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Häufige Gereiztheit? Strategien um Reizbarkeit in den Griff zu bekommen

Eigentlich wären wir gerne die Ruhe selbst, doch schon bei einer Kleinigkeit reagieren wir gereizt – der Nachbar parkt mal wieder falsch, die Zahnpastatube ist wieder nicht zugeschraubt, jemand kaut zu laut. Das kennen wir vermutlich alle.

Glücklicherweise vergeht Gereiztheit häufig, bevor sie uns – oder anderen – Sorge bereitet. Doch was ist, wenn wir nahezu ständig gereizt sind und schon bei den kleinsten Dingen aus der Haut fahren? Wenn wir uns wie ein Pulverfass fühlen, das nur darauf wartet zu explodieren? Wie können wir damit umgehen und weniger gereizt sein?

Das Wichtigste in Kürze (TL;DR): Gereiztheit entsteht oft durch Stress, Schlafmangel, hormonelle Schwankungen oder Überlastung. Die wichtigsten Schritte: Reizbarkeit bewusst wahrnehmen, Stressauslöser identifizieren, regelmäßige Selbstfürsorge praktizieren und bei anhaltenden Symptomen professionelle Unterstützung suchen. Mehr zu Ursachen und gezielten Strategien im Artikel.

Kennst du das?

Stell dir vor: Du sitzt im Büro, konzentriert auf ein Projekt. Plötzlich beginnt deine Kollegin ihren Kugelschreiber besonders laut zu bedienen. Klick, klack, klick, klack. Dein Kiefer verkrampft sich, als würdest du auf Granit beißen. Die Nervosität steigt. Deine Schultern ziehen sich hoch, dein Atem wird flacher. Und bevor du es merkst, fährst du sie an – wegen eines Kugelschreibers.
Von 0 auf 100 in zwei Sekunden.

Reflexionsfragen: Erkennst du dich hier wieder?

  • Reagierst du schnell genervt auf Situationen, die dich früher nicht gestört haben (nervt dich z. B. plötzlich das Atmen deines Gegenübers)?
  • Lassen dich kleine Dinge „aus der Haut fahren” (die Frühstücksflocken sind leer – Tag ruiniert!)?
  • Fühlst du dich dünnhäutig, überempfindlich und reizbar (als würden deine Nerven blank liegen)?
  • Ist deine Geduld im Umgang mit anderen deutlich gesunken?

Wenn du mehrere dieser Punkte mit „Ja” beantwortest, bist du damit nicht allein. Studien zeigen: Chronische Reizbarkeit nimmt in unserer beschleunigten Gesellschaft zu. Das ist ein weltweit feststellbares Phänomen (beispielsweise Perlis et al., 2024 und Piao et al., 2024).

Warum bin ich so gereizt? Die häufigsten Ursachen

Gereiztheit entsteht selten isoliert. Stress spielt dabei häufig eine zentrale Rolle, doch auch hormonelle Schwankungen und andere Faktoren können unser emotionales Gleichgewicht beeinflussen. Ein genauerer Blick auf diese Zusammenhänge lohnt sich also.

Stress und Reizbarkeit: Der Teufelskreis

Gereiztheit und Stress? Die beiden treten gerne gemeinsam auf.

Auf körperlicher Ebene passiert dabei Folgendes: Bei Anspannung und Belastung schüttet unser Körper vermehrt bestimmte Hormone aus – Adrenalin und Cortisol. Diese Botenstoffe aktivieren uns. Unser Körper versetzt sich in den Alarm-Modus.

Der physiologische Mechanismus dahinter:

Bei Stress springt die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) an – unser körpereigenes Alarmsystem. Man könnte sie sich wie die Feuerwache unseres Körpers vorstellen: Sobald Gefahr droht, heult die Sirene los. Diese Aktivierung soll uns genügend Energie geben, um Herausforderungen zu bewältigen. Kurzfristig? Sinnvoll und hilfreich. Etwa wenn wir einem Auto ausweichen müssen oder eine entscheidende Deadline einhalten wollen.

Doch hier wird's problematisch:

Stell dir vor, die Sirene heult nicht nur kurz auf, sondern wochenlang durch. Dauerhaft erhöhte Cortisolspiegel erschöpfen unser Stressbewältigungssystem regelrecht. Die HPA-Achse gerät aus dem Takt – Smith und Vale (2006) beschrieben die zentrale Rolle dieser Achse in der Stressregulation; neuere Untersuchungen zeigen, dass chronischer Stress langfristige Veränderungen in der Hirnaktivität bewirken kann. Chahal et al. (2023) fanden in Tiermodellen Hinweise darauf, dass chronischer Stress zu langfristigen Veränderungen in Hirnregionen führen kann, die mit Angst und Reizbarkeit in Verbindung stehen.

Die Folge von anhaltendem Stress? Unsere Reizschwelle nimmt ab.

Wir werden hyperreaktiv, aufbrausend und reizbar – eben wie ein überlasteter Rechner, der schon beim Öffnen eines Tabs abstürzt. Chu und Kolleg:innen (2024) beschreiben in ihrer aktuellen Übersicht zur Stressreaktion, wie anhaltende Belastung zu Symptomen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Nervosität und Frustration führt. Für den „schlimmsten Fall” machen uns Stresshormone kampf- oder fluchtbereit. Das bedeutet: Wir sind nervös, verspüren innere Unruhe und fühlen uns schneller bedroht und angegriffen.

