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Beziehungsphasen – die Psychologie einer Paarbeziehung

Einatmen, ausatmen. Das sanfte Pochen eurer Herzen im rhythmischen Einklang. Ihr blickt euch in die Augen und fühlt, wie die Welt um euch herum verblassen könnte. Es ist der Beginn einer neuen Beziehung, ein aufregendes Abenteuer, das voller Hoffnung und Möglichkeiten steckt. Doch wie jede Reise hat auch eine Paarbeziehung ihre eigenen Phasen, die uns durch Höhen und Tiefen führen und uns wachsen lassen. In diesem Artikel wollen wir uns genauer mit den verschiedenen Etappen einer Partnerschaft auseinandersetzen und erkunden, wie wir diese Beziehungsphasen bewusst erleben und gestalten können.

Die Psychologie der Partnerschaft: Kann man eine Beziehung in Phasen einteilen? 

Im Laufe der Zeit haben zahlreiche Psychologen und Psychologinnen versucht, wiederkehrende Muster in partnerschaftlichen Beziehungen zu identifizieren und diese in einzelne Phasen einzuteilen. Dabei ist natürlich anzumerken, dass wir alle ganz individuell sind. Es gibt zwar häufiger wiederkehrende Muster sowohl in den Beziehungstypen als auch in den Beziehungsphasen, aber letztendlich führen wir ganz einzigartige Partnerschaften, die sich nicht immer hundertprozentig in ein solches Modell einordnen lassen. Trotzdem kann das Wissen um solche Phasen und die Einordnung deiner eigenen Partnerschaft darin helfen, Probleme zu erkennen und schwierige Phasen zu überwinden. Wie? Dazu gleich mehr.

Happily ever after? Die 4 typischen Beziehungsphasen einer Partnerschaft

Zunächst wollen wir uns die typischen Beziehungsphasen anschauen. In diesem Artikel möchten wir uns mit dem Modell der Psychotherapeutin Ellyn Bader und des Psychologen Peter Pearson beschäftigen – dem „Bader-Pearson-Developmental-Model”. Die beiden gehen davon aus, dass es ganz normal ist, dass Menschen, die eine Partnerschaft eingehen, durch verschiedene Entwicklungsphasen gehen, um ein gutes Team zu werden und eine emotional reife Partnerschaft aufzubauen. Die 4 Entwicklungsphasen, die von den beiden beschrieben werden, schauen wir uns hier einmal näher an:

1Symbiose oder „Wir sind eins”

Mit dieser ersten Beziehungsphase ist die Verliebtheitsphase gemeint, nachdem ein Paar frisch zusammengekommen ist. Alles erscheint in rosarotem Licht, die beiden sind unzertrennlich, können sich gar nicht oft genug sehen und vernachlässigen manchmal auch ihre Freundschaften ein wenig. Partner und Partnerinnen konzentrieren sich in dieser Phase vor allem auf ihre Gemeinsamkeiten. Dass sie auch Unterschiede haben, daran wollen sie nicht erinnert werden, auch wenn sie es vielleicht erkennen. Alles in allem ist diese Beziehungsphase berauschend, wunderbar und nahezu verschlingend. 

2Differenzierung oder „Die Entdeckung unserer einzigartigen Identitäten”

Mit der Zeit werden die Unterschiede zwischen den beiden Personen jedoch immer deutlicher und können nicht mehr ignoriert werden. Unterschiede zu erkennen kann zu Konflikten führen, muss jedoch nicht heißen, dass es zu heftigem Streiten in der Beziehung kommt. Viele Paare erkennen die Unterschiede und versuchen trotzdem weiterhin friedlich zusammenzuleben und nicht die Beziehung zu beenden. In der normalen Entwicklung lernen beide die gleiche Lektion: „Wir sind getrennte Menschen mit unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen”. Und noch viel wichtiger ist es, in dieser Beziehungsphase zu lernen, dass es nicht „gefährlich” für die Partnerschaft ist, unterschiedlich zu sein. Offene und ehrliche Gespräche helfen in dieser Phase, die gegenseitigen Wertvorstellungen zu kommunizieren und fördern das Zusammenschweißen des Paars. 

