Das Wichtigste in Kürze (TL;DR): Stress beeinträchtigt dein Gedächtnis, weil Stresshormone wie Cortisol die Funktion des Hippocampus und des präfrontalen Kortex beeinflussen – Gehirnregionen, die für die Merkfähigkeit, Konzentration und das Arbeitsgedächtnis zuständig sind. Die gute Nachricht: Diese Effekte sind meistens reversibel. Durch Stressreduktion, Achtsamkeitsübungen, gezieltes Gedächtnistraining und – bei anhaltenden Problemen – professionelle Unterstützung lässt sich die kognitive Leistungsfähigkeit in der Regel wieder verbessern. Mehr dazu im Artikel.
Wie genau hängen Stress und Vergesslichkeit zusammen?
Hast du schon einmal von der sogenannten Homöostase gehört? Keine Sorge, das klingt komplizierter, als es ist. Dieser Begriff beschreibt in der Medizin eine Art Gleichgewicht, in dem sich unser Körper befindet, wenn alle Funktionen, die für unser Überleben entscheidend sind, ohne Probleme ausgeführt werden können. Stell dir das wie bei einem Seiltänzer vor: Solange alles im Lot ist, balanciert er mühelos. Wann immer überlebenswichtige Funktionen aus dem Gleichgewicht geraten, reagiert unser Körper mit einer Gegenmaßnahme, um das Gleichgewicht wiederherzustellen – der Seiltänzer bewegt seine Arme, um nicht zu fallen.
Aber was genau hat das mit Stress zu tun? Das ist eigentlich ganz einfach:
Wenn wir starken Stress erleben, wird das Gleichgewicht, in dem sich unser Körper in der Regel befindet, gestört.
Normalerweise befinden sich unsere Stresshormone, unser Blutzucker, Blutdruck und unsere Herzfrequenz in einem relativ stabilen Bereich. Bei Stress kippt dieses fein austarierte System: Die Werte schießen nach oben, der Körper schaltet vom Erhaltungs- in den Alarmbereitschaftsmodus. Um auf dieses Ungleichgewicht zu reagieren, schüttet unser Gehirn Stresshormone wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin aus. Mit der Ausschüttung dieser Stresshormone wird der Körper aktiviert und bereitet sich auf den Umgang mit dem Stressor (z. B. wichtiger Termin auf der Arbeit) vor. Wir werden kurzzeitig aufmerksamer und reaktionsfähiger – eine evolutionär sinnvolle Reaktion auf Bedrohung oder Überforderung.
Studien, wie die von de Quervain und Kolleg:innen (2000), zeigen, dass eben diese Stresshormone unser Gedächtnis auf komplexe Weise beeinflussen. So kann es unter anderem schwerer fallen, zuvor gelernte Informationen abzurufen.
Bedeutet also: Stress blockiert nicht nur die Bildung neuer Erinnerungen, sondern erschwert auch den Zugriff auf bereits gespeicherte Informationen. Das erklärt, warum uns in stressigen Phasen plötzlich Namen, Termine oder Worte entfallen.
Selektive Informationsverarbeitung bei Stress
Eine neuere Forschung von Goldfarb und Kolleg:innen (2020) an der Yale University zeichnet ein differenzierteres Bild: Cortisol kann die Funktion des Hippocampus, einer Gehirnregion die zentral für Lernen und Erinnerungen ist, zwar insgesamt beeinträchtigen. Gleichzeitig erhöht Cortisol aber die Konnektivität innerhalb dieser Gehirnregion – die Nervenzellen kommunizieren also intensiver miteinander, auch wenn die Gesamtleistung des Hippocampus nachlässt.
Das erklärt, warum wir uns an emotional bedeutsame Erlebnisse unter Stress sogar besser erinnern – eine evolutionär sinnvolle Anpassung, die uns hilft, gefährliche Situationen abzuspeichern. Stress ist also nicht per se „schlecht” für unser Gedächtnis, sondern verändert selektiv, welche Arten von Informationen wir behalten.
Welche Auswirkungen kann chronischer Stress im Vergleich zu akutem Stress auf das Gehirn haben?
Die Forschung von Lupien und Kolleg:innen (2009) zeigt zudem, dass erhöhte Cortisolspiegel das deklarative Gedächtnis (Speicherung von Wissen, das bewusst abgerufen werden kann, zum Beispiel Hauptstädte verschiedener Länder) beeinträchtigen können. Solche Gedächtnisprobleme können selbst Jahre nach der Stressphase fortbestehen. Das prozedurale Gedächtnis, welches für Fertigkeiten und Handlungen wie Fahrradfahren oder Klavierspielen zuständig ist, wird hingegen meist weniger stark beeinträchtigt.
