J., Akgun, E. et al. Parental Burnout Around the Globe: a 42-Country Study. Affec Sci 2, 58–79 (2021). https://doi.org/10.1007/s42761-020-00028-4
    2. Abramson, A. (2021). The impact of parental burnout. What psychological research suggests about how to recognize and overcome it. Monitor on Psychology. https://www.apa.org/monitor/2021/10/cover-parental-burnout
    3. Roskam, I., Bayot, M., Mikolajczak, M. (2022). Parental Burnout Assessment (PBA). In: Medvedev, O.N., Krägeloh, C.U., Siegert, R.J., Singh, N.N. (eds) Handbook of Assessment in Mindfulness Research. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-77644-2_81-1
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