3Erprobung oder „Individuelle Entfaltung und Selbstbestimmung”

In dieser Beziehungsphase beginnen beide, sich wieder stärker mit der Welt um sie herum zu beschäftigen. Nachdem sie gelernt haben, dass die „Unterschiedlichkeiten” ihrer Beziehung nicht schaden, beginnen sie sich wieder mehr mit eigenen Freundschaften, eigenen Hobbys oder der eigenen beruflichen Entwicklung zu beschäftigen. Wenn sich beide gleichzeitig in dieser Phase befinden, kann dies eine Zeit des inneren Wachstums und der Selbstverwirklichung für jeden Einzelnen sein. Beide genießen die Möglichkeit, kreativer zu werden, neugieriger auf sich selbst und die Welt um sie herum zu sein. Sie erkennen sich selbst als einzigartige und starke Persönlichkeiten wieder. Gleichzeitig können sie stolz sein auf die Entwicklung, die sie bei ihrem Partner oder ihrer Partnerin sehen und sich mit ihm oder ihr darüber austauschen.

4(Wieder-)Annäherung oder „Zurück nach Hause”

In dieser Beziehungsphase kommt nach der Konzentrierung auf das Außen wieder eine Rückkehr zur Partnerschaft. Einer oder beide beginnen, sich auf die Freude des Zusammenseins und das Gefühl der Verbundenheit zu besinnen. Den Dingen, die in der letzten Zeit als „ganz normal” oder „nichts Besonderes” galten, wird nun viel mehr Wertschätzung entgegengebracht und der einzigartige Platz des Partners oder der Partnerin im eigenen Leben erkannt. 

In dieser Phase lernen die beiden zu geben, auch wenn es unbequem ist. Die Liebe ermöglicht es ihnen, ein tiefes Vertrauen aufzubauen, eine größere menschliche Reife zu entwickeln sowie eine größere Fähigkeit, auf die Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin einzugehen. Sie verzichten beispielsweise freiwillig und ohne Groll oder Ärger auf die Dinge, von denen sie wissen, dass sie für ihren Partner belastend sind. Oder sie lernen zu geben, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. 

Wie lange dauern solche Beziehungsphasen an?

Wie lange die einzelnen Beziehungsphasen andauern und ob sie eintreten, kann in jeder Partnerschaft anders sein. Manche Paare verweilen nur wenige Wochen in der Verliebtheitsphase, bevor sie beginnen, sich ihrer Unterschiedlichkeiten bewusster zu werden. Für andere dauert es bis zu zwei Jahre. Irgendwann jedoch ist diese Phase bei jedem Paar vorbei und man muss sich den Herausforderungen der nächsten Beziehungsphasen stellen. 

Wichtig zu wissen ist zudem, dass nicht immer beide Partner oder Partnerinnen gleichzeitig in die jeweils nächste Beziehungsphase eintreten. Mehr noch ist es eher die Regel, dass einer oder eine der beiden als Erstes diesen Schritt macht. Das kann dann wiederum neue Konflikte und Probleme an den Tag fördern, da sich das System „Partnerschaft” plötzlich unbalanciert anfühlt.

Ungleichgewicht – wenn wir in unterschiedlichen Phasen der Beziehung sind

Wie sich dieses Ungleichgewicht äußern kann, haben wir dir beispielhaft für die folgenden 3 Kombinationen von Beziehungsphasen einmal herausgearbeitet:

Symbiose – Differenzierung

Der Partner, der sich in der Differenzierung befindet, fühlt sich nun vielleicht erstmals gestört von den Unterschieden zwischen den beiden Partnern und beginnt, diese klarer zu kommunizieren. Er möchte möglicherweise Grenzen setzen und klare Verantwortungsbereiche in der Beziehung definieren. Währenddessen fühlt sich die Partnerin, die noch in der Symbiose ist, davon bedroht. Sie fürchtet möglicherweise, dass der Partner sie für jemanden verlassen könnte, der vermeintlich besser zu ihm passt und entwickelt in der Folge möglicherweise ein anhängliches Verhalten, um die neu geschaffenen Grenzen zu reduzieren. 