Der renommierte Neurowissenschaftler Bruce McEwen von der Rockefeller University, ein Pionier der Stressforschung, brachte es in einem Interview auf den Punkt:
» Diese Stresssysteme wurden entwickelt, um dem Körper zu helfen, sich anzupassen und zu überleben. Sie haben eine gute und eine schlechte Seite. [...] Diese Systeme, die uns helfen, uns anzupassen und zu überleben, können jedoch auch Probleme verursachen, wenn sie überbeansprucht werden. «
(übersetzt aus dem Englischen, TIME Magazine, 2013)
Was passiert im Gehirn bei Stress? Die begrenzte Rechenleistung
Die ausgeschütteten Stresshormone leiten eine Art Überlebensmodus ein. Alle kognitiven Ressourcen, die deinem Gehirn zur Verfügung stehen, werden in diesem Fall aufgewandt, um den Stressfaktor zu bewältigen. Wenn du zum Beispiel gestresst bist, weil du bis zum Ende des Tages ein besonders wichtiges Projekt für die Arbeit fertigstellen musst, dann ist deine Aufmerksamkeit wahrscheinlich hauptsächlich auf die Bewältigung dieser Aufgabe gerichtet. Andere Aufgaben rücken dann in den Hintergrund.
Das kannst du dir wie einen Computer vorstellen, auf dem ein sehr rechenintensives Programm läuft. Der Großteil der Rechenleistung wird für dieses eine Programm aufgewandt. Für die weiteren, im Hintergrund laufenden Programme bleibt nur wenig Energie übrig. Die entsprechenden Seiten bauen sich daher nur langsam auf, was eine Nutzung dieser Programme deutlich erschwert.
Exkurs
Neurologische Prozesse bei Stress
Kennst du das, wenn dein Laptop 47 Tabs geöffnet hat und der Lüfter klingt wie ein startender Düsenjet? Genau so fühlt sich dein Gehirn unter Stress an.
Diese Analogie ist neurologisch erstaunlich präzise. Arnsten (2015) konnte zeigen, dass hohe Konzentrationen von Stresshormonen (insbesondere Dopamin und Noradrenalin) die Funktion des präfrontalen Kortex rapide beeinträchtigen können. Dieser fungiert als eine Art „CEO” oder „Arbeitsspeicher” des Gehirns und ist verantwortlich für das Arbeitsgedächtnis sowie exekutive Funktionen wie Planung und Aufmerksamkeitsfokussierung.
Entscheidend ist dabei die Intensität und Dauer: Während kurzzeitiger, moderater Stress die kognitive Leistung sogar verbessern kann (ein Phänomen, das als Inverted-U-Effekt oder Yerkes-Dodson-Gesetz bekannt ist), verliert der präfrontale Kortex bei anhaltendem oder sehr intensivem Stress seine Effizienz. Weshalb wir dann Schwierigkeiten haben, Informationen im Kurzzeitgedächtnis zu halten, zu planen oder uns zu konzentrieren. Dein innerer CEO ist quasi gerade im Krisenmodus und hat für die Detailarbeit keine Zeit mehr.
Oft müssen wir uns zusätzlich zu dem eigentlichen Stressor noch mit unseren eigenen Gefühlen auseinandersetzen, die durch den starken Stress ausgelöst werden. Das können Gefühle wie innere Unruhe, Angst oder Ärger sein. Die verbleibende Gehirnleistung, die noch übrig ist, fällt dann oftmals auf die Emotionsregulation ab. Es bleibt also noch weniger Energie übrig, um andere Aufgaben zu bewältigen. So kann es in der Folge zur Vergesslichkeit durch Stress kommen.
Häufige Symptome bei stressbedingter Vergesslichkeit
Wie äußert sich Vergesslichkeit durch Stress konkret im Alltag? Die Symptome sind vielfältig und betreffen vor allem das Kurzzeitgedächtnis und das episodische Gedächtnis (Erinnerungen an persönliche Erlebnisse).
Typische Anzeichen der stressbedingten Vergesslichkeit sind:
- Namen vergessen
- Gedächtnisaussetzer im Alltag
- Wortfindungsstörungen
- Konzentrationsprobleme
- Erinnerungslücken
Im Bild erhältst du einen schnellen Überblick über die Gründe dafür:

Vergesslichkeit durch Burnout, Angststörungen oder psychische Belastung? Der Zusammenhang
Während akuter Alltagsstress meist vorübergehende Gedächtnisprobleme verursacht, sind die Auswirkungen bei diagnostizierbaren psychischen Erkrankungen oft schwerwiegender und lang anhaltender. Vergesslichkeit ist nicht nur ein Symptom von allgemeinem Stress, sondern auch ein charakteristisches Merkmal von Burnout, Angststörungen und Depressionen.
