Was meinen wir mit „Angst, verletzt zu werden”?
Seelische Verletzungen entstehen in zwischenmenschlichen Beziehungen und wir erleben sie bereits in der Kindheit. Vielleicht wird das Geschwisterkind bevorzugt, wir werden angefahren, weil wir den Apfelsaft versehentlich verschüttet haben oder unser bester Freund möchte lieber mit einem anderen Kind spielen.
Im Erwachsenenleben können es vor allem Verletzungen aus Liebesbeziehungen sein, die uns treffen.
Das liegt unter anderem daran, dass uns der (gewünschte) Partner oder die Partnerin sehr wichtig ist. Wir öffnen uns der geliebten Person gegenüber und können dann durch zum Beispiel verletzende Bemerkungen das Gefühl bekommen, nicht angenommen zu werden. So geht die Angst, verletzt zu werden, oftmals mit der Angst vor Ablehnung einher. Deswegen zögern wir vielleicht auch eher, eine neue Liebesbeziehung einzugehen als eine Freundschaft. Wir wissen, dass die andere Person in der Beziehung damit gewissermaßen die „Macht” bekommt, uns tief zu treffen – und das wäre schmerzhaft.
Wie äußert sich die Angst, verletzt zu werden?
Die Angst, verletzt zu werden, ist nicht gleichzusetzen mit Beziehungsangst und führt auch nicht dazu, dass wir beziehungsunfähig werden. Häufiger ist es so, dass wir innerhalb einer Beziehung – ob in einer Partnerschaft, Freundschaft oder in der Familie – Angst, verletzt zu werden, erleben. Das kann sich zum Beispiel darin äußern, dass wir uns weniger öffnen. Denn wenn wir nicht zeigen, wer wir wirklich sind (was wir denken, fühlen und tun), kann dieses Wissen auch nicht gegen uns verwendet werden. Wenn ich meiner Partnerin beispielsweise gar nicht sage, dass ich sie liebe, entgehe ich der möglichen Verletzung, dass sie diese Gefühle nicht erwidert. Allerdings natürlich auch der Freude, wenn sie ebenso fühlt.
Wann wird die Angst vor Enttäuschung problematisch?
Ängste gehören zu unserem Leben dazu. Sie schützen uns davor, bestimmte Risiken einzugehen und das ist grundsätzlich erst mal positiv. Ängste werden aber zum Beispiel problematisch, wenn wir sie generalisieren, das heißt verallgemeinern, uns dann von ihnen einschränken lassen und darunter leiden.
Wenn wir in kein Auto mehr einsteigen, weil wir einen Autounfall hatten. Wenn wir bei jedem vorbeilaufenden Hund die Straßenseite wechseln, weil wir mal von einem Hund gebissen wurden. Oder wenn wir keine Liebesbeziehung mehr eingehen, weil wir beim letzten Mal sehr verletzt wurden. Dann geraten wir in eine Vermeidung und berauben uns damit auch schönen Erfahrungen – wie dem gegenseitigen Liebesgeständnis – und unserer persönlichen Entwicklung. Denn wenn wir entdecken, dass wir Ängste überwinden können, uns nicht von ihnen einschränken lassen müssen, dann kann das sogar dazu beitragen, dass wir durch sie innere Stärke entwickeln. Auch erfahren wir, wie wir unsere inneren Werte leben und langfristig unsere Resilienz stärken können.
So kannst du besser mit deinen Befürchtungen umgehen
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass es unmöglich ist, niemals verletzt zu werden. Das muss keineswegs absichtlich geschehen. Aber es ist unvermeidbar, wenn wir Kontakt zu anderen Menschen haben, die uns wichtig sind. Nun könnten wir sagen: Gut, wenn es ohnehin passiert, dann lohnt es sich nicht davor Angst zu haben. Allerdings haben Ängste es an sich, nicht durch solche Überlegungen zu verschwinden. Sie tauchen einfach auf.
Wenn du die Angst vor Verletzung überwinden willst, ist es daher hilfreich, zu akzeptieren, dass sie da ist – wenn sie nun mal da ist. Erkenne sie in solchen Momenten und mache sie dir bewusst. Etwa wenn du zögerst, deinen Partner etwas zu fragen, weil du Angst vor der Antwort hast. Dann kannst du dir zum Beispiel sagen: „Jetzt spüre ich die Angst davor, verletzt zu werden. Das ist okay, ich kann trotzdem fragen, was ich wissen möchte.” In unseren Artikeln Akzeptanz lernen und loslassen lernen, findest du weitere Tipps zu diesem Thema.
Stärke deinen Selbstwert
Mal ungewöhnlich gefragt: Was wäre so schlimm daran, wenn du deiner Partnerin sagst, dass du sie liebst und sie diese Liebe nicht erwidert? Vermutlich würde das – neben ordentlichem Liebeskummer – an deinem Selbstwert nagen. Von jemandem nicht geliebt zu werden, kann sich nämlich so anfühlen, als wären wir nicht liebenswert. Vielleicht ist das sogar bereits ein negativer Glaubenssatz, der nun vermeintlich bestätigt wird. Daher kann es hilfreich sein, deinen Selbstwert zu stärken, um grundsätzlich weniger Angst vor Verletzung zu erleben.
Wenn du dir deiner Stärken bewusst wirst, lösen die Reaktionen anderer nicht mehr in dem Maße Minderwertigkeitskomplexe in dir aus und du kannst mutiger werden.
Zur Stärkung deines Selbstwerts kannst du dir zum Beispiel selbst einen Liebesbrief schreiben. In diesem Brief geht es nicht unbedingt darum, dich zu loben, sondern dir vielleicht einfach zu versichern, wie wichtig du dir selbst bist und dass du für dich da bist, auch wenn andere dich verletzen. Falls sich das Gefühl der Selbstliebe nicht einstellt, kannst du möglicherweise etwas wie Selbstmitgefühl spüren. Auf diese Weise kannst du mehr Zuversicht entwickeln, dass du in der Lage bist, mit Enttäuschungen umgehen zu können sowie Optimismus und Vertrauen darauf, dass du für dich da bist, selbst wenn es zu einer Verletzung kommt.
Wann ist die Angst vor Verletzung sinnvoll?
Wie schon beschrieben, haben Ängste eine wichtige Funktion: Sie wollen dich schützen. Genauso wie zum Beispiel die Angst vor Höhe einen Sinn hat, denn du willst schließlich nirgendwo runterfallen, so ist es in einigen Situationen durchaus angebracht, die Angst verletzt zu werden oder die Angst vor Enttäuschung ernst zu nehmen. Das kann zum Beispiel bei toxischen Beziehungen der Fall sein. Wenn du von derselben Person immer wieder verletzt wurdest, enthält die Angst vor Verletzung durchaus die wichtige Botschaft, dich zu schützen.
Bist du selbst im Zweifel darüber, ob die Angst, verletzt zu werden, gerade angebracht ist oder nicht, kann es auch hilfreich sein, mit der anderen Person darüber zu sprechen.
Du kannst ihr zum Beispiel erzählen, warum du diese Angst hast. Hat die Person dich vielleicht schon einmal verletzt und ihr habt diese Erfahrung nie besprochen? Oder ist die Angst vor Enttäuschung vielleicht aufgrund vergangener Erfahrungen da, die nichts mit der jetzigen Situation und Person zu tun haben? Ein offenes Gespräch kann dir die Sicherheit geben, die du vielleicht brauchst, um deine Angstgedanken loswerden zu können. Das Motto lautet also: Reden ist gold.
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