Reiseangst – die Psychologie dahinter
Reiseangst, auch Hodophobie genannt, beschreibt eine intensive und meist anhaltende Angst, die bei dem Gedanken ans Reisen oder beim Reisen selbst auftreten kann. Dabei gehört die Reiseangst zu den spezifischen Phobien. Diese beschreiben Ängste vor ganz speziellen Situationen wie dem Reisen, vor einem spezifischen Ereignis oder vor einem bestimmten Reiz wie einem Ort oder einem Tier.
Ursachen für eine Reiseangst
Die Gründe für Reiseangst können vielfältig sein. So verstecken sich nicht selten andere Ängste, die meist, anders als die klassische Hodophobie, wenig mit der Reise selbst zu tun haben, hinter der Furcht vor dem Aufbruch. Wir stellen dir ein paar davon vor.
Vielleicht löst der Gedanke daran, dich in anderen Ländern nicht verständigen zu können, ein Unwohlsein in dir aus. Oder du hast Angst vor Ablehnung und fürchtest, dich peinlich zu verhalten oder unangenehm aufzufallen. Wenn es dir öfter so geht, könnte sich eine soziale Phobie hinter deiner Angst vorm Reisen verbergen.
Viele Menschen fürchten sich auch vor einer Ansteckung mit unbekannten Keimen oder Viren in einem fremden Land. Kreisen deine Gedanken auch im Alltag immer wieder um die Angst vor einer Infektion, kann es sein, dass diese Zwangsgedanken sich deiner Reise in den Weg stellen.
Stellt der Gedanke an Menschenansammlungen, gut besuchte Orte und Sehenswürdigkeiten einen großen Stressfaktor für dich dar, steckt vermutlich eine Agoraphobie hinter deiner Reiseangst. Vielleicht plagt dich die Angst vor der Angst und du befürchtest, eine Panikattacke im Urlaub zu erleben und im Notfall nicht ausreichend schnell Hilfe zu erhalten. Menschen mit einer Panikstörung mit Agoraphobie suchen oft schon vor dem Antritt ihrer Reise nach Krankenhäusern oder Arztpraxen in der Nähe.
Für manche bedeutet es pure Freiheit, für andere eine wahre Qual: das Fliegen. Eine Studie aus den USA konnte zeigen: Die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben eine Flugangst zu entwickeln, liegt bei etwa 2.9 %. Damit handelt es sich bei der Flugangst um die dritthäufigste Phobie. Dahinter steckt oft die Angst vor Kontrollverlust, die einer Reise über den Wolken und damit oft dem gesamten Urlaub im Weg steht.
Ich leide unter Reiseangst – bin ich jetzt krank?
Nach dem letzten Abschnitt hast du vielleicht den Eindruck, dass hinter einer Reiseangst auch immer eine andere Erkrankung steckt. Hier können wir dich beruhigen.
Eine Reiseangst kann, muss aber nicht mit einer anderen psychischen Erkrankung einhergehen.
Im Gegenteil: Hinter der klassischen Reiseangst – oder Hodophobie – steht oft die Angst vor der Vorstellung, das sichere Zuhause und die gewohnte Umgebung zu verlassen. Grund dafür ist meist die Angst vor Veränderung, die eine natürliche Reaktion auf neue Situationen darstellt. Denn wir alle haben ein evolutionär betrachtet durchaus sinnvolles Bedürfnis nach Sicherheit. Das war schon früher so: Erkundeten wir unbekanntes Terrain mussten wir uns anpassen, um zu überleben. Das hieß: Neue Kontakte knüpfen, Nahrung beschaffen und einen sicheren Ort zum Schlafen finden.
Unbekanntes bedeutet also auch Stress. Ob und wie stark wir unter Reiseangst leiden, hängt dabei auch davon ab, welche Art von Stress wir empfinden. Das liegt nicht zuletzt daran, wie wir neue Situationen bewerten: Sehen wir eine Reise als Chance, etwas Neues zu lernen oder zu erkunden? Dann befinden wir uns im positiven Stress, der sich aufregend anfühlt und uns Kraft und Energie schenkt. Fühlen wir uns durch das Unbekannte bedroht, erleben wir hingegen belastenden, oft chronischen Stress. Auch dieser wirkt erregend, fühlt sich aber bedrohlich an und ist mit Angst verbunden.
Sicherheit und Freiheit – geht das beides?
Oft denken wir, in unserem gewohnten Umfeld sind wir sicher. Begeben wir uns auf eine ferne Reise, geben wir diese Sicherheit auf, gewinnen jedoch an Freiheit. Tatsächlich lassen sich beide Gefühle bis zu einem bestimmten Grad vereinen. Wie das geht? Das Stichwort lautet: „Komfortzone”.
Wir alle haben einen bestimmten Bereich, in dem wir uns wohlfühlen: Ein Temperaturbereich, in dem wir optimal funktionieren, ein bestimmter Tagesablauf, der sich für uns gut anfühlt oder ein Essen, das uns immer schmeckt. Manchmal treten wir aus dieser Komfortzone aus – entweder, weil wir uns dazu entscheiden oder weil wir mehr oder weniger dazu gezwungen sind.