Wie beeinflusst Burnout das Gedächtnis?
Burnout ist mehr als nur „viel Stress” – es ist ein Zustand emotionaler, kognitiver und körperlicher Erschöpfung. Stell dir vor, dein Akku ist nicht im roten Bereich, sondern komplett entladen. Die Vergesslichkeit bei Burnout entsteht durch die chronische Überforderung, die zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führt. Menschen mit Burnout berichten häufig von starken Konzentrationsproblemen, Gedächtnisaussetzern und dem Gefühl, „geistig wie in Watte gepackt” zu sein. Manche beschreiben es auch, als hätten sie „Nebel im Kopf” – und das ist gar nicht so weit hergeholt.
Die kognitive Erschöpfung bei Burnout bedeutet, dass das Gehirn dauerhaft im Hochleistungsmodus läuft – ohne Regenerationsphasen. Der Hippocampus, der für die Gedächtnisbildung zentral ist, kann bei chronischem Stress schrumpfen (Lupien et al., 2009). Die gute Nachricht: Diese Veränderungen sind in vielen Fällen reversibel, wenn rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um den Stress zu reduzieren.
Vergesslichkeit durch Angststörungen – warum passiert das?
Bei Menschen mit Angststörungen ist das Gehirn häufig in einem konstanten Alarmmodus. Die verstärkte Wachsamkeit und das Grübeln über mögliche Bedrohungen binden enorme kognitive Ressourcen. Das Arbeitsgedächtnis ist öfter damit beschäftigt, Gefahren zu scannen und „Was-wäre-wenn”-Szenarien durchzuspielen. Für alltägliche Informationen wie Termine oder Aufgaben bleibt dann weniger Kapazität.
Die Forschung zeigt, dass Menschen mit Angststörungen besonders beim Abruf von neutralen oder positiven Informationen Schwierigkeiten haben, während angstbezogene Informationen oft besser erinnert werden – ein evolutionär sinnvoller, aber im Alltag problematischer Mechanismus. Darüber hinaus wird diskutiert, dass Stress oder Angst die Überführung von Informationen aus der kurzfristigen Speicherung ins Langzeitgedächtnis beeinträchtigen kann. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Prozesse im Gehirn, die für das Festigen von Erinnerungen wichtig sind, gestört werden (Johnston et al., 2023, Gkintoni & Suárez Ortiz, 2023 & Abushalbaq et. al, 2021).
Depression und Gedächtnisstörungen
Auch bei Depressionen sind Gedächtnisprobleme häufig. Betroffene berichten von „Brain Fog” – einem Gefühl emotionaler Trägheit und Vergesslichkeit. Bei Depressionen sind vor allem das episodische Gedächtnis (Erinnern an Erlebnisse) und das Arbeitsgedächtnis (Kurz-/Zwischenspeicherung von Informationen) beeinträchtigt (Foka et al., 2024 & Chen et al., 2023). Zudem neigen Menschen mit Depressionen dazu, sich eher an negative Ereignisse zu erinnern und positive zu vergessen – eine Gedächtnisverzerrung, die den Verlauf der Erkrankung mitunter aufrechterhält.
Im Hintergrund: Schlafstörungen verschärfen die Vergesslichkeit
Ein oft übersehener Faktor: Sowohl Stress als auch Angststörungen, Burnout und Depressionen gehen häufig mit Schlafproblemen einher. Schlaf ist jedoch essenziell, damit Erinnerungen stabil bleiben. Während wir schlafen, gibt der Hippocampus neue Informationen in den Neocortex weiter, wo sie langfristig gespeichert werden. Der Hippocampus fungiert dabei wie ein temporärer Zwischenspeicher, der tagsüber aufgenommene Informationen sammelt. Im Schlaf – besonders während der Tiefschlafphasen – werden diese Gedächtnisinhalte dann in den Neocortex, die äußere Hirnrinde, übertragen, wo sie dauerhaft abgelegt werden. Eine Studie von Aleman-Zapata und Kolleg:innen (2022) zeigte, dass Schlafentzug nach dem Lernen bestimmte schnelle Gehirnwellen stört, die für die Speicherung von Erinnerungen entscheidend sind – sogenannte hippocampale Ripples. Dadurch war die Gedächtnisbildung am Folgetag nicht mehr nachweisbar. Mit anderen Worten: Ohne Schlaf vergisst dein Gehirn einfach, was es am Tag gelernt hat.