Symbiose – Erprobung

Die Partnerin, die sich in der Erprobungsphase befindet, wendet sich zunehmend ins Außen, möchte wieder mehr Zeit alleine mit Freunden oder Hobbys verbringen, ohne dass der Partner dabei ist. Dabei kann sich gegenüber dem Partner, der sich noch in der Symbiose befindet, ein Verlust des Einfühlungsvermögen und ein Rückzug einstellen. Der Partner kann sich dadurch alleingelassen und ungewollt fühlen. Dabei kann sich möglicherweise die Verlustangst in wütendem und forderndem Verhalten äußern. 

Erprobung – Wiederannäherung

Tritt eine Partnerin in die Wiederannäherung ein, kann ein innerer Konflikt entstehen. Und zwar zwischen dem eigenen Bedürfnis nach größerer Annäherung und Intimität sowie auf der anderen Seite dem Wunsch, den Partner in seinem Wachstum und seiner Unabhängigkeit zu unterstützen. Der Partner, der sich in der Erprobungsphase befindet, hat möglicherweise Angst, sich selbst zurückzustellen oder zu viele Kompromisse einzugehen, die seinem eigenen Wachstum im Wege stehen, wenn er dem Intimitätsbedürfnis der Partnerin nachkommt.

Wie können wir dieses Wissen nutzen, um schwierige Phasen zu überwinden?

In schwierigen Phasen kann es hilfreich sein, sich dieses Modell vor Augen zu führen und zu überlegen, was gerade die wichtigsten Bedürfnisse und Wünsche von dir und deinem Partner oder deiner Partnerin sind. Falls euch dadurch klar wird, dass ihr euch gerade in unterschiedlichen Beziehungsphasen befindet, könnt ihr dieses Wissen nutzen, um eure Beziehung zu retten und mehr auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen.

Das heißt nicht, dass ihr eure eigenen Bedürfnisse völlig in den Hintergrund stellen und vermeintlich in die andere Beziehungsphase wechseln müsst. Eher ist hier das Ziel, herauszufinden, an welchen Punkten ihr aufeinander zugehen könnt, ohne dass ihr eure eigenen Bedürfnisse dabei zu sehr vernachlässigt.

Ein Beispiel: Möchtest du lieber einfach mal mit einem Buch auf der Couch liegen und nicht mit deinem Partner den Abend verbringen, aber sein Bedürfnis ist es, viel mehr Zeit mit dir zu haben? Vielleicht könnt ihr euch darauf einigen, dass ihr nach der Arbeit gemeinsam kocht und zu Abend esst und danach jeder ein paar Stunden für sich hat, bevor ihr euch zum Kuscheln wieder im Bett trefft. 

Hört in euch hinein, was eure Bedürfnisse sind und wie euer Partner oder eure Partnerin euch einfach unterstützen kann. Seine Bedürfnisse zu kommunizieren kann Überwindung kosten, aber auf Dauer wird es immer einfacher und kann euch helfen, jede der Beziehungsphasen voll auszukosten.

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  • Quellennachweis
    1. E. Bader, P. T. Pearson (2014). In Quest of the Mythical Mate: A Developmental Approach To Diagnosis And Treatment In Couples Therapy.
    2. E. Bader, P. T. Pearson. Overview of the Bader-Pearson Developmental Model – Your Roadmap for Couples Therapy Sessions. Abgerufen von: https://www.couplesinstitute.com/wp-content/uploads/2020/03/Developmental-Model-Overview-Roadmap.pdf
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