Wenn wir in unserem Alltag Belastung erleben, können wir deshalb aufgrund unserer Hormonlage blitzschnell überreizt reagieren – zum Beispiel verbal austeilen oder stürmisch das Zimmer verlassen. Wir fühlen uns dann quasi immer gestresst und genervt. (Kennst du das Gefühl, wenn du eine Tür zuknallst und denkst: „Wow, das war jetzt aber dramatisch”?)

Das Verrückte daran: Wir merken häufig gar nicht, dass wir gestresst sind. Wir laufen auf Hochtouren. Dabei ist der Tank längst leer.

Das führt dazu, dass wir keinen Ausgleich schaffen, um unser Stresslevel zu senken. Und damit auch die mögliche Reizbarkeit. Gleichzeitig können wir die fehlende Klarheit über die Ursache für unsere Verstimmung nicht durchbrechen. Es fällt uns schwer, Verständnis für uns selbst zu entwickeln. Oder andere zu informieren und zu entlasten. Zum Beispiel mit den Worten: „Ich bin gestresst, deshalb reagiere ich so gereizt. Es hat nichts mit dir zu tun.” Ohne dieses Bewusstsein? Kann Reizbarkeit zu Konflikten führen. Konflikte führen dann zu noch mehr Druck. Ein Teufelskreis.

Schaubild: Teufelskreis aus Stress, Gereiztheit und vermehrten Konflikten

Gut zu wissen

Gereiztheit als Anzeichen für Burnout?

Gereiztheit kann ein Warnsignal für Burnout sein.

Entscheidend dabei: Ein Burnout entsteht durch Arbeitsstress – und damit ist nicht unbedingt nur Erwerbsarbeit gemeint. Typische weitere Anzeichen für Burnout sind Gefühle der Erschöpfung und Überlastung, Gleichgültigkeit der eigenen Arbeit gegenüber und eine Abnahme der Leistungsfähigkeit. Wenn du dich ständig gereizt, müde und antriebslos fühlst, solltest du aufmerksam werden.

Falls dir diese Symptome bekannt vorkommen, könnte unser Online-Therapieprogramm bei Stress und Burnout das Richtige für dich sein. Im Programm beschäftigst du dich gezielt damit, wie du Anspannung frühzeitig erkennst und vor allem, wie du besser mit ihr umgehen kannst. Das Beste: Du erhältst unser Online-Therapieprogramm kostenfrei auf Rezept und wirst währenddessen von einer persönlichen Psychologin aus dem HelloBetter Team begleitet. Schau doch mal bei ▷ HelloBetter Stress und Burnout vorbei!

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Hormonelle Schwankungen und Gereiztheit

Viele Frauen kennen das Phänomen nur zu gut. In bestimmten Zyklusphasen fühlen sie sich besonders dünnhäutig und missmutig. Das hat eine biologische Grundlage.

Tatsächlich beeinflussen Schwankungen der Hormone Östrogen und Progesteron direkt unser Nervensystem und die Produktion kraftvoller Botenstoffe wie Serotonin und GABA, die unsere Stimmung regulieren. Auch wenn das „Ach, du hast wohl deine Tage?” aus dem Mund eines ahnungslosen Gegenübers wohl noch niemanden wirklich besänftigt hat. 

Prämenstruelles Syndrom (PMS):

In den Tagen vor der Menstruation sinken die Östrogen- und Progesteronspiegel ab – und mit ihnen oft unsere Geduld. Diese hormonelle Veränderung führt zu erhöhter Empfindlichkeit, Reizbarkeit, Nervosität und Stimmungsschwankungen.

Die Zahlen: Etwa 30 – 40 % aller Frauen im gebärfähigen Alter erleben PMS-Symptome (Al Sabbah et al., 2024). Mehr spannende Fakten kannst du in unserem Artikel rund um PMS und Psyche nachlesen.

Wechseljahre und Gereiztheit:

Während der Perimenopause – der Übergangsphase in die Wechseljahre – schwankt der Hormonspiegel besonders stark. Stell dir eine Achterbahn vor, bei der du nicht weißt, wann die nächste Kurve kommt. Diese hormonelle Achterbahnfahrt geht mit verstärkter Reizbarkeit und Ungeduld einher. 

Hier wird's wissenschaftlich interessant: Eine aktuelle Forschung von Kulkarni et al. (2025) zeigt, dass Depressionen in der Menopause – gekennzeichnet durch anhaltende Angst, Reizbarkeit, Ärger und intensive Traurigkeitsphasen – sich deutlich von typischen depressiven Störungen unterscheidet. Sie entspringt hauptsächlich hormonellen Schwankungen im zentralen Nervensystem. 

Die gute Nachricht: Oft entlastet dieses Wissen bereits. Wenn du verstehst, dass deine Reizbarkeit hormonell bedingt sein kann, kannst du eventuell besser mit ihr umgehen. Du verurteilst dich nicht mehr dafür. Du bist nicht „schwierig” oder „zickig” – deine Hormone tanzen gerade Limbo.

Gereiztheit bei Männern: Testosteron und gesellschaftlicher Druck

Auch Männer erleben hormonell bedingte Reizbarkeit. Zwar anders als Frauen, aber nicht weniger real. Ein sinkender Testosteronspiegel – ob altersbedingt oder durch chronischen Stress – kann mit erhöhter Reizbarkeit, Antriebslosigkeit und Stimmungsschwankungen einhergehen. Männer berichten dann etwa: „Ich habe ständig schlechte Laune und bin genervt.”

Studien zeigen, dass Männer belastende Gefühle wie Traurigkeit oder Überforderung häufiger nach außen ausdrücken – zum Beispiel in Form von Ärger oder Gereiztheit. Frauen dagegen neigen eher dazu, solche Gefühle nach innen zu richten, etwa in Grübeln oder Rückzug. Dieses Muster hängt auch mit gesellschaftlichen Rollenbildern zusammen (z. B. ​​Chaplin & Aldao (2013) & Chaplin & Aldao (2015)).

Das Problem? Zugrundeliegende Probleme wie Erschöpfung, Überlastung oder depressive Verstimmungen bleiben oft unerkannt. Sie werden nicht behandelt.

Viele Betroffene erleben das ähnlich wie im folgenden fiktiven Beispiel, das an Gespräche in der psychologischen Praxis angelehnt ist.

Tom, 42, Ingenieur, dachte lange: „Ich bin einfach gestresst. Dass ich meine Frau anschnauzte, meine Kinder nervten – das gehörte dazu. Bis mein Arzt meinte: Das ist nicht normal. Das ist behandelbar.

Wenn Körper und Psyche erschöpft sind: Müdigkeit und Gereiztheit

Fühlst du dich häufig müde, gereizt und antriebslos zugleich?

Diese Kombination ist kein Zufall. Auch keine böse Verschwörung des Universums gegen dich, selbst wenn es sich manchmal so anfühlt. Chronische Erschöpfung und Reizbarkeit gehen Hand in Hand. Sie verstärken sich gegenseitig.

Der Zusammenhang:

Wenn Körper und Geist erschöpft sind, fehlt uns die Energie für emotionale Regulation (Wagner et al., 2013). Normalerweise können wir kleine Ärgernisse abpuffern und gelassen bleiben – wie ein Stoßdämpfer im Auto. Bei Erschöpfung? Der Stoßdämpfer ist eingerostet. Jedes Schlagloch rüttelt uns ordentlich durch. Alles wird zur Belastung. Selbst normale Alltagsanforderungen fühlen sich überwältigend an.

Typische Anzeichen dieser Erschöpfungs-Reizbarkeits-Spirale:

  • Du bist ständig müde, aber kannst nachts schlecht schlafen (dieses fiese Paradoxon kennen viele)
  • Schon morgens fühlst du dich wie gerädert, gereizt und müde (der Wecker ist dein Erzfeind)
  • Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit und Schlafmangel prägen deinen Tag (Netflix ja, alles andere nein)
  • Du bist von allem und jedem genervt, selbst von Dingen, die dir normalerweise Freude bereiten
  • Kleine Aufgaben fühlen sich wie zu erklimmende Berge an (Geschirrspüler ausräumen = Mount Everest besteigen)
  • Du fühlst dich gereizt und unfreundlich, selbst gegenüber Menschen, die dir nahestehen

Weitere Ursachen für Reizbarkeit

Auch Hunger, Durst oder zu wenig Bewegung können Verstimmungen entfesseln. Letztendlich bedeuten aber auch diese „Mangelzustände” Anspannung für unseren Körper.

Fun Fact: „Hangry" – diese bekannte Mischung aus hungry (hungrig) und angry (wütend) – ist ein echtes Phänomen (z. B. Swami et al., 2022). Wenn der Blutzucker sinkt, fällt es dem Gehirn schwerer, Emotionen zu regulieren.

Daneben gibt es auch noch andere mögliche Ursachen für eine gereizte Stimmung:

Gereiztheit in der Schwangerschaft:

Viele Schwangere berichten von erhöhter Reizbarkeit, besonders im ersten und dritten Trimester. Die hormonellen Umstellungen – insbesondere der rasante Anstieg von Progesteron und Östrogen – sowie körperliche Belastungen, Schlafmangel und die emotionale Achterbahnfahrt können diese Gereiztheit in der Schwangerschaft bewirken.

Vorübergehende Stimmungsschwankungen sind häufig und meist unbedenklich. Anhaltende Gereiztheit oder Erschöpfung sollten jedoch ernst genommen werden.

Die Darm-Hirn-Achse:

Ein oft unterschätzter Faktor: Die Verbindung zwischen unserem Verdauungssystem und unserem Gehirn.

Etwa 90 % des „Glückshormons” Serotonin wird tatsächlich im Darm produziert – ja, richtig gelesen: im Bauch! Es beeinflusst dort Verdauung, Immunfunktionen und indirekt auch die Stimmung. Clapp et al. (2017) konnten das in ihrer Untersuchung der Darm-Hirn-Achse nachweisen.

Eine unausgewogene Ernährung mit viel Zucker, verarbeiteten Lebensmitteln und wenig Ballaststoffen kann zu einem Ungleichgewicht der Darmflora führen. Dieses wirkt sich negativ auf unsere Stimmungsregulation aus und kann zu Symptomen wie Reizbarkeit und Nervosität beitragen.

Dein Bauch und dein Hirn? Beste Freunde. Wenn es dem einen schlecht geht, leidet der andere mit.

Das Gute: Diese Faktoren lassen sich meistens relativ leicht beeinflussen. Wenn wir darauf achten, genügend zu essen, zu trinken, zu schlafen, uns zu bewegen und uns ballaststoffreich und vielfältig zu ernähren, können wir Gereiztheit bereits ziemlich gut vorbeugen.

Typische Beziehungsmuster bei chronischer Gereiztheit:

  • Du fühlst dich schnell angegriffen und reagierst defensiv oder aggressiv (selbst ein „Alles okay?” fühlt sich wie ein Verhör an)
  • Kleinigkeiten führen zu unverhältnismäßigen Konflikten („Warum hast du die Milch falsch in den Kühlschrank gestellt?!” – Ja, wirklich.)
  • Du ziehst dich zurück, weil du befürchtest, andere zu verletzen
  • Partner:innen, Familie oder Freund:innen gehen wie „auf Eierschalen” um dich herum (und du merkst es und fühlst dich noch schuldiger)
  • Du bereust deine Reaktionen hinterher, aber kannst sie im Moment nicht kontrollieren

Der Teufelskreis:

Stress fördert Gereiztheit, Gereiztheit fördert Konflikte – und Konflikte erhöhen wieder den Stress. Gleichzeitig fehlt uns durch den sozialen Rückzug die emotionale Unterstützung, die uns helfen könnte, mit der Belastung besser umzugehen. Eine Lose-Lose-Lose-Situation.

Was hilft?

Offene Kommunikation ist entscheidend. Erkläre deinen Liebsten, dass deine Reizbarkeit nicht an ihnen liegt, sondern ein Symptom deiner aktuellen Überlastung ist. Bitte um Verständnis und arbeite gleichzeitig aktiv an Lösungen. Oft sind nahestehende Menschen bereit zu helfen – wenn sie verstehen, was los ist. Ein einfaches „Ich bin gerade sehr gestresst und reagiere deshalb dünnhäutig – das liegt nicht an dir” kann viel bewirken. Wichtig ist jedoch: Offene Kommunikation allein reicht nicht aus, wenn die zugrundeliegenden Stressoren oder psychischen Belastungen unbehandelt bleiben.

Wie schöne Momente die Stimmung beeinflussen

Wenn unsere Belastung vor allem emotionaler oder mentaler Natur ist, helfen Schlaf und eine Portion Pasta nur bedingt – wir müssen auch innerlich zur Ruhe kommen. (Obwohl Pasta nie verkehrt ist, sind wir ehrlich.) Was kannst du also tun?

Es ist ganz normal, sich hin und wieder gereizt zu fühlen und diese Empfindlichkeit verändert sich häufig im Laufe des Tages. Nicht umsonst gibt es auch die Bezeichnung „Morgenmuffel” – manchmal haben wir morgens Missmut, der sich dann legt. (Erst nach dem zweiten Kaffee wird man zum Menschen.) Doch wie kommt es eigentlich zu diesem Wechsel?

Es können zum Beispiel Erlebnisse eine Rolle spielen, die unsere Stimmung heben. Fahren wir gereizt und genervt zur Arbeit, aber unsere Kollegin macht uns einen leckeren Kaffee mit Milchschaum und wir unterhalten uns nett mit ihr, spüren wir unsere Gereiztheit vielleicht schon weniger oder gar nicht mehr.

So ein kleiner Moment der Freundlichkeit kann wie Balsam für die genervte Seele sein: Er aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn und hilft, das Nervensystem zu beruhigen.

Nun gibt es jedoch Phasen, in denen wir weniger Schönes erleben. Da kann es uns so vorkommen, als hätten wir zum Beispiel kaum Zeit für uns selbst, erfahren wenig Unterstützung, haben viel zu erledigen, fühlen uns überlastet und dann geht auch noch einiges schief (Murphy's Law lässt grüßen, getreu dem Motto: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen”). Wir finden sozusagen keine Möglichkeit, „aufzutanken”, um wieder gelassener werden zu können. So kann es passieren, dass wir ständig gereizt und unzufrieden sind. Aber es gibt Wege, diese Spirale zu durchbrechen. Im nächsten Abschnitt erfährst du, wie du dein Nervensystem beruhigen und dein Stresslevel gezielt regulieren kannst.

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Was tun gegen ständige Gereiztheit? Praktische Strategien

Du bist selbst genervt von der Reizbarkeit und möchtest etwas dafür tun, um wieder mehr gute Laune und Gelassenheit in dein Leben zu bringen? Diese Techniken können dir bei erhöhter Empfindlichkeit helfen.

1 Wahrnehmen und anerkennen

Wissen ist Macht. Denn letztendlich kannst du erst etwas gegen deine Gereiztheit unternehmen, wenn du sie wahrnimmst und anerkennst: „Ich fühle mich gerade gereizt.” Das klingt simpel, ist es aber nicht. Es kann schwierig sein, weil wir meistens reizbar sind, wenn uns ohnehin gerade viel im Kopf herumschwirrt – ein Gedankenkarussell, das nicht aufhören will, sich zu drehen. Dann kommen wir manchmal gar nicht auf die Idee, uns zu fragen, wie wir uns gerade fühlen.

So gelingt das Wahrnehmen:

  • Du kannst dir diese Frage bewusst dreimal am Tag stellen – morgens, mittags und abends: „Wie fühle ich mich gerade?” (Wie ein emotionaler Check-in mit dir selbst) 
  • Falls es dir hilft, lege genaue Uhrzeiten fest oder lass dich von deinem Handy erinnern
  • Benenne das Gefühl konkret: „Ich fühle mich gereizt” oder „Ich fühle mich überfordert” statt nur „Mir geht's nicht gut”
  • Führe ein kurzes Stimmungstagebuch: Notiere, wann du besonders reizbar warst und was vorher passiert ist (manchmal sieht man erst im Rückblick die Muster)
  • Beobachte, in welchen Situationen oder zu welchen Tageszeiten die Reizbarkeit auftritt und wann sie besonders stark ist

Body Scan als Hilfsmittel: Achte auch auf körperliche Signale der Gereiztheit – angespannte Schultern (die gefühlt bis zu den Ohren hochgezogen sind), zusammengebissene Zähne, Hitzegefühl, flache Atmung oder ein flaues Gefühl im Bauch. Oft spüren wir die Reizbarkeit körperlich, bevor sie uns bewusst wird. Diese körperlichen Frühwarnsignale können dir helfen, rechtzeitig gegenzusteuern.

Trigger identifizieren: Frage dich: Gibt es bestimmte Situationen, Menschen oder Tageszeiten, zu denen du besonders gereizt bist? Dabei können externe Trigger wie der Feierabendverkehr oder bestimmte Gesprächsthemen eine Rolle spielen, aber auch interne Trigger wie Hunger, Müdigkeit oder Schlafmangel. Wenn du deine persönlichen Trigger kennst, kannst du gezielt vorbeugen oder dich in diesen Momenten besonders achtsam verhalten.

2 Akzeptanz und Achtsamkeit

Das klingt zunächst vielleicht widersprüchlich, denn wir befürchten häufig, dass etwas anhält oder stärker wird, wenn wir es akzeptieren. („Wenn ich zugebe, dass ich gereizt bin, werde ich nur noch gereizter.”) Tatsächlich kann uns Akzeptanz jedoch dabei helfen, Gereiztheit abzubauen. Vielleicht hast du es bereits erlebt, dass du noch gestresster wirst, weil du nicht gestresst sein möchtest? Genau darum geht es. Es ist so, als würdest du versuchen, nicht an einen rosa Elefanten zu denken – funktioniert nicht, oder?

Anstatt dir also das Gefühl der Gereiztheit zu „verbieten” und dich darüber zu ärgern, dass es da ist, kannst du es akzeptieren.

Wahrscheinlich nicht von jetzt auf gleich und nicht vollständig, aber versuche einmal behutsam, deine Einstellung zu ändern von „Ich will nicht gereizt sein!” zu „Das Gefühl ist einfach da, das ist okay und wird irgendwann wieder vergehen.” Akzeptanz bedeutet nicht, alles gutzuheißen, sondern aufzuhören, innerlich dagegen zu kämpfen.

Achtsamkeit als konkrete Praxis:

Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst und ohne Bewertung wahrzunehmen. Eine aktuelle Meta-Analyse von Rogerson et al. (2024) bestätigt, dass Achtsamkeits- und Entspannungsinterventionen besonders effektiv bei der Senkung von Cortisolspiegeln sind – dem Stresshormon, das eng mit Reizbarkeit verbunden ist. Studien zeigen, dass regelmäßige Meditation messbare Veränderungen im Gehirn bewirken kann: Bereiche, die mit Aufmerksamkeit und Emotionsregulation zu tun haben, werden stärker vernetzt, während das „Alarmzentrum“ des Gehirns – die Amygdala – weniger stark auf Stress reagiert. Dadurch fällt es vielen Menschen leichter, gelassener auf Belastungen zu reagieren (Calderone und Kolleg:innen, 2024).

Man könnte sagen, Achtsamkeit wirkt wie ein mentales Training, das dein Gehirn langfristig widerstandsfähiger gegen Stress macht.

Kurzübung

Für den Alltag

  1. Halte inne, wenn du merkst, dass du gereizt bist
  2. Atme drei Mal bewusst tief ein und aus
  3. Benenne innerlich, was du gerade fühlst: „Ich bemerke Gereiztheit”
  4. Sage dir: „Dieses Gefühl darf da sein. Es ist vorübergehend.”
  5. Lenke deine Aufmerksamkeit auf deine Atmung, bis du dich etwas ruhiger fühlst

Achtsamkeitsmeditation für Anfänger:

Wenn du Achtsamkeit regelmäßig üben möchtest, beginne mit ein paar Minuten täglich. Forschung von Basso et al. (2019) zeigt, dass bereits 13 Minuten tägliche Meditation über 8 Wochen negative Stimmungszustände reduzieren und Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis sowie emotionale Regulation verbessern kann. Du musst also nicht viel Zeit investieren – kleine Routinen zeigen messbare Wirkung:

  • Setze dich bequem hin und schließe die Augen
  • Richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem – wie er ein- und ausströmt
  • Wenn Gedanken kommen (und das werden sie!), beobachte sie ohne Bewertung und kehre sanft zur Atmung zurück
  • Es geht nicht darum, „nichts zu denken”, sondern darum, die Gedanken kommen und gehen zu lassen wie Wolken am Himmel

Der Unterschied zur bloßen Akzeptanz: Achtsamkeit hilft dir, im Moment der Gereiztheit bewusster zu reagieren. Statt nur zu denken „Ich akzeptiere, dass ich gereizt bin”, übst du aktiv eine nicht-wertende Haltung gegenüber deinem inneren Erleben.

Selbstmitgefühl statt Selbstkritik:

Viele Menschen sind gereizt, weil sie gereizt sind – sie verurteilen sich dafür, nicht „funktionieren” zu können. (Spoiler: Du bist keine Maschine.) Versuche stattdessen, dir selbst mit der gleichen Freundlichkeit zu begegnen, die du einem guten Freund entgegenbringen würdest. Sage dir: „Ich habe gerade eine schwierige Zeit. Das ist menschlich. Ich darf Unterstützung brauchen.” Würdest du zu deiner besten Freundin sagen: „Reiß dich zusammen!”? Vermutlich nicht. Also sei auch zu dir selbst nett.

3 Schöne Erlebnisse bewusst schaffen

Wie schon beschrieben, können schöne Erlebnisse dazu beitragen, unsere Stimmung zu verbessern und auch unser Stresslevel zu senken. Nun lässt sich natürlich schlecht planen, ob ein Erlebnis wirklich schön wird, aber du kannst dich zumindest bewusst Aktivitäten widmen, die dir normalerweise guttun.

Frage dich:

  • Welche Menschen möchtest du sehen? 
  • Wo möchtest du sein? 
  • Was möchtest du gerne machen? 

Du kannst diese Aktivitäten entweder vorbeugend planen oder spätestens, wenn du bemerkst, dass du genervt und gereizt bist: Dann ist es höchste Eisenbahn, dir ganz im Sinne der Selbstfürsorge etwas Gutes zu tun. Auch wenn es mal nur eine Tasse Tee ist, die du ganz bewusst genießt.

Was sind konkrete Ideen für stimmungsaufhellende Aktivitäten?
- Ein Spaziergang in der Natur (bereits 20 Minuten können nachweislich die Stimmung heben)
- Zeit mit einem Haustier verbringen
- Musik hören, die dir emotional guttut
- Kreativ werden: Malen, Schreiben, Basteln
- Ein warmes Bad nehmen
- Mit einer vertrauten Person telefonieren
- Sich körperlich bewegen – Tanzen, Yoga, Sport
- Etwas kochen oder backen, das du liebst
- Ein Buch lesen oder einen Film schauen, der dich berührt
- Bewusst Zeit in der Sonne verbringen (Vitamin D und Tageslicht heben die Stimmung)
- Eine gemütliche Tasse Tee, Kaffee oder Kakao trinken
Wie kann ich schnell aus der Gereiztheit herauskommen?
Aktiviere bewusst alle fünf Sinne, um dich im Hier und Jetzt zu verankern und deine Stimmung schnell zu verbessern. So funktioniert die 5-Sinne-Methode:

●  Sehen: Betrachte etwas Schönes (Natur, Kunst, Fotos von geliebten Menschen)
●  Hören: Höre beruhigende oder aufmunternde Musik
●  Riechen: Verwende ätherische Öle, Duftkerzen oder rieche an frischen Kräutern
●  Schmecken: Genieße bewusst eine Tasse Tee oder ein Stück Schokolade
●  Tasten: Nimm ein warmes Bad, streichle ein Haustier oder spüre die Textur eines weichen Stoffes

Wichtig: Es geht nicht darum, perfekte Instagram-würdige Momente zu kreieren, sondern darum, dir echte Auszeiten und Freude zu gönnen – auch wenn sie klein sind. Schon fünf Minuten bewusste Selbstfürsorge (fernab von Social Media) können einen spürbaren Unterschied machen.

Regelmäßigkeit ist der Schlüssel:

Plane diese angenehmen Aktivitäten nicht nur für „wenn ich mal Zeit habe” (also nie), sondern mache sie zu einem festen Bestandteil deiner Woche. Trage sie in deinen Kalender ein wie wichtige Termine – denn genau das sind sie. Ein Date mit dir selbst ist genauso wichtig wie das Meeting mit dem Chef.

Denk daran: Pausen helfen dir dabei, langfristig leistungsfähig zu bleiben.

Sofortmaßnahmen bei akuter Reizbarkeit

Wenn die Gereiztheit gerade akut ist und du das Gefühl hast, gleich zu explodieren, können diese Techniken schnell helfen:

Atemübung (4-7-8-Technik)

Diese vom bekannten Arzt Dr. Andrew Weil entwickelte Atemtechnik kann den Parasympathikus anregen – den „Ruhenerv” unseres Körpers. So einfach wie genial:

  1. Atme durch die Nase ein und zähle dabei bis 4
  2. Halte den Atem an und zähle bis 7 
  3. Atme langsam (mit leicht geöffneten Lippen) durch den Mund aus und zähle bis 8
  4. Wiederhole dies 3 – 4 Mal

Schon wenige Minuten bewusster Atmung können helfen, den Puls zu senken, das Stressgefühl zu reduzieren und innerlich zur Ruhe zu kommen (Priasmoro et al., 2024).

Progressive Muskelentspannung (Kurzversion)

Diese oft empfohlene Technik nutzt den Kontrast zwischen Anspannung und Entspannung:

  1. Balle deine Fäuste fest für 5 Sekunden
  2. Lasse sie los und spüre bewusst die Entspannung für 10 Sekunden
  3. Ziehe deine Schultern zu den Ohren hoch, halte 5 Sekunden, lasse los
  4. Spanne deinen Bauch an, halte, entspanne
  5. Ziehe deine Zehen zu dir, halte, entspanne
  6. Spüre nach: Wie fühlt sich dein Körper jetzt an?

Diese Technik kann körperliche Anspannung abbauen – und mit ihr oft auch die emotionale Gereiztheit (Muhammad Khir et al., 2024). Eine praktische Audioanleitung dazu findest du übrigens in unserem Artikel zu Entspannungsübungen.

Die STOPP-Technik

Ein bewährtes Werkzeug aus der kognitiven Verhaltenstherapie (Hofmann et al., 2012):

  • Stoppen: Halte kurz inne, bevor du reagierst
  • Tief durchatmen: Atme 3x tief durch
  • Observieren: Was passiert gerade? Was fühle ich? Was denke ich?
  • Perspektive wechseln: Ist die Situation wirklich so schlimm? Wie werde ich in einer Stunde darüber denken?
  • Plan: Wie will ich jetzt reagieren?

Time-out nehmen: Wenn möglich, verlasse kurz die Situation. Geh auf die Toilette, mach einen kurzen Spaziergang ums Haus oder atme am offenen Fenster. Manchmal brauchen wir einfach einen räumlichen Abstand, um wieder klarer zu werden. Sage ruhig: „Ich brauche kurz einen Moment für mich” – das ist ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche.

Kaltes Wasser: Halte deine Handgelenke unter kaltes Wasser oder spritz dir kaltes Wasser ins Gesicht – ein schneller physiologischer Trick. Die Temperaturveränderung unterbricht den Stress-Kreislauf, dabei verlangsamt sich der Herzschlag, die Atmung wird ruhiger, und der Körper signalisiert Entspannung.

Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

Gereiztheit ist in bestimmten Lebensphasen normal und verschwindet oft von selbst. Doch manchmal ist sie auch ein Symptom psychischer Erkrankungen wie Depression, Angst- oder Anpassungsstörungen – oder Ausdruck chronischer Belastung. Dann solltest du professionelle Unterstützung erwägen. Es ist völlig legitim und sinnvoll, Hilfe anzunehmen – das zeigt Stärke, nicht Schwäche.

Erwäge professionelle Hilfe, wenn:

  • Die Reizbarkeit seit Wochen oder Monaten anhält (es ist kein „schlechter Tag” mehr, sondern ein schlechter Dauerzustand)
  • Sie dein Leben und deine Beziehungen stark beeinträchtigt (deine Liebsten gehen auf Zehenspitzen um dich herum)
  • Du dich zusätzlich erschöpft, hoffnungslos oder leer fühlst
  • Du Schwierigkeiten hast, deinen Alltag zu bewältigen (selbst einfache Dinge fühlen sich unmöglich an)
  • Du an Schlafstörungen, Appetitveränderungen oder körperlichen Beschwerden leidest
  • Du dich selbst kaum wiedererkennst und denkst: „Ich bin gar nicht mehr ich selbst”
  • Andere Menschen in deinem Umfeld sich Sorgen machen (das solltest du ernst nehmen!)

Medikamente bei Gereiztheit: Was hilft wirklich?

Die Antwort ist differenziert. Medikamente können in bestimmten Fällen unterstützend wirken – etwa wenn Reizbarkeit Teil einer Depression oder Angststörung ist. Die Entscheidung sollte immer individuell und in Absprache mit ärztlichem Fachpersonal erfolgen. Wichtig: Medikamente behandeln oft nur Symptome, nicht die Ursachen.

Die wirksamste Langzeitstrategie kombiniert verschiedene Ansätze:

  • Psychotherapie (zum Beispiel kognitive Verhaltenstherapie)
  • Stressbewältigung und Entspannungstechniken
  • Änderungen der eigenen Gewohnheiten (Schlaf, Ernährung, Bewegung)
  • Bei hormonellen Ursachen: ggf. Hormontherapie nach ärztlicher Beratung

Homöopathie: Was sagt die Wissenschaft?

Bei anhaltender Gereiztheit setzen manche Menschen auf Homöopathie als Lösung. Wichtig zu wissen: Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz für homöopathische Mittel (Mathie et al., 2017). Mehrere systematische Übersichtsarbeiten konnten keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus nachweisen. Das heißt nicht, dass du dich nicht besser fühlen kannst – der Placebo-Effekt ist real und kann hilfreich sein. Dabei wirken oft nicht die Mittel selbst, sondern die aktive Zuwendung, die Struktur eines Behandlungsrituals und die Hoffnung, die damit verbunden ist.

Fazit

Gereiztheit ist damit kein unabwendbares Schicksal. Ob durch kleine Alltagsanpassungen, Entspannungstechniken oder therapeutische Begleitung – es lohnt sich, aktiv zu werden. Und wenn du merkst, dass du alleine nicht weiterkommst: Professionelle Unterstützung zu suchen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge.

Häufige Fragen zu Gereiztheit

Warum bin ich ständig gereizt und übertrieben genervt?
Ständige Gereiztheit hat meist mehrere Ursachen, die zusammenwirken – es ist selten nur ein Faktor allein (wäre ja auch zu einfach). Die häufigsten sind: chronischer Stress und Überlastung, Schlafmangel (unterschätzt, aber extrem wichtig!), hormonelle Schwankungen (PMS, Wechseljahre, Testosteronmangel), emotionale Erschöpfung, unterdrückte Emotionen oder körperliche Faktoren wie Hunger, Durst und Bewegungsmangel. Auch die Darm-Hirn-Achse spielt eine Rolle – eine unausgewogene Ernährung kann die Stimmungsregulation beeinträchtigen. Psychische Erkrankungen wie Depression oder Burnout können sich ebenfalls durch erhöhte Reizbarkeit äußern. Oft ist es eine Kombination dieser Faktoren, die das „Fass zum Überlaufen” bringt.
Warum bin ich so schnell gereizt?
Schnelle Reizbarkeit ist oft ein Zeichen dafür, dass dein „emotionales Fass” bereits voll ist – es braucht nur noch einen Tropfen, um überzulaufen. Das kann durch chronischen Stress passieren, der deine Stresshormon-Regulation durcheinanderbringt und deine Reizschwelle drastisch senkt. Auch emotionale Erschöpfung, unterdrückte Gefühle, Schlafmangel oder soziale Überstimulation können dazu führen, dass du bei Kleinigkeiten überreagierst. Dein Nervensystem ist dann im Dauerkampfmodus. Die gute Nachricht: Mit gezielten Techniken wie Achtsamkeit, Atemübungen und ausreichend Erholung kannst du deine Reizschwelle wieder erhöhen.
Was hilft schnell gegen Gereiztheit?
Bei akuter Gereiztheit können Atemtechniken wie die 4-7-8-Methode (4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen) schnell beruhigend wirken – funktioniert erstaunlich gut, auch wenn es sich erstmal komisch anfühlt! Auch ein kurzer Time-out – raus aus der Situation, frische Luft schnappen – kann helfen. Körperliche Anspannung lässt sich mit Progressiver Muskelentspannung abbauen. Die STOPP-Technik (Stoppen, Tief durchatmen, Observieren, Perspektive wechseln, Plan machen) hilft in angespannten Situationen, bewusster zu reagieren. Kaltes Wasser an den Handgelenken oder im Gesicht unterbricht den Stress-Kreislauf (klingt simpel, ist aber effektiv). 

Langfristig sind regelmäßige Selbstfürsorge, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, Bewegung und Stressmanagement die wirksamsten Strategien gegen chronische Reizbarkeit
Ist ständige Reizbarkeit ein Zeichen für Burnout?
Anhaltende Gereiztheit kann ein Warnsignal für Burnout sein, besonders wenn sie mit anderen Symptomen einhergeht: Gefühle der Erschöpfung und Überlastung, Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Arbeit, Leistungsabnahme, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit und das Gefühl, nicht mehr abschalten zu können. Wichtig: Burnout wird speziell durch Arbeitsstress ausgelöst. Wenn du mehrere dieser Anzeichen bei dir bemerkst, ist es ratsam, professionelle Unterstützung zu suchen. Das Online-Therapieprogramm Stress und Burnout von HelloBetter kann dir eine wirksame Soforthilfe bei Burnout-Symptomen bieten – kostenfrei auf Rezept und ohne Wartezeit.
Wie kann ich weniger schnell gereizt reagieren?
Kurzfristig: Beginne damit, deine Trigger zu erkennen, indem du ein Stimmungstagebuch führst. Praktiziere regelmäßig Achtsamkeitsübungen, um eine bewusste Pause zwischen Reiz und Reaktion zu schaffen – diese Lücke gibt dir die Chance, gelassener zu reagieren. Bei akuter Anspannung können Atemübungen und progressive Muskelentspannung helfen. Achte außerdem auf ausreichend Erholung und Selbstfürsorge, damit dein „emotionales Fass” nicht ständig überläuft.

Langfristig: Lerne, deine Bedürfnisse klar zu kommunizieren, bevor sich Frust aufstaut. Wenn Gereiztheit ein anhaltendes Problem ist, können psychotherapeutische Ansätze sehr wirksam sein: Die Kognitive Verhaltenstherapie hilft dir, ungünstige Denkmuster zu verändern, während die Dialektisch-Behaviorale Therapie gezielt Fertigkeiten zur Emotionsregulation vermittelt. Auch achtsamkeitsbasierte Programme wie etwa die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) können deine Reaktionsmuster nachhaltig positiv beeinflussen. Und denk daran: Sei geduldig mit dir selbst – Veränderung braucht Zeit und Übung
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Quellennachweis
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