So kann ein Teufelskreis entstehen: Stress stört den Schlaf, Schlafmangel sorgt für Vergesslichkeit und erhöht wiederum den Stress. Dabei ist guter Schlaf eine der wichtigsten Maßnahmen gegen stressbedingte Vergesslichkeit.
Stress und Demenzrisiko – sollte ich mir Sorgen machen?
Eine Frage, die viele Menschen mit Gedächtnisproblemen umtreibt: Könnte meine Vergesslichkeit ein frühes Anzeichen von Demenz oder Alzheimer sein? Die kurze Antwort: In den meisten Fällen nicht. Atme erst mal durch!
Es ist wichtig, zwischen stressbedingter Vergesslichkeit und neurodegenerativen Erkrankungen zu unterscheiden. Vergesslichkeit durch Stress ist situationsabhängig, vorübergehend unterschiedlich stark und vor allem: reversibel. Sie betrifft hauptsächlich das Kurzzeitgedächtnis und die Merkfähigkeit für neue Informationen. Typisch ist, dass du vergisst, wo du deinen Schlüssel hingelegt hast, aber dich später (oder mit einem Hinweis) wieder daran erinnern kannst. „Ach ja, auf dem Küchentisch!” – Dieses „Aha!”-Erlebnis gibt es bei Demenz immer weniger zuverlässig.
Bei einer Demenz hingegen kommt es zu fortschreitenden Störungen verschiedener Gedächtnis- und Denkfunktionen. Auch hier fällt anfangs häufig das Erinnern neuer Informationen schwer – ähnlich wie bei Stress. Der entscheidende Unterschied: Die Symptome verschlechtern sich bei Demenz kontinuierlich über Monate bis Jahre, während stressbedingte Vergesslichkeit durch Erholung meist zurückgeht. Mit der Zeit können bei Demenz auch weiter zurückliegende Erlebnisse betroffen sein. Alltägliche Tätigkeiten, Orientierung oder Sprache können im Verlauf ebenfalls schwieriger werden.
Dennoch gibt es einen Zusammenhang: Chronischer Stress über viele Jahre kann das Risiko für Demenz im späteren Leben erhöhen (Wallensten et al., 2023). Die chronisch erhöhten Cortisolspiegel können langfristig zu strukturellen Veränderungen am Hippocampus führen. Das bedeutet aber nicht, dass jede:r gestresste:r Mensch Demenz entwickelt – es kann nur ein Risikofaktor von vielen sein.
Wann sollte ich bei Gedächtnisproblemen einen Arzt oder eine Ärztin konsultieren?
- Sich Gedächtnisprobleme über mehrere Wochen oder Monate deutlich verstärken, obwohl du deinen Stress reduziert hast.
- Du dich an grundlegende persönliche Informationen nicht mehr erinnern kannst.
- Nahestehende Personen besorgt sind und Veränderungen bemerken.
- Die Gedächtnisprobleme deinen Alltag deutlich beeinträchtigen.
- Du zusätzlich unter Orientierungsproblemen oder Sprachschwierigkeiten leidest.
- Die Vergesslichkeit plötzlich und ohne erkennbaren Grund aufgetreten ist.
Ein:e Ärzt:in kann durch neurologische Tests und gegebenenfalls bildgebende Verfahren andere Ursachen ausschließen.
Bei jungen und mittelalten Erwachsenen sind Gedächtnisprobleme in der Mehrheit der Fälle auf Stress, Überlastung, Schlafmangel oder psychische Belastungen zurückzuführen und gut behandelbar.
Was kann ich bei Vergesslichkeit durch Stress tun?
Die gute Nachricht: Du hast die Möglichkeit, etwas gegen deine Stress-Vergesslichkeit zu tun. Viele stressbedingte Gedächtnisprobleme lassen sich verbessern, sobald sich dein Nervensystem erholen kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass Stressreduktion „einfach“ ist. Das kann daran liegen, dass wir für viele verschiedene Aufgaben gleichzeitig verantwortlich sind und nur wenig Raum und Zeit dafür finden, uns zu entspannen. Vielleicht fühlen wir uns aber auch innerlich so angespannt, dass wir trotz Raum und Zeit nur schwer zur Ruhe kommen können. Dabei ist es wichtig, dass wir auf uns selbst achten, denn nur dann können wir unser Leben dauerhaft so gestalten, wie wir es uns wünschen.
Es folgen daher konkrete Dinge, die du verändern kannst, um weniger Stress im Alltag zu erleben und dadurch langfristig weniger vergesslich zu sein.
1 Stressoren abbauen
Ein naheliegender Schritt ist natürlich, Belastungen im Alltag dort zu reduzieren, wo es möglich ist. Denn deine eigene Gesundheit und dein eigenes Wohlempfinden sollten stets an erster Stelle stehen. Das gilt auch, wenn einige Stressfaktoren, wie zum Beispiel die Erledigung von wichtigen Aufgaben auf der Arbeit oder die Unterstützung von hilfsbedürftigen Familienmitgliedern und Freund:innen unumgänglich erscheinen. Umso wichtiger ist es, bewusst zu prüfen, welche Aufgaben wirklich Priorität haben und wo du entlasten, vereinfachen oder Unterstützung annehmen kannst.
Vor allem dann, wenn wir besonders gestresst sind, haben wir oft das Gefühl, dass wir die Einzigen sind, die eine bestimmte Aufgabe erledigen können. Das ist allerdings fast nie der Fall. Übe, Aufgaben abzugeben oder mit anderen zu teilen. Das kann bereits zu einer großen Erleichterung führen.
Konkrete Beispiele für Stressreduktion im Alltag:
- Digitale Einkäufe: Bestelle deinen Wocheneinkauf online statt zeitaufwendig im Supermarkt einzukaufen.
- Fahrgemeinschaften organisieren: Bitte eine hilfsbereite Person oder andere Eltern, die Kinder an zwei Tagen pro Woche abzuholen und biete im Gegenzug an anderen Tagen deine Hilfe an.
- Meal Prep: Koche am Wochenende größere Mengen vor, statt täglich frisch zu kochen.
- Automatisierungen nutzen: Richte Daueraufträge für Rechnungen ein, nutze digitale Kalender mit Erinnerungen.
- Perfektionismus überprüfen: Nicht jedes Geschenk muss spektakulär sein – manchmal tut es auch schlicht eine Einladung zum Essen oder eine fertige Geschenkbox.
- Nein sagen lernen: Nicht jede Einladung, jede Bitte um Hilfe oder jedes Projekt muss angenommen werden, wenn sie die eigenen Kapazitäten überlasten würden.
Es lohnt sich auch einen Blick darauf zu werfen, welche Aufgaben dir besonders wichtig oder weniger wichtig erscheinen.
Wichtige Aufgaben zu priorisieren und weniger wichtige Aufgaben zugunsten deines eigenen Wohlbefindens gehen zu lassen, kann ein wichtiger Schritt der Selbstfürsorge sein.
Welche Übungen bringen bei akutem Stress schnell Erleichterung?
5-4-3-2-1 Technik: Die Methode ist eine etablierte Technik, um sich bei akuter Stress-, Angst- oder Überforderungsreaktion zu erden und zu beruhigen. So funktioniert sie:
Benenne 5 Dinge, die du siehst,
4 Dinge, die du hörst,
3 Dinge, die du fühlst,
2 Dinge, die du riechst,
1 Ding, das du schmeckst.
Diese Achtsamkeitsübung holt dich aus dem Gedankenkarussell und verankert dich im Hier und Jetzt.
Box Breathing: Atme 4 Sekunden ein, halte den Atem 4 Sekunden, atme 4 Sekunden aus, halte ihn wieder 4 Sekunden. Diese Atemtechnik aktiviert das parasympathische Nervensystem (Teil des vegetativen Nervensystems, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist) und kann eine Reduktion von Stressparametern, einschließlich Cortisol, zeigen.
Brain Dump: Schreibe alle Gedanken, die dir durch den Kopf schwirren, ungefiltert auf. Viele Menschen erleben dadurch eine deutliche Entlastung des Arbeitsgedächtnisses und mehr Übersicht über die eigenen Gedanken.
Progressive Muskelentspannung: Spanne nacheinander verschiedene Muskelgruppen für 5 Sekunden an und entspanne sie dann bewusst. Diese Übung hilft, körperliche Anspannung zu reduzieren, die häufig in Zusammenhang mit stressbedingter Überlastung steht.
2 Stress mit Achtsamkeit reduzieren
Eine besonders effektive Methode zur Stressreduktion, die auch deine Gedächtnisleistung verbessert, ist Achtsamkeit. Die Arbeiten von Zainal und Newman (2024) sowie Grossman und Kollegen (2004) lieferten Evidenz dafür, dass Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) nachweislich Stress reduziert und das psychische Wohlbefinden verbessert.
Achtsamkeit bedeutet, deine Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu lenken – ohne zu bewerten. Studien zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeitspraxis die Dichte der grauen Substanz im Hippocampus erhöht und die Cortisolspiegel senkt. Der Hippocampus spielt eine zentrale Rolle für Gedächtnis und Emotionsregulation – eine höhere Dichte unterstützt dich also dabei, Stress besser zu verarbeiten. Viele Menschen berichten bereits bei kurzen täglichen Einheiten (z. B. 10 Minuten) eine spürbare Entlastung – die Wirkung kann jedoch individuell variieren.
Eine einfache 5-Minuten-Achtsamkeitsübung: Setze dich bequem hin. Schließe die Augen. Konzentriere dich auf deinen Atem – wie er ein- und ausströmt. Wenn Gedanken aufkommen (und das werden sie!), bemerke sie freundlich und lenke deine Aufmerksamkeit sanft zurück zum Atem. Mache das 5 Minuten lang.
3 Stress mit Selbstbewusstsein begegnen
Du hast bereits geschafft, einige vermeidbare Stressoren zu reduzieren? Das ist super! Dennoch kann es auch weiterhin Dinge geben, die dazu führen, dass du dich überlastet fühlst. Einige Stressoren lassen sich schlichtweg nicht gänzlich vermeiden. So kannst du beispielsweise deinen Traumjob gefunden haben – stressige Phasen kann es aber auch dort geben.
Wie sehr dich solch unvermeidbarer Stress beeinträchtigt, hängt dabei auch von deiner eigenen Bewertung der Situation ab. Hast du den Eindruck, die belastende Situation gut meistern zu können? Oder macht sich Überforderung breit und du hast das Gefühl, dass du nur wenig ausrichten kannst, um die Situation zu bewältigen?
Die Forschung von Fielder und Kolleg:innen (2025) zeigt, dass Menschen, die glauben, Kontrolle über stressige Situationen zu haben, weniger unter den negativen Auswirkungen leiden. Diese wahrgenommene Kontrolle – also das Gefühl, eine Situation beeinflussen zu können – wirkt als Puffer gegen Stress. Eng damit verbunden, aber nicht identisch, ist die Selbstwirksamkeit: das Vertrauen in deine eigenen Fähigkeiten, eine Herausforderung zu bewältigen. Versuche daher, beide zu stärken:
Erinnere dich an frühere Herausforderungen, die du gemeistert hast und erkenne, dass du handlungsfähig bist. Zerlege große Aufgaben in kleinere, bewältigbare Schritte. Feiere kleine Erfolge.
4 Selbstmitgefühl bei Vergesslichkeit durch Stress
Anstatt dich selbst für deine Vergesslichkeit durch den Stress zu tadeln, kann es hilfreich sein, dir in besonders stressigen Zeiten mit Mitgefühl zu begegnen. Was das genau bedeutet? Nimm den vermehrten Stress bewusst wahr und erlaube dir in dieser Zeit nicht immer und in jedem Bereich deines Lebens zu hundert Prozent zu funktionieren. Die Bewältigung von besonders stressigen Situationen fordert in der Regel viel Energie. Es ist okay, in dieser Zeit nicht so gut wie sonst zu funktionieren! Du brauchst deshalb kein schlechtes Gewissen zu haben. Sei stolz darauf, dass du versuchst, diese anspruchsvolle Zeit zu bewältigen!
Oft fällt uns diese Form von Selbstmitgefühl schwerer als der mitfühlende Umgang mit unseren Freund:innen. Geht es dir genauso? Dann hilft es dir vielleicht, dich selbst als eine Freund:in zu betrachten und mit einer ähnlichen Fürsorge, Wertschätzung und Zuneigung zu dir selbst zu sprechen. Stell dir also vor, wie du mit einer guten, fürsorglichen Freund:in sprechen würdest – und rede so mit dir selbst. Auf diese Weise kannst du dir die gleiche Wärme, Unterstützung und Wertschätzung geben, die du anderen leicht schenkst.
Was bringen Medikamente oder natürliche Heilmittel bei stressbedingter Vergesslichkeit?
Viele Menschen fragen sich, ob Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel bei Vergesslichkeit durch Stress helfen können. Die Antwort ist komplex und hängt von der individuellen Situation ab.
Medikamente
Bei stressbedingter Vergesslichkeit werden in der Regel keine spezifischen Medikamente verschrieben, da das Problem meist reversibel ist, wenn die Stressursache behoben wird. In schweren Fällen, besonders wenn eine Angststörung oder Depression vorliegt, können Antidepressiva oder Anxiolytika die Grunderkrankung behandeln und dadurch indirekt auch die Gedächtnisleistung verbessern. Diese Medikamente sollten jedoch ausschließlich nach ärztlicher Diagnose und unter medizinischer Aufsicht eingenommen werden.
Wichtiger Hinweis: Einige Medikamente können Gedächtnisprobleme sogar verstärken. Dazu gehören manche Antidepressiva, Antihistaminika und andere Präparate (Reimers, 2025). Wenn du den Verdacht hast, dass deine Vergesslichkeit mit einem Medikament zusammenhängen könnte, sprich unbedingt mit deinem:deiner Ärzt:in.
Vitamine und Nährstoffe für ein besseres Gedächtnis
Bestimmte Vitamine und Nährstoffe können die kognitive Funktion unterstützen, besonders wenn ein Mangel vorliegt:
B-Vitamine (B6, B9, B12): Diese Vitamine sind essenziell für die Nervenfunktion und können bei einem Mangel zu Gedächtnisproblemen führen. Vor allem ein Vitamin B12-Mangel ist bei Vegetarier:innen, Veganer:innen und älteren Menschen häufig (Srivastava, 2025).
Omega-3-Fettsäuren: Insbesondere DHA ist ein wichtiger Baustein der Gehirnzellen und unterstützt die Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen und zu verändern (neuronale Plastizität) (Zinkow et al., 2024).
Vitamin D: Ein Mangel an Vitamin D wird mit schlechterer kognitiver Leistung in Verbindung gebracht. Da viele Menschen in unseren Breitengraden unterversorgt sind, kann eine Supplementierung sinnvoll sein (Zang et al., 2024).
Magnesium: Dieses Mineral ist an über 300 enzymatischen Prozessen beteiligt, inklusive solcher, die für Gedächtnis und Lernen wichtig sind. Magnesium hat zudem eine stressreduzierende Wirkung (Pickering et al., 2020).
Wichtig: Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für eine gesunde Ernährung und professionelle Stressbehandlung. Bevor du supplementierst, solltest du bei anhaltenden Problemen solltest du zunächst eine/n Ärzt:in aufsuchen, um Mängel diagnostizieren zu lassen. Die meisten Menschen können ihren Bedarf durch eine ausgewogene Ernährung decken.
HelloBetter Tipp: Gedächtnistraining – konkrete Übungen für den Alltag
Eine der wunderbarsten Eigenschaften unseres Gehirns ist dessen Veränderbarkeit bis ins hohe Alter. In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang auch von Neuroplastizität – der Fähigkeit, neue neuronale Verbindungen zu bilden und bestehende zu stärken.
Was wir vergessen und verlernen, können wir in vielen Fällen auch wieder erlernen. Ähnlich wie ein Muskel braucht unser Gehirn hierfür Training.
Dabei geht es nicht nur darum, die tatsächliche Merkfähigkeit zu trainieren, sondern vielmehr dein Gehirn im Allgemeinen zu aktivieren und neue neuronale Verbindungen zu schaffen. Wir haben dir dazu ein paar wissenschaftlich fundierte Übungen mitgebracht:
1 Die Gedächtnispalast-Technik (Loci-Methode)
Diese Technik nutzt dein räumliches Gedächtnis, das besonders robust ist. So geht’s: Stelle dir einen Raum vor, den du sehr gut kennst – beispielsweise deine Wohnung. Nun platziere die Dinge, die du dir merken willst, an verschiedenen Stellen in diesem kognitiven Raum.
Praktisches Beispiel für eine Einkaufsliste:
- An der Haustür: Milch (eine Milchkaskade fließt die Tür herunter)
- Im Flur: Tomaten (ein riesiger Tomatenberg blockiert den Weg)
- In der Küche: Brot (ein Brotlaib sitzt auf dem Herd)
Je absurder und lebendiger die Bilder, desto besser merkst du sie dir. Wenn du dann im Supermarkt bist, „gehst” du geistig durch diesen Raum und sammelst die Gegenstände ein.
2 Aktives Erinnern statt passives Wiederholen
Statt Informationen immer wieder zu lesen, versuche sie aktiv aus dem Gedächtnis abzurufen. Nach einem Gespräch: Erinnere dich bewusst an drei konkrete Details, die die Person erwähnt hat. Nach einem Meeting: Schreibe aus dem Gedächtnis die Hauptpunkte auf, bevor du in deine Notizen schaust. Diese Technik nennt sich „Retrieval Practice” und ist nachweislich effektiver als bloßes Wiederholen (Roediger & Butler, 2011).
3 Neue Sprachen oder Fertigkeiten lernen
Das Lernen neuer Dinge – ob eine Sprache, ein Musikinstrument oder eine Sportart – fordert das Gehirn auf vielfältige Weise und stärkt die Neuroplastizität. Du musst nicht perfekt werden, das Lernen selbst ist das Training. Schon kurze tägliche Einheiten (z. B. 15 Minuten) mit einer Sprachlern-App können kognitive Vorteile bringen
4 Zahlen und Namen bewusst merken
Zahlen: Verwandle abstrakte Zahlen in bedeutungsvolle Informationen. Die Zahl 1789? Das Jahr der Französischen Revolution. Oder bilde Muster: 2580 könnte auf dem Zahlenblock eine gerade Linie nach unten sein.
Namen: Wenn du jemanden kennenlernst, wiederhole den Namen sofort laut („Schön, dich kennenzulernen, Anna”). Verknüpfe den Namen mit einem visuellen Bild oder einem charakteristischen Merkmal der Person.
5 Kreuzworträtsel, Sudoku und Gehirntraining per App
Auch wenn ihr Ruf schwankt – diese Übungen aktivieren durchaus das Gehirn. Wichtiger als die spezifische Übung ist die Regelmäßigkeit und dass die Aufgaben eine gewisse Herausforderung darstellen. Wenn etwas zu leicht wird, steigere die Schwierigkeit.
Vergesslichkeit und Burnout – professionelle Hilfe finden
Wenn du das Gefühl hast, dass es dir allein nicht gelingt, den Stress abzubauen und du befürchtest ein Burnout zu entwickeln, dann kann das Aufsuchen von professioneller Hilfe ein wichtiger Schritt sein. Das kann dir dabei helfen, einen besseren Blick auf deine Situation zu gewinnen und Ansatzpunkte für wertvolle Veränderungen zu entdecken.
Ein Hinweis zum Schluss: Stress hat auch eine positive Seite
Nachdem wir uns ausführlich mit den negativen Auswirkungen von Stress auf das Gedächtnis beschäftigt haben, ist es wichtig zu betonen: Nicht jeder Stress ist schlecht für unser Gedächtnis. Es gibt auch eine Form von positivem Stress, den sogenannten Eustress – ein Begriff, den der Endokrinologe Hans Selye bereits in den 1970er Jahren prägte. Anders als chronischer Distress, der uns überwältigt und erschöpft, kann Eustress tatsächlich unsere kognitive Leistung verbessern.
Der entscheidende Unterschied liegt in unserer Bewertung der Situation: Empfinden wir eine Herausforderung als bewältigbar und sinnvoll, erleben wir Eustress. Fühlen wir uns hingegen überfordert und hilflos, entsteht Distress. Stell dir vor, du bereitest dich auf eine Präsentation zu einem Thema vor, das dir am Herzen liegt, und du fühlst dich gut vorbereitet – das ist Eustress. Wenn du dich dagegen völlig unvorbereitet fühlst und Panik aufkommt, ist das Distress.
Häufig gestellte Fragen bei Vergesslichkeit durch Stress
Kann man durch Stress vergesslich werden?
Welche Rolle spielt Schlaf bei stressbedingter Vergesslichkeit?
Kann Stress dauerhaft mein Gedächtnis schädigen?
Wann ist Vergesslichkeit nicht mehr normal?
Ist Vergesslichkeit ein Symptom von Burnout?
Welche Vitamine helfen bei Vergesslichkeit durch Stress?
Wie lange dauert es, bis sich das Gedächtnis nach Stress erholt?
Was kann man gegen Vergesslichkeit durch Stress tun?
Wie unterscheidet sich stressbedingte Vergesslichkeit von Demenz?
Bei Demenz verläuft der Gedächtnisverlust in der Regel schrittweise und betrifft mit der Zeit zunehmend auch länger zurückliegende Erinnerungen sowie alltägliche Fähigkeiten. Betroffene können neben dem Vergessen von Gegenständen auch Schwierigkeiten haben, sich an deren Nutzung zu erinnern. Häufig treten zusätzlich Orientierungsprobleme, Sprachschwierigkeiten oder Schwierigkeiten bei gewohnten Tätigkeiten auf. Der Verlauf ist typischerweise kontinuierlich, wobei die Verschlechterung individuell unterschiedlich schnell voranschreiten kann und nicht unmittelbar vom momentanen Stresslevel abhängt. Bei Sorgen sollte jedoch immer eine medizinische Fachperson konsultiert werden, die durch Tests eine klare Diagnose stellen kann.