Steht unser Lieblingsessen nicht mehr auf der Karte unseres Standard-Italieners, müssen wir uns für ein neues Gericht entscheiden. Das löst fürs Erste vielleicht unangenehme Gefühle in uns aus, weil wir nicht „auf Nummer sichergehen” können. Wir wissen aber, dass wir italienische Speisen generell mögen, keine Unverträglichkeiten haben und uns eigentlich keiner Gefahr aussetzen, wenn wir mal ein anderes Gericht ausprobieren. Wir befinden uns also in einer sicheren Umgebung, können aber trotzdem eine Gewohnheit ändern.
Die Komfortzone erweitern – 4 Tipps gegen Reiseangst
Genau wie bei unserem Lieblingsgericht können wir auch im Thema Reisen unsere Komfortzone erweitern – und das ganz bewusst. Wir zeigen dir, wie das gelingen kann.
1Die Angst benennen
Bevor du deiner Reiseangst entgegentrittst, ist es wichtig, diese zunächst konkret zu benennen. Wovor habe ich Angst? Ist es eine bestimmte Situation wie das Fliegen oder ein Raubüberfall, ein exotisches Tier oder die ungewohnte Umgebung im Allgemeinen?
2Eine gute Vorbereitung
Kennst du deine Angst erst einmal, kannst du dich vor einer Reise gezielt vorbereiten. Dazu kann es helfen, dir zu überlegen: Was gibt mir Sicherheit? Manche fühlen sich im Flugzeug wohler, wenn sie einen Sitzplatz am Fenster wählen. Andere schlafen besser, wenn sie ihr eigenes Kissen im Gepäck haben. Vielleicht hilft es dir auch, dich vor deiner Reise einmal gut über dein Urlaubsziel zu informieren. Dinge wie diese geben dir Kontrolle, stärken dein Selbstbewusstsein und führen dazu, dass du dich in einer neuen Umgebung schneller wohlfühlst.
3Kleine Schritte
Um deine Reiseangst zu überwinden, ist es wichtig, dir zunächst kleine Ziele zu setzen und nicht in Überforderung zu geraten – nicht umsonst heißt es Komfortzone erweitern, nicht verlassen.
Denn über die Angst Bescheid zu wissen, macht sie zwar weniger bedrohlich, führt aber leider nicht dazu, dass sie ganz verschwindet.
Wenn du zum Beispiel Angst vor dem Fliegen hast, bietet es sich an, anfangs ein nahe gelegenes Urlaubsziel mit kurzer Flugdauer zu wählen. Hast du Angst vor dem Alleinsein, kann es helfen, eine nahestehende Person zu bitten, dich auf deine Reise zu begleiten. Auch die Urlaubsdauer ist bedeutend – hier ist es ratsam, mit einem kurzen Wochenendtrip zu starten, bevor du dich auf eine längere Reise begibst.
4Das Ziel vor Augen
Während du dich in kleinen Schritten auf dein Ziel zubewegst, ist es wichtig, motiviert zu bleiben. Überlege dir einmal, was deine ganz persönliche Selbstmotivation ist, um deine Reiseangst zu überwinden – vielleicht ist es ein großer Familienurlaub, Flitterwochen mit deinem Lieblingsmenschen oder eine spannende Geschäftsreise? Einen konkreten Anreiz zu haben, kann uns dabei helfen, am Ball zu bleiben und der Reiseangst auch weiterhin mutig entgegenzutreten.
Hilfe! Panik vor dem Urlaub oder während der Reise
Vielleicht würdest du die Tipps gerne umsetzen und deiner Reiseangst den Kampf ansagen, wäre da nicht dieses Monster. Dieses Monster, das noch viel größer ist als die Angst selbst und dich unkontrollierbar in die Knie zwingt – die Panik. Leidest du unter Panikattacken, kann dich das nicht nur im Alltag belasten. Auch die schönen Dinge wie Reisen, Geburtstagsfeiern und Restaurantbesuche können zur Herausforderung werden. Das kann sogar dazu führen, dass du solche Unternehmungen, zum Beispiel aus Angst vor Panikattacken im Urlaub, weitestgehend vermeidest.
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Quellennachweis
- Deutschlandfunk Nova. (2022, 20. Juli). Wie wir unsere Ängste überwinden. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/reisen-wie-wir-unsere-aengste-ueberwinden
- Hartmann, I. (o. D.). So wirst du trotz Ängsten zum Weltenbummler. Reisevergnügen. https://reisevergnuegen.com/angststoerung-reisen-agoraphobie/
- Korzilius, H. (2003). Flugangst: Stress über den Wolken. Deutsches Ärzteblatt. https://www.aerzteblatt.de/archiv/38951/Flugangst-Stress-ueber-den-Wolken
- Stinson, F. S., Dawson, D. A., Patricia Chou, S., Smith, S., Goldstein, R. B., June Ruan, W., & Grant, B. F. (2007). The epidemiology of DSM-IV specific phobia in the USA: results from the National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions. Psychological medicine, 37(7), 1047–1059. https://doi.org/10.1017/S0033291707000